Rechtspopulismus attraktiver für Frauen
30. August 2018Chemnitz im Spätsommer 2018. Ein pöbelnder Mob auf der Straße fordert ein härteres Durchgreifen gegen Migranten. Vor allem Männer sind es, die sich lauthals Gehör verschaffen - und doch mischen sich immer wieder Frauen unter die Demonstranten.
Der frustrierte, weiße Mann hat sich als Prototyp des Pegida- und AfD-Anhängers im Bild der Öffentlichkeit festgesetzt. Dass dieses Bild so aber nicht mehr stimmt - und zwar europaweit - zeigt jetzt eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Fokus stehen neben Deutschland noch Frankreich, Griechenland, Polen, Schweden und Ungarn. In all diesen Ländern wurde beobachtet, wer genau rechtspopulistische Parteien wählt und warum. Die zentrale Erkenntnis: Immer mehr Frauen wählen rechtspopulistische Parteien.
Was macht die Parteien für Frauen attraktiv?
Eine überraschende Erkenntnis, sind rechtspopulistische Parteien doch dafür bekannt, ein eher rückwärtsgewandtes Frauenbild zu propagieren. Trotzdem haben beispielsweise in Ostdeutschland 17 Prozent der Frauen die "Alternative für Deutschland" (AfD) gewählt, in Westdeutschland immerhin 8 Prozent. In Polen wählen mit fast 40 Prozent sogar etwas mehr Frauen als Männer die rechtskonservative Partei "Prawo i Sprawiedliwość" (PiS). Was macht diese Parteien für Frauen attraktiv?
"In vielen der untersuchten Länder versuchen Rechtspopulisten über die Sozialgesetzgebung bei den Frauen zu punkten", sagt Elisa Gutsche, Herausgeberin der Studie mit dem Titel "Triumph der Frauen". "Das passiert mit einer Erhöhung des Kindergeldes, Zulagen für geborene Kinder und anderen Aspekten, bei denen es um das Thema Bevölkerungspolitik geht". In Polen beispielsweise hat die PiS das Programm "Familie 500 plus" aufgelegt. Es garantiert Familien ab dem zweiten Kind eine monatliche Transferleistung von 500 Złoty (etwa 120 Euro) pro Kind bis zum Alter von 18 Jahren.
In Deutschland propagiert die AfD eine "Willkommenskultur für Kinder" - und will damit der Willkommenskultur für Geflüchtete etwas entgegensetzen. Gerade in Deutschland zeigt sich, dass AfD-Wählerinnen aus Zukunftsangst und Angst um die Rente ihr Kreuz dort und nicht woanders machen - auch hier geben also soziale Themen des Ausschlag.
Frauen als modernes Gesicht der Partei
Nicht nur Frauen als Wähler, auch die Rolle von Frauen in den Spitzen der Parteien hat die Studie untersucht. Auffällig ist dabei, dass weibliche Politiker in der Breite in den rechtspopulistischen Parteien Europas kaum eine Rolle spielen. In den Fraktionen der Parlamente zum Beispiel ist der Männeranteil eklatant. Unter 92 AfD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag finden sich gerade Mal 10 Frauen. In den Spitzen der Parteien finden sich allerdings sehr wohl Frauen - wie Alice Weidel bei der AfD, Marine Le Pen beim französischen Rassemblement National, ehemaligen Front National, oder die frühere polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło bei der PiS. "Frauen wird die Rolle gegeben, das freundlichere, moderne Gesicht der Partei zu sein um auch für Frauen eine attraktive Wahlmöglichkeit zu sein", erklärt Gutsche im Interview mit der DW. "Allerdings ist ein Muster zu erkennen, dass das nicht in die Tiefe geht. Das sind keine progressiven Parteien, was die Gleichberechtigung in den Parteistrukturen angeht."
Starke fremdenfeindliche Ausrichtung
Endgültig revidiert wird das Bild des ausschließlich männlichen Rechtsauslegers, wenn man bedenkt, dass die Studie den Frauen sogar eine stärkeren Hang zu Fremdenfeindlichkeit und Islamkritik bescheinigt. "Das hat mich mit am meisten überrascht", so Gutsche. Der Grund läge hier unter anderem in der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Frauen müssten sich ohnehin in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft stärker gegen Widerstände durchsetzen, sind in schlechter bezahlten Jobs, öfter von Altersarmut betroffen. "Ich glaube, dass Frauen merken, dass sie am unteren Ende der sozialen Leiter viel mehr mit Flüchtlingen, mit Zuwanderern konkurrieren", so die Herausgeberin der Studie. Auch deshalb wenden sich Frauen den Parteien zu, die versprechen, Zuwanderung zu verringern.