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Rechtspopulistische AfD wird stärkste Kraft in Thüringen

Veröffentlicht 1. September 2024Zuletzt aktualisiert 1. September 2024

Die AfD des Rechtsextremen Björn Höcke holt die meisten Stimmen bei der Landtagswahl in Thüringen. In Sachsen liegt die konservative CDU knapp vor der AfD. Die neue Partei BSW zieht in beide Landtage ein.

Deutschland | Landtagswahl in Thüringen 2024 | Höcke
Björn Höcke, der Landesvorsitzende der AfD, wurde in diesem Jahr zweimal verurteilt, weil er eine verbotene Losung der Nationalsozialisten wiedergegeben hatteBild: Chris Emil Janflen/IMAGO

Nach den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen zeichnen sich dort größere politische Umbrüche ab, die auch Auswirkungen auf die Bundespolitik insgesamt haben könnten.

Thüringen: AfD unter Björn Höcke wird stärkste Kraft

In Thüringen sehen die Hochrechnungen verschiedener Meinungsforschungsinstitute die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme AfD (Alternative für Deutschland) vorne. Allerdings ist es das erklärte Ziel anderer Parteien, den rechtsextremen AfD-Landeschef Björn Höcke als Ministerpräsidenten zu verhindern. Die AfD wird in Sachsen und Thüringen von den Nachrichtendiensten beider Bundesländer als gesichert rechtsextreme Partei eingestuft und entsprechend beobachtet. Mit 31 möglichen Sitzen könnte die AfD im Landtag sogar eine Sperrminorität erhalten - das heißt, sie könnte bestimmte Entscheidungen blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern.

Dem bisherigen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der sozialistischen Partei Die Linke steht ein Abschied aus der Staatskanzlei bevor, obwohl er in Thüringen nach wie vor sehr beliebt ist. Im neuen Thüringischen Landtag ist seine Partei nur noch viertstärkste Kraft.

Von der Linkspartei hatte sich vor knapp einem Jahr das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), benannt nach ihrer im thüringischen Jena geborenen Gründerin und Anführerin, abgespalten. Wagenknecht verknüpft auf mitunter populistische Weise sozialpolitisch linke Themen mit migrationskritischen und pro-russischen außenpolitischen Standpunkten.

BSW-Namensgeberin und -Covorsitzende Sahra Wagenknecht steuert mit ihrer neuen Partei auf zweistellige Ergebnisse in beiden Ländern zuBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Das BSW erhielt in Thüringen aus dem Stand mehr Stimmen als Die Linke. Auch Ramelows bisherige Koalitionspartner, die sozialdemokratische SPD sowie die Grünen, verloren an Zuspruch. Die Grünen verpassen den Wiedereinzug in den Landtag in Erfurt.

Noch deutlicher die Verluste bei der liberalen FDP, immerhin Regierungspartner im Bund: Bei der Landtagswahl in Thüringen erreichte sie (Stand: 22:18 Uhr, ARD-Hochrechnung) nur 1,1 Prozent, nachdem sie 2019 die Fünf-Prozent-Hürde noch mit wenigen Stimmen genommen hatte. Damals hatte ihr Fraktionschef Thomas Kemmerich für einen Eklat gesorgt, als Ramelow bei der Wahl zum Ministerpräsidenten zunächst keine absolute Mehrheit erhielt. Im dritten Wahlgang, in dem eine einfache Mehrheit ausreicht, ließ sich Kemmerich mit Stimmen aus der AfD-Fraktion zum Ministerpräsidenten wählen, bevor er unter massivem Druck aus Land und Bund wieder zurücktrat.  

Mario Voigt von der CDU darf sich Hoffnungen machen, Chef einer Anti-AfD-Koalition in Thüringen zu werdenBild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Leichte Zugewinne verzeichnete die CDU. Durch die Verluste der Linkspartei steigt sie zur zweitgrößten Fraktion im Thüringer Landtag auf.

Nach dem Wahlabend muss Thüringen sich ein weiteres Mal auf eine schwierige Regierungsbildung einstellen: Die AfD ist zwar stärkste Kraft, aber ansonsten politisch isoliert. Die konservative CDU hat für sich generell beschlossen, mit der AfD auf Bundes- und Landesebene unter keinen Umständen zusammenzuarbeiten. Als zweitstärkste Kraft kann sie hoffen, dass ihr Spitzenkandidat Mario Voigt eine neue Landesregierung anführt.

Anders als in der deutschen politischen Kultur üblich ließ die Thüringer AfD keine Medienvertreter zu ihrer Wahlparty zu. Begründet wurde der Schritt mit zu wenig Platz in der Veranstaltungsstätte in Erfurt.Bild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Doch bräuchte die CDU mindestens zwei Koalitionspartner: Im Landtag stehen ihr dafür SPD, BSW sowie Linke zur Auswahl. Mit der Linkspartei besteht jedoch ein ähnlich gelagerter Unvereinbarkeitsbeschluss.

Sachsen: CDU bleibt vorne, SPD und Grüne bleiben im Landtag

In Sachsen sehen Hochrechnungen die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer weiter vorne. Auch hier erzielte die AfD Zugewinne - allerdings nur noch von geringerem Ausmaß, da sie vor fünf Jahren bereits mit 27,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft geworden war.

In Sachsen herrscht seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 ununterbrochen die konservative CDU: die ersten zwölf Jahre als Alleinregierung, seit 2002 mit Koalitionspartnern in wechselnden Konstellationen. Seit 2019 steht Ministerpräsident Michael Kretschmer einer CDU-geführten Koalition mit der SPD sowie den Grünen vor. Eine Fortführung der Koalition aus CDU, SPD und Grünen gilt jedoch nicht unbedingt als ausgemacht. Kretschmer war zuletzt auf Distanz gegangen zum bisherigen Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen.

Kretschmer: Großes Urvertrauen in die sächsische Union

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Auch nach der Wahl scheint Kretschmer nicht an einer Fortführung der Zusammenarbeit mit den Grünen interessiert zu sein: Im Gespräch mit der DW warf er seinem bisherigen Koalitionspartner vor, die Gesellschaft zu spalten und die Demokratie zu gefährden. Zugleich beschrieb er ein "großes Urvertrauen in die sächsische Union", die ihr Ergebnis von 2019 annähernd konstant halten konnte.

Die beiden Gewinner in Sachsen sind (Stand: 22:18 Uhr, ARD-Hochrechnung) das BSW, das aus dem Stand auf 11,9 Prozent taxiert wird, und die AfD mit einem Zuwachs um 3,3 Prozentpunkte. Alle anderen Parteien verloren, am stärksten Linkspartei (-5,9 Prozentpunkte) und Grüne (-3,5).

Die Linke rutscht dadurch unter die Fünf-Prozent-Hürde, zieht durch eine Sonderregel im sächsischen Wahlrecht jedoch trotzdem in den Landtag ein: Parteien mit schwächerem Ergebnis können jedoch auch einziehen, wenn ihre Kandidaten in zwei Wahlkreisen jeweils die meisten Direktstimmen erhalten. In der größten sächsischen Stadt Leipzig, in der es eine starke linke Szene gibt, warb Die Linke deshalb speziell um Erststimmen auch von Wählern, die bei der wichtigeren Zweitstimme andere Parteien favorisierten. Angaben des sächsischen Landeswahlleiters zufolge holte Die Linke die Mehrheit der Erststimmen in den Wahlkreisen Leipzig 1 und Leipzig 4 und ist somit weiter im Landtag vertreten.

Auch in Sachsen stark: das BSW mit seiner sächsischen Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann (2.v.r.)Bild: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Damit würde die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen ohnehin keine Mehrheit mehr erreichen. Als weiterer Koalitionspartner statt der von Kretschmer abgelehnten Grünen könnte auch das BSW in Frage kommen. In den Reihen des BSW finden sich neben politischen Quereinsteigern auch einige frühere Mitglieder der Linkspartei, die gemeinsam mit Wagenknecht ausgetreten sind. 

Landtagswahlen erhöhen Druck auf Ampel-Koalition im Bund

In drei Wochen wird auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Die Wahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern gelten als wichtiger Stimmungstest vor den nächsten Bundestagswahlen, die regulär für den 28. September 2025 angesetzt sind.

Doch die Verluste für die Partner der derzeitigen Bundesregierung - SPD, Grüne sowie die liberale FDP, die dem neuen Thüringer Landtag ebenfalls nicht mehr angehören wird - dürften den Druck auf die angeschlagene Koalition weiter erhöhen. Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki schrieb im Netzwerk X, "Die Ampel hat ihre Legitimation verloren", und forderte Konsequenzen.

Landtagswahl in Sachsen

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