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Referendum macht SPD-Chef traurig

Sabine Kinkartz6. Juli 2015

Die Bundesregierung ist offen für Gespräche, ein neues Hilfspaket ist aber nicht angedacht. Vizekanzler Gabriel will Griechenland nicht im Stich lassen und fordert humanitäre Hilfe ein. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Sigmar Gabriel (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Es dauerte bis in den Nachmittag, bis in Berlin das erste Regierungsmitglied Stellung bezog. "Mich macht die Lage, die jetzt durch das Referendum entsteht und entstehen wird, auch traurig", sagte Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei.

Für die griechische Bevölkerung werde das Leben jetzt noch viel schwieriger, als es in den letzten Wochen ohnehin schon gewesen sei. "Die endgültige Zahlungsunfähigkeit des Landes droht ja unmittelbar bevorzustehen und das Wirtschaftsleben wird vielerorts noch mehr zum Erliegen kommen." Man dürfte Griechenland nun nicht im Stich lassen, alle EU-Länder müssten für humanitäre Hilfe bereitstehen.

Bundesregierung wartet ab

Das hört sich nicht danach an, als gehe Gabriel von einer schnellen Lösung im Schuldenstreit aus. Wie auch? Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras habe mit dem Referendum letzte Brücken eingerissen, über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss hätten zubewegen können, hatte der SPD-Chef nach dem klaren Nein aus Athen am Sonntagabend gesagt.

Eine Position, die Regierungssprecher Steffen Seibert am Tag danach bekräftigte. "Angesichts der Entscheidung der griechischen Bürger gibt es zurzeit nicht die Voraussetzungen, um in Verhandlungen für ein neues Hilfsprogramm einzutreten", sagte er. Die Tür für Gespräche bleibe offen, aber zunächst müsse herausgefunden werden, auf welcher Basis man überhaupt weiter miteinander reden könne. "Das gestrige Nein ist auch eine Absage an den Grundsatz, der jahrelang die Hilfen an die Programmländer geleitet hat, nämlich, dass Solidarität und Eigenanstrengung untrennbar verbunden sind."

Viele Fragen, einseitige Antworten

Über eine Stunde musste Seibert am Tag nach dem Referendum in Griechenland Fragen im Namen seiner Chefin, der Bundeskanzlerin, beantworten. Dreimal pro Woche stellen sich die Sprecher der Regierung und der Ministerien der Presse, nur selten wird so lange zu einem Thema gefragt. Und es hätte wohl noch länger gedauert, wenn die Befragung aus Zeitgründen nicht für beendet erklärt worden wäre.

Ist die Gefahr eines Grexit gestiegen? Erleichtert der Rücktritt des griechischen Finanzministers Varoufakis weitere Gespräche mit Griechenland? Gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen Deutschland und Frankreich, wie es mit Griechenland weitergeht? Ist die Bundeskanzlerin mit ihrer Politik der harten Hand gescheitert? So lauteten nur einige der Fragen, die vorzugsweise an Seibert und den Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, gestellt wurden.

ESM als Grundlage

Es gehe nicht um Personen, sondern um Positionen, beurteilte Jäger die Folgen des Rücktritts Yannis Varoufakis. Der hatte in seinem Internetblog geschrieben, einige Mitglieder der Eurogruppe hätten ihm klar gemacht, dass sie es vorziehen würden, wenn er nicht mehr an ihren Treffen teilnehmen werde. "Also ich kann nicht begreifen, auf was er anspielt", sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Schäuble dazu. "Ich verstehe das nicht und ich denke auch nicht, dass es der Realität entspricht."

Ganz real ist für Jäger allerdings, dass alle weiteren Verhandlungen mit Griechenland nur auf der Grundlage des permanenten Euro-Rettungsfonds ESM stattfinden können. Bei zukünftigen Gesprächen bewege man sich nicht "in einem frei definierbaren Raum". Nur auf der Basis des europäischen Regelwerks sei eine Hilfe für Griechenland möglich, so Jäger. "Dieser Vertrag sieht ganz klar vor, dass jede Hilfe durch eine Gegenleistung konditioniert ist und von diesem Prinzip abzurücken, ist rechtlich schlichtweg nicht möglich."

Die Griechen sind am Zug

Unklar ist, ob ein Antrag der griechischen Regierung auf Hilfeleistungen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, wie der ESM heißt, bereits vorliegt. Am 30. Juni hatte der griechische Premier Alexis Tsipras ein allgemein gehaltenes Hilfsersuchen an Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem geschickt, ohne allerdings eine konkrete Summe zu nennen. Der Brief endete mit den Worten, Griechenland beabsichtigte zwar, seine Schulden zurückzuzahlen, dies aber nur unter Berücksichtigung der sozialen und ökonomischen Lage im Land.

Der Eurogruppen-Chef sei der Meinung gewesen, dass es hier einen offenkundigen Widerspruch gebe und habe das in seiner Antwort auch deutlich gemacht, erinnerte Martin Jäger. "Also gehen wir davon aus, dass es keinen Antrag gibt." Zumindest gebe es keinen, der den formalen Vorgaben und Erwartungen des ESM-Vertrags genügen würde. "Es ist jetzt an der griechischen Seite, erneut zu verdeutlichen, was sie will."

Hohe Hürden

Dann müssen die nationalen Parlamente, also auch der Deutsche Bundestag darüber entscheiden, ob überhaupt Verhandlungen mit Griechenland geführt werden dürfen. "Wir werden Kredite nur geben, wenn auch eine Sicherheit da ist, dass sie zurückgezahlt werden", betont der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, im Gespräch mit der DW.

Dabei ist fraglich, ob das Land überhaupt die formalen Voraussetzungen für ESM-Hilfen erfüllen würde. Ein gravierender Punkt wird die Schuldentragfähigkeit sein. Die wird im ESM vorausgesetzt und könnte von Griechenland wohl nur erreicht werden, wenn die Gläubiger auf einen großen Teil der Verbindlichkeiten verzichten würden. Ein Schuldenschnitt kommt für die Bundesregierung allerdings nach wie vor nicht in Frage. "Das ist kein Thema", heißt es von Seiten des Finanzministeriums.

Für den Internationalen Währungsfonds wäre dies sehr wohl eine Lösung, das wurde in den vergangenen Monaten immer wieder klar. Auch die Linkspartei plädiert dafür. Parteichefin Katja Kipping stellte in Berlin einen "Fünf-Punkte-Plan" vor, mit dessen Hilfe die Krise beigelegt werden könnte. Dazu gehören der Einsatz eines Schlichters, eine "südeuropäische Schuldenkonferenz" und weitere Nothilfen der europäischen Zentralbank.

Letztes Wort nicht gesprochen

Ob dieser Vorschlag auf dem EU-Sondergipfel Gehör finden wird, sei dahingestellt. Dort geht es wohl erst einmal um grundsätzliche Fragen. "Politisch ist die Lage so aufgeladen, dass die griechische Regierung erst einmal sagen muss, ob sie im Euro bleiben will oder nicht", meint der SPD-Politiker Schneider gegenüber der DW. Ob diese Frage bereits in dem Telefongespräch zwischen der Bundeskanzlerin und dem griechischen Regierungschef erörtert wurde, ist nicht bekannt. Angeblich sollen Merkel und Tsipras am Montag vereinbart haben, dass die Griechen neue Vorschläge präsentieren.

Nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg sind allerdings "substanzielle Vorleistungen" der griechischen Regierung nötig, um wieder eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen. "Um im Euro zu bleiben, muss Herr Tsipras jetzt genau das tun, wogegen er sein eigenes Volk aufgestachelt hat, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Union, der eine schnelle Lösung für "undenkbar" hält.

So wird Griechenland die EU und damit auch Berlin über die Sommermonate weiter in Atem halten. Ob denn die Bundeskanzlerin ihre Urlaubspläne schon revidiert habe, wurde Regierungssprecher Seibert daher auch gefragt. "Die Bundeskanzlerin ist immer im Dienst und heute gibt es noch keinen Anlass, über ihren Sommerurlaub zu spekulieren", lautete die Antwort, doch so richtig überzeugend wirkte Seibert bei seinen Worten nicht.

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