1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Papst reformiert seine Kirche

Christoph Strack26. September 2013

Im Vatikan weht ein frischer Wind. Gut sieben Monate nach seiner Wahl beginnt Franziskus den Dialog zur Kurienreform. Baustellen gibt es zur Genüge. Die Erwartungen der Gläubigen sind groß.

Pope Francis waves as he arrives to lead his Wednesday general audience in Saint Peter's Square at the Vatican September 18, 2013. REUTERS/Stefano Rellandini (VATICAN - Tags: RELIGION) ***FREI FÜR SOCIAL MEDIA***
Papst Franziskus 18.09.2013Bild: Reuters

Papst Franziskus macht sich an eine riesige Aufgabe. Mit acht Kardinälen aus aller Welt will der 76-Jährige eine Reform der römischen Kurie angehen. Ab dem 1. Oktober wollen sie Missstände ansprechen und Neuerungen erwägen. Ganz bewusst sucht der argentinische Papst den Dialog mit führenden Vertretern der unterschiedlichen Kontinente.

Das Thema Kurienreform lässt der Papst nicht aus dem Blick. In seinem kürzlich veröffentlichten ersten ersten langen Interview thematisiert Franziskus auch Fehlentwicklungen im vatikanischen Apparat. Ein Apparat, der vielen als Machtapparat erscheint. Die verschiedenen Behörden, so mahnt er, müssten im Dienst des Papstes und der Bischöfe stehen, "den Ortskirchen helfen oder den Bischofskonferenzen. Es sind Einrichtungen des Dienstes". Sonst liefen sie "Gefahr, Zensurstellen zu werden".

Über die Reden, Auftritte und ersten Reisen Franziskus sind die Zustände in der Kurie aus dem Blick geraten. Dabei reicht der Blick zurück ins Jahr 2012: Da brachte der Vatileaks-Skandal in mehreren Etappen Missstände und Interna aus der kirchlichen Machtzentrale ans Licht. Intrigen, Seilschaften, Machtgebaren waren ein offenes Geheimnis. Das zentrale Staatssekretariat zeigte Schwächen. Zudem bescherte die Vatikanbank mit ihrem obskuren Agieren Papst Benedikt (2005-2013) eine schlechte Presse. Seitdem hat sich strukturell wenig geändert.

Mammut-Projekt Kurienreform

Wenige Tage nach der Wahl von Mario Jose Bergoglio Mitte März wurde sein kurzer Wortbeitrag im sogenannten Vorkonklave bekannt, bei dem die Kardinäle einander kennenlernen und über Probleme und Herausforderungen austauschen wollten. Da beklagte der Kardinal von Buenos Aires eine "um sich kreisende Kirche", Selbstbezogenheit, einen "Geist des theologischen Narzissmus" – und viele bezogen das auf den römischen Apparat. Diese Rede trug ihren Teil dazu bei, dass sich die Kardinäle im Konklave für den Geistlichen "vom Ende der Welt" als neuen Papst entschieden.

Das Konklave im März 2013Bild: AFP/Getty Images

Doch die Kurienreform ist ein Mammutprojekt. Die letzte Reform, die Johannes Paul II. (1978-2005) mit der Konstitution "Pastor Bonus" (Der gute Hirte) in Kraft setzte, brauchte sechs, sieben Jahre an Vorarbeiten. Auch da ging es um Reorganisation und Neuordnung. Jetzt mehren sich die Stimmen derer, die die nach wie vor italienisch geprägte römische Zentralverwaltung endlich den globalen Herausforderungen und Chancen anpassen wollen. Denn der Apparat in Rom (insgesamt übrigens kleiner als ein mittelmäßiges Ministerium der deutschen Bundesregierung) ist bei den meisten Fragen für die Gesamtkirche mit ihren 1,2 Milliarden Gläubigen zuständig.

Globale Beraterkompetenz

Für diese Gesamtheit spreche der Kreis der acht Kardinäle, die die Beratungen mit dem Papst nun starten, sagt der Chefredakteur der deutschen Redaktion von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord, der Deutschen Welle. Franziskus wolle die ganze Weltkirche einbeziehen. Der sprach in seinem Interview selbst von einer "outsider-Beratungsgruppe". Sie sei "Frucht des Willens der Kardinäle" vor seiner Wahl. So benannte der Papst bereits im April drei Amerikaner, den Chilenen Francisco Javier Errazuriz Ossa, den Honduraner Oscar Rodriguez Maradiaga, den US-Amerikaner Sean Patrick O'Malley. Aus Europa kommen der Deutsche Reinhard Marx und der Präsident des vatikanischen Governorats, Giuseppe Bertello. Weitere Beteiligte sind der Inder Oswald Gracias, der Kongolese Laurent Monsengwo Pasinya und der Australier George Pell. "Der Papst", so Hagenkord gegenüber der Deutschen Welle, "versteht nicht so viel von strukturellen Fragen und hat da eine Schwäche festgestellt. So holt er sich entsprechende Leute." Mit ihnen wolle er eine große Kurienreform erarbeiten.

Kardinal Reinhard Marx (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Reform-Varianten

Denkbar ist es beispielsweise, dass Franziskus die Rolle der Ortskirchen gegenüber Rom stärken und mehr Transparenz im Agieren der Kurie verankern will. Dagegen wird es kaum darum gehen, einzelne Teile, beispielsweise päpstliche Räte, Kommissionen oder sogar Kongregationen, von Rom weg zu verlegen auf andere Kontinente. Das, was in Rom und im römischen Namen passiere, passiere "immer auf dem Ticket des Papstes", erläutert Hagenkord. Deshalb seien die kurzen Wege trotz aller technischen Möglichkeiten von großer Bedeutung.

Es fällt auf, dass die Kardinäle, die zwischenzeitlich alle mal beim Papst waren und sich wohl auch untereinander austauschten, sich mit spektakulären Äußerungen zurückhielten. Lediglich Rodriguez Maradiaga drängte im Mai mal ganz konkret in einem Interview darauf, die Vatikanbank solle künftig ihre Bilanzen offenlegen. Die Rolle des Finanzinstituts müsse neu definiert werden. Die anderen, auch der Münchener Kardinal Marx, hielten sich mit Ankündigungen zurück. Nun ist es gewiss zeitlicher Zufall, dass die Vatikanbank just in der kommenden Woche ihren Jahresbericht öffentlich vorlegt.

Bernd HagenkordBild: DW/B. Riegert

Qualität braucht Zeit

Bislang ist auch nicht bekannt, ob es nach den auf drei Tage angesetzten Gesprächen der Kardinalskommission irgendeine öffentliche Verlautbarung gibt, eine Pressekonferenz der Kardinäle oder des Vatikansprechers. Auf jeden Fall aber werden die acht Kardinäle mit Franziskus am 4. Oktober zu seinem Tagesbesuch nach Assisi reisen. Das zeigt, wie sehr auch die Reform eines Apparats für Franziskus ein geistlicher Weg ist. Und dass sie Zeit braucht. "Viele meinen", sagt Franziskus im Interview der Jesuitenzeitschriften, "dass Veränderungen und Reformen kurzfristig erfolgen können. Ich glaube, dass man immer genügend Zeit braucht, um die Grundlagen für eine echte, wirksame Veränderung zu legen." Er wolle, dass es "echte, keine formellen Beratungen geben wird".