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Teherans Regierung unter Korruptionsverdacht

Shabnam von Hein1. September 2016

Neun Monate vor den Präsidentschaftswahlen im Iran steht Präsident Rohani wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck: Sein Bruder soll in dubiose Geschäfte verwickelt sein. Er ist Sonderberater des Präsidenten.

Hassan Rohani mit seinem Bruder Hossein Fereydoun - Foto: Quelle: ISNA
Solche Bilder sind selten geworden: Irans Präsident Rohani in Begleitung seines Bruders Hossein Fereydoun (links)Bild: Isna

In den iranischen Medien überschlagen sich die Meldungen über neu entdeckte Korruptionsfälle. Erst am Mittwoch (31.August) wurde berichtet, der Leiter des Finanzfonds im Bildungsministerium sei zusammen mit seiner Frau und seinem Kind verhaftet worden. Der von konservativen Abgeordneten beherrschte Ausschuss zur Korruptionsbekämpfung teilte mit, es gehe um die Veruntreuung von umgerechnet 200 Millionen Euro.

Diese Meldung wird von konservativen Webseiten zelebriert. Sie berichten schon seit Monaten ausführlich über Korruptionsfälle unter den amtierenden Politikern in der reformorientierten Regierung von Hassan Rohani. Sie soll unter anderem nach der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gigantische Summen veruntreut haben.

"Solche Enthüllungen stehen immer im Zusammenhang mit den Konflikten zwischen unterschiedlichen Machtzentren im Iran. Es gibt keine unabhängigen Institutionen, die Regierungs- und Verwaltungsstrukturen kontrollieren können. Auch die Medien sind nicht unabhängig. Die Justiz sowieso nicht." analysiert Taghi Rahmani im Gespräch mit der DW. Der iranische Journalist hat 15 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht. Heute lebt er im Pariser Exil. In der Berichterstattung über die Korruptionsfälle sieht er eine breit angelegte Kampagne gegen Präsident Rohani.

Einer der engsten Vertrauen

Die Korruptionsvorwürfe haben inzwischen sogar den Präsidenten selbst erreicht: Rohanis Bruder Hossein Fereydoun soll in dubiose Geschäfte verwickelt sein. Er ist Sonderberater des Präsidenten. Die Brüder haben unterschiedliche Namen. Der Präsident hatte seinen Namen geändert, als er sein theologisches Studium begann. Rohani bedeutet Kleriker.

Rohanis jüngerer Bruder ist ebenfalls Politiker. Nach Informationen auf Webseiten, die den Revolutionsgarden nahestehen, soll Hossein Fereydoun in den letzten Jahren der Amtszeit des früheren Präsidenten Ahmadinejad eine Wechselstube gegründet haben. Dabei soll er von den starken Wechselkursschwankungen während der Wirtschaftskrise nach den damals neu verhängten Sanktionen profitiert haben.

Hossein Fereydoun (Mitte) begleitete sogar die Atomverhandlungen in WienBild: Isna


Hossein Fereydoun soll als Sonderberater des Präsidenten wichtige Entscheidungen im Finanz- und Wirtschafsministerium beeinflusst haben. Um das zu klären, wurde Wirtschafsminister Ali Tayebnia zur Befragung ins Parlament eingeladen. "Wenn die Antworten uns nicht zufrieden stellen, werden wir den Präsidenten einladen," teilten die Abgeordneten Ende August mit. "Der Präsident ist verantwortlich für die Aktivitäten seines Bruders".

"In allen Ländern ohne tief verwurzelte demokratische Parteien sehen wir Politiker, die sensible Posten nur ihren Familienmitgliedern anvertrauen", erläutert Exiljournalist Rahmani. "Rohani ist nicht der einzige Präsident im Iran, der einen Bruder mit ins Präsidialamt genommen hat. Auch seine Vorgänger hatten Verwandte oder engste Freunde als Büroleiter oder Sonderberater eingesetzt, sagt Rahmani.

Rohanis Bruder wird vorgeworfen, die Leitungsposten in den staatlichen Banken nach Gutdünken besetzt zu haben. Eine Reihe dieser Spitzenmanager wurden wegen "ungewöhnlich hoher Gehälter" im Juli abgesetzt. Einer von ihnen ist sogar von den Revolutionsgarden verhaftet worden.

"Wer einen korrupten Bruder hat, ist selber korrupt"

Die Revolutionsgarden sind zentraler Teil des konservativen Establishments im Iran. Neben ihrer militärischen Bedeutung haben sie einen enormen Einfluss auf die iranische Wirtschaft und sind fast in allen Branchen aktiv. Sie betreiben Unternehmen der Infrastruktur - in den Bereichen Energie bis hin zur Rüstung. Vor Rohanis Regierungszeit hatten die Revolutionsgarden ein gutes Verhältnis zu den Banken. Das scheint sich geändert zu haben.

Rohani hat mehrmals die Revolutionsgarde und ihren Einfluss in der Wirtschaft scharf kritisiert. Zwar hatte Rohani in seinem Wahlkampf versprochen, entschieden gegen die Korruption vorzugehen. Doch "die Korruption kann er nicht alleine bekämpfen", sagte der iranische Wirtschaftsexperte Fereydon Khavand in einem Interview Anfang März mit der DW.

Die Korruption im Iran sei systemisch, urteilt der Dozent an der Universität Paris- Descartes. "Zwar hat sich Irans Position auf dem Korruptionsindex etwas verbessert: Von Platz 144 (in 2013) auf Platz 130 im Jahr 2015. Für eine wirksame Bekämpfung der verbliebenen Korruption braucht es ein koordiniertes Vorgehen zwischen allen Behörden. Die Justiz im Iran aber hat keinerlei Interesse an dieser Zusammenarbeit."

Die Justiz agiert unabhängig von der Regierung und untersteht direkt dem religiösen Führer - so wie die Revolutionsgarden. Sie lehnen den Kurs der reformorientierten Regierung ab und wollen Rohanis Wiederwahl im nächsten Sommer verhindern.

"Wer einen korrupten Bruder hat, ist selbst korrupt - so denken die Iraner" glaubt Rahmani. "Rohani muss seine schützende Hand von Hossein Fereydoun abziehen. Die Vorwürfe sollen aufgeklärt werden. Falls er verurteilt wird, werden die Menschen sehen, dass die Gesetze für alle gelten. Wenn nicht, müssen die Revolutionsgarden sich zurückziehen. So oder so ginge Rohani dann gestärkt aus der Affäre hervor," schließt der Journalist Rahmani seine Überlegungen ab.

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