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GesellschaftEuropa

LGBTQ+-Rechte in Europa: Malta führt

17. Mai 2024

Wo sind Rechte von Schwulen, Lesben, Transpersonen geschützt? Wie sicher fühlen sich LGBTQ+-Menschen? Die Regenbogenkarte und eine Studie der EU-Menschenrechtsagentur geben Antworten.

Belgien Brüssel Graffito küssende Männer
Wandbild in Europas Hauptstadt Brüssel: Belgien liegt weit vorne bei LGBTQ+-RechtenBild: Bernd Riegert/DW

Flucht aus Russland nach Spanien

05:11

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Aus Anlass des Internationalen Aktionstages gegen Homophobie, Transphobie, Interphobie und Biphobie am 17. Mai veröffentlicht die europäische LGBTQ+-Lobbyorganisation (ILGA) die Regenbogenkarte. LGBTQ+ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queere und intersexuelle Menschen.

Die Regenbogenkarte, die seit elf Jahren erstellt wird, zeigt den Stand der rechtlichen Absicherung von LGBTQ+-Personen in ganz Europa. Die Rangfolge der Staaten wird von der ILGA Europe nach einem umfangreichen Kriterienkatalog ermittelt, der die Rechte auf Gleichbehandlung von LGBTQ+-Personen mit heterosexuellen Menschen, den Schutz vor Hass-Verbrechen und Diskriminierung, die Einbindung in gesellschaftliche Aktivitäten und die geschlechtliche Selbstbestimmung erfasst.

Wie viel Prozent erreichen die Länder?

Die kleine Mittelmeerinsel Malta liegt seit Jahren auf dem Spitzenplatz mit 88 von 100 möglichen Punkten. Auf Platz zwei folgt in diesem Jahr Island mit 83 Punkten.

Zur führenden Gruppe in der Europäischen Union gehören Belgien, Luxemburg, Spanien, Dänemark, Finnland und Griechenland mit jeweils über 70 Punkten. Grob lässt sich sagen, dass je weiter nördlich und westlich die Länder in Europa liegen, desto besser sind LGBTQ+-Rechte verankert.

Die untersten Plätze der Rangliste belegen Russland, Aserbaidschan und die Türkei. In der Europäischen Union belegt Polen nach zehn Jahren Herrschaft der nationalkonservativen Partei PiS mit 17 Punkten den letzten Platz. Nach dem Regierungswechsel im letzten Jahr könnte sich die Platzierung nächstes Jahr verbessern. Die Regenbogenkarte fusst auf den Daten aus dem Jahr 2023.

Demonstration in Mailand für Rechte gleichgeschlechtlicher Eltern: Die rechtsextreme Regierung will sie einschränken (Archiv 2023)Bild: GABRIEL BOUYS/AFP/Getty Images

Absteiger

Verschlechtert hat sich die Lage in Italien nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die rechtsextreme Koalition von Fratelli, Lega und Forza. Italien liegt seit Jahren ohnehin schon im unteren Drittel der EU-Länder, weil viele gesetzliche Bestimmungen zu Elternschaft, Adoption und Ehe für alle einfach fehlen, meint Katrin Hugendubel, Direktorin für Rechtspolitik bei der ILGA.

Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nutzt diese rechtlichen Lücken, um ihr Familienbild von ausschließlich gegengeschlechtlichen Eltern durchzusetzen. "Gesetze sind einfach wichtig, um uns auch gegen politischen Wandel abzusichern. Und da sehen wir im Moment wenig Bewegung nach oben", sagt Katrin Hugendubel im DW-Gespräch.

Karin Hugendubel, ILGA-Direktorin in Brüssel: Eher Stagnation als FortschrittBild: Pressefoto ILGA

Aufsteiger

Insgesamt, so ILGA-Juristin Katrin Hugendubel, hat sich die Rangliste der europäischen Staaten kaum verändert, weil es kaum noch Initiativen gebe, um queere Rechte in Gesetze zu fassen. Eine Ausnahme ist Deutschland, wo inzwischen das Gesetz zur Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität verabschiedet wurde. Eine solche Selbstbestimmung ist nur in elf der 49 untersuchten europäischen Länder möglich.

"Während einige Länder, darunter auch Deutschland, schon vorangegangen sind, ist in vielen anderen Ländern einfach eine Stagnation, das heißt es werden keine neuen Gesetze verabschiedet", bemängelt die Mitarbeiterin des europäischen LGBTQ+-Verbandes.  "Das ist in einer Zeit, wo wir sehen, dass Hass, Gewalt im Anstieg begriffen ist, wo Regierungen versuchen, Menschenrechte, vor allem von LGBTQ+-Menschen zu unterwandern, sehr gefährlich."

Selbstbestimmte geschlechtliche Identität in Deutschland: Eine Forderung beim Pride Marsch (CSD) hier in Köln 2023Bild: Guido Schiefer/IMAGO

Mehr Sichtbarkeit, mehr Anfeindungen

Die Agentur für Menschenrechte der Europäischen Union (FRA) hat zum Tag gegen Homophobie eine umfangreiche Studie vorgelegt. Sie wollte wissen, wie queere Menschen ihre eigene Situation einschätzen. 100.000 Personen haben sich europaweit an einer Online-Befragung beteiligt. Danach gehen LGBTQ+-Menschen offener mit ihrer Identität um. In Schulen wird mehr über diese Themen gesprochen als vor fünf Jahren, als die letzte große Studie dieser Art gemacht wurde.

Gleichzeitig haben Diskriminierung, Mobbing und Hassrede im Alltag zugenommen, gaben die Befragten an. Mehr als eine von zehn LGBTQ+-Personen ist gewaltsam attackiert worden. Das ist ein etwas größerer Wert als noch vor fünf Jahren. "Wir sehen, dass sich die Offenheit erhöht hat. LGBTQ+-Menschen zeigen mehr, wer sie sind. Sie verlangen öfter nach Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Weil sie das tun und sichtbarer sind, vor allem junge Leute, geht der Trend dahin, dass sie auch öfter Ziel von Gewalt und Belästigung werden", erklärt Miltos Pavlou von der Europäischen Menschenrechtsagentur. Er hat die Studie geleitet.

Restriktive Gesetzgebung, aber eine tolerantere Bevölkerung? Ungarn wehren sich gegen ein Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda" (2021)Bild: Attila Kisbenedek/AFP

Mehr Hass im Internet

"Wir sehen da einen größeren Zusammenhang. Bei Hass und Gewalt geht es nicht nur um LGBTQ+-Menschen, sondern auch um eine weite generelle Verbreitung von Hass online. Wir hoffen, dass die EU neue rechtliche Werkzeuge nutzen wird, um dagegen effizienter vorzugehen", sagt Miltos Pavlou gegenüber der DW. Die Menschenrechtsagentur erstellt keine Rangliste der europäischen Länder. "Wir zeigen nicht mit dem Finger auf die Staaten, weil es in allen Staaten Probleme gibt, wie zum Beispiel Mobbing an Schulen." Außerdem sei von Land zu Land es sehr unterschiedlich, ob Hassverbrechen und Benachteiligung überhaupt angezeigt würden.

Auch Katrin Hugendubel vom LGBTQ+-Verband ILGA weist darauf hin, dass rechtlicher Rahmen in einem Land, gesellschaftliche Wirklichkeit und soziale Akzeptanz nicht immer unbedingt deckungsgleich sind. Im rechtlich sehr restriktiven Ungarn (Rang 30) mit seiner nationalkonservativen Regierung gebe es keine Ehe für alle, aber in Umfragen sprächen sich mehr als die Hälfte der Ungarn dafür aus.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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