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Regenwald auf der Kippe?

Hannah Fuchs29. April 2015

Die WWF-Studie "Deforestation Fronts" warnt: Es steht schlecht um den Regenwald - besonders am Amazonas. Dabei geht die Entwaldung seit 2004 zurück, so der Agrarwissenschaftler Jan Börner. Aber reicht das aus?

Amazonas Regenwald Rodung (Foto: Reuters).
Bild: Reuters

Deutsche Welle: In der aktuellen WWF-Studie "Deforestation Fronts" wird gewarnt, dass bis 2030 fast die fünffache Fläche Deutschlands an Regenwald verloren gehen kann. Besonders betroffen: Der Amazonas. Nun gibt es aber auch eine Studie des ZEF (Zentrum für Entwicklungsforschung), die zeigt, dass Maßnahmen zum Schutz des brasilianischen Regenwaldes greifen und sich die Entwaldung deutlich verlangsamt. Was stimmt denn nun?

Jan Börner: Beides. Die Aussagen schließen sich ja nicht gegenseitig aus, man muss aber die Annahmen berücksichtigen. Die Informationen wurden auf unterschiedliche Art und Weise generiert.

In unserer Publikation zitieren wir die offiziellen Entwaldungsstatistiken Brasiliens, die auch als relativ zutreffend anerkannt sind. Diese beziehen sich auf die Vergangenheit.

Jan Börner hat erforscht, warum die Entwaldung in Brasilien zurückgegangen istBild: ZEF

Wir wissen, dass die Entwaldung 2004 mit etwa 27.700 Quadratkilometern pro Jahr einen Höhepunkt erreicht hat, und dass sie seitdem konstant gesunken ist. Seit 2009/2010 bewegt sie sich um die 5000 Quadratkilometer pro Jahr.

Im Gegensatz dazu haben die Kollegen vom IIASA für den WWF-Report Modelle herangezogen und Entwaldungsraten für die Zukunft vorausgesagt. Nun sind ohnehin schon 20 Prozent des Regenwaldes durch die vergangenen hohen Entwaldungsraten in Brasilien verschwunden, allein im Amazonas-Gebiet. Es ist zu erwarten, dass sich die gegenwärtig niedrigen Entwicklungsraten bis 2030 nicht weiter verringern. Und es ist auch unwahrscheinlich, dass es in den nächsten Jahren gar keine Entwaldung mehr gibt.

Was aber trotzdem auch der Fall ist - ohne den Kollegen, die diese Modelle generiert haben, auf die Füße treten zu wollen - ist, dass sie die Entwicklung der Umweltpolitik nicht mit berücksichtigen. Da hatte unsere eigene Studie gezeigt: Die Umweltpolitik hat seit 2004 in Brasilien an Bedeutung gewonnen und darf mittlerweile eigentlich nicht mehr ignoriert werden, wenn man Entwaldungsraten voraussagt.

Inventur am Amazonas - wie entstehen neue Schutzgebiete?

06:34

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Warum ist die Entwaldung zurückgegangen an einigen Orten?

Das ist ein Zusammenspiel von ganz vielen verschiedenen Faktoren. Die Finanzkrise ist zum Beispiel ein Grund. Zeitweise sank die Nachfrage nach Produkten, die von entwaldeten Flächen stammen - insbesondere Rindfleisch und Soja.

Außerdem haben die Brasilianer 2004 ein Satellitenüberwachungssystem installiert, womit sie voraussehen können, wo in der Amazonasregion in den nächsten Tagen wahrscheinlich Wald verschwinden wird. So können sie schnell vor Ort sein und das verhindern. Solch ein System besitzen die meisten anderen Länder mit Tropenwaldreserven gar nicht.

Was sind denn die wichtigsten Ursachen für die Zerstörung des Regenwaldes?

Etwa 80 Prozent der Flächen, die entwaldet werden, enden in Rinderweiden. Sehr extensive Weideflächen, auf denen oftmals nicht mal ein Tier pro Hektar steht. Außerdem gibt es eine große Debatte um die Rolle des Sojaanbaus. Der stand in Brasilien unter einem Moratorium: Es besagte, dass die Sojaindustrie nur von Bauern kauft, die nicht selbst entwalden. Das wiederum führte dazu, dass sie sich auf alten Weideflächen ausbreiteten - und die Rinderproduzenten dadurch weiter in den Wald hineingedrängt wurden. Ein sogenannter indirekter Landnutzungswandel!

Der Großteil der Entwaldung ist großflächig. Das heißt, er wird nicht von Kleinbauern verursacht. Natürlich spielen die auch eine Rolle, aber hauptsächlich geht es um Produkte, die international gehandelt werden und die in Brasilien in großem Maße konsumiert werden. Dazu zählt natürlich auch der Holzanschlag, sowohl der illegale als auch der legale.

Welche Auswirkungen hat der Verlust des Regenwaldes bereits heute?

Natürlich wird der Lebensraum von seltenen und endemischen Pflanzen und Tieren eingeschränkt, wenn die Entwaldung fortschreitet. Aktuell wird aber auch viel darüber diskutiert, welche Rolle der Regenwald bei der Regulation des regionalen Klimas in Lateinamerika spielt. Denn dort gab es in den letzten Jahren extreme Wetterprobleme, zum Beispiel in Südbrasilien: Mal war's zu viel Wasser, mal zu wenig. Das kann mit der Fähigkeit des Waldes zusammenhängen, Feuchtigkeit, die vom Atlantik kommt, in den Süden zu leiten.

Und natürlich gibt es auch viele traditionelle Bevölkerungsgruppen, deren Lebensstil durch die Entwaldung beeinflusst wird. Das führt zu starken Landkonflikten. Dabei sind sogar Menschen umgekommen. Deshalb wurde auch der Politikwandel in Brasilien eingeleitet.

Ist diese Vorhersage des WWF denn überhaupt noch aufzuhalten - oder ist das vielleicht doch etwas Schwarzmalerei?

Das ist schwer zu sagen, weil aus dem WWF-Report nicht genau hervorgeht, welche Modelle mit welchen Annahmen herangezogen wurden. Aber auch wir gehen auch davon aus, dass in Zukunft die Nachfrage nach Produkten wie Soja und Fleisch steigen wird. Dadurch erhöht sich natürlich der Druck auf den Wald. Und das könnte dann auch zur Folge haben, dass die jetzigen Maßnahmen der brasilianischen Regierung nicht mehr ausreichen.

Das interessante an der brasilianischen Entwicklung: Es ist kein Naturgesetz, dass die Entwaldung immer zunimmt. Sie kann genauso gut auch abnehmen - wenn genug politischer Wille da ist. Das stimmt mich optimistisch. Aber natürlich hat Brasilien auch andere Mittel als andere - viel ärmere - Länder mit Tropenwald. Afrika zum Beispiel, oder Südostasien.

Was kann gegen die Entwaldung getan werden?

Brasilien tut bereits eine ganze Menge. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Klärung der Landrechte: wer für welche Fläche Land verantwortlich ist. Das war in der Vergangenheit ein großes Problem für die Umweltpolitik.

In letzter Zeit wird in Brasilien das sogenannte Umweltregister vorangetrieben. Das legt den Leuten, die in der Region leben und Landbesitz haben - oder zumindest behaupten, sie hätten es - nahe, dieses Land räumlich vermessen zu lassen. Mit diesem Wissen kann man wesentlich effektiver Umweltpolitik betreiben. Von dieser Maßnahme erwarte ich bessere Kontrolle illegaler Entwaldung.

Im Moment hat der Regenwaldschutz in Brasilien leider nicht oberste Priorität. Gerade gilt es, die Inflation in den Griff zu bekommen und die Leute in Arbeit zu halten. Auch wenn das Umweltbewusstsein dort deutlich gestiegen ist in den letzten Jahren, bleibt der Umweltschutz auf der Strecke, wenn die Existenzgrundlage gefährdet ist.

Prof. Dr. Jan Börner hat Agrarwissenschaften in Berlin und Minnesota studiert und sich auf Umwelt- und Ressourcenökonomik spezialisiert. Börner war Doktorand am Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) und promovierte 2006 an der Landwirtschaftlichen Fakultät. Für die Robert Bosch Juniorprofessur kehrte er 2012 vom Center for International Forestry Research (CIFOR) in Rio de Janeiro nach Bonn zum ZEF zurück.

Das Interview führte Hannah Fuchs.

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