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Politik

Regierung nach Wahl in Island vor dem Aus

30. Oktober 2016

Island steht eine schwierige Regierungsbildung bevor. Die regierende Unabhängigkeitspartei blieb zwar bei der Wahl stärkste Kraft, ihre Koalition mit der Fortschrittspartei hat aber keine Mehrheit mehr.

Island Linksbündnis unter Führung der Piraten gewinnt Wahl Birgitta Jónsdottír
Beträchtliche Zugewinne: Die Chefin der Piraten-Partei, Birgitta JónsdottírBild: picture alliance/AP Photo/ltomlinson

Auch das rivalisierende Linksbündnis kommt nach Auszählung aller Stimmen bei der Parlamentswahl in Island nicht auf die 32 Sitze, die für eine Mehrheit im Parlament nötig sind. Das Parlament umfasst 63 Sitze. Das liegt vor allem am schlechten Abschneiden der Sozialdemokraten. Sowohl die Links-Grünen als auch die Piratenpartei erreichten deutliche Zugewinne. Sie wurden damit zweit- beziehungsweise drittstärkste Partei hinter der konservativen Unabhängigkeitspartei, die laut vorläufigem Ergebnis 29 Prozent erhielt.

Die 2012 nach schwedischem Vorbild gegründete Piratenpartei ist auf 14,5 Prozent der Stimmen gekommen. Vor drei Jahren hatte sie 5,1 Prozent erreicht. Die Links-Grünen liegen diesmal bei 15,9 Prozent. Ein Vierer-Bündnis aus Piraten, Links-Grünen, Sozialdemokraten und der Partei Bright Future (Glänzende Zukunft) schafft es damit nicht ins isländische Parlament - trotz der Zuwächse. Wer künftig in dem Inselstaat im Nordatlantik regiert, war deshalb am Tag nach der Wahl unklar. Rund 246.500 Bürger des Inselstaats am Polarkreis waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Oppositionelles Vierer-Bündnis erreicht keine Mehrheit

Auf Initiative der Piraten hatten die vier Oppositionsfraktionen im Parlament eine Zusammenarbeit für den Fall vereinbart, dass sie gemeinsam eine Mehrheit erreichen. Die Piraten hatten sich zuletzt bereiterklärt, den Regierungschef zu stellen, falls sie stärkste Partei in dem Bündnis werden sollten. Ob die bisherige Piraten-Abgeordnete und Partei-Mitgründerin Birgitta Jónsdottír (Artikelbild) das Amt in diesem Fall übernehmen würde, wollte sie zunächst nicht sagen.

Der neuen Reform-Partei "Vidreisn", die es als siebte Partei ins Parlament schaffte (10,5 Prozent, 7 Sitze), kommt wohl eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen in den nächsten Tagen zu. Sie besteht zu einem großen Teil aus Ex-Konservativen, die eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt Islands befürworten und sich deshalb mit ihrer Partei überworfen hatten. "Vidreisn"-Chef Benedikt Jóhannesson sagte, er gehe davon aus, dass seine Partei zuerst das Mandat für eine Regierungsbildung von Präsident Gudni Jóhannesson bekommen werde. Die Wahlbeteiligung war mit 79,2 Prozent historisch gering (2013: 81,4 Prozent) - und das spielte wohl den Konservativen in die Karten, deren Wähler älter und treuer sind als die der jüngeren Parteien.

Wahl wegen "Panama Papers"-Skandal vorgezogen

Die Parlamentswahl in Island war in Folge des Skandals um die "Panama Papers" vorgezogen worden. Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson war im April wegen der Enthüllungen zurückgetreten. Sein Name war im Zusammenhang mit Finanzgeschäften von Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln aufgetaucht. Anfang April hatten zahlreiche Medien über gut 200.000 von der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca gegründete Briefkastenfirmen berichtet, in denen Politiker, Prominente und Sportler ihr Vermögen geparkt haben sollen. Die Veröffentlichung führte zu Ermittlungen auf der ganzen Welt und einer internationalen Debatte über Steueroasen und Geldwäsche. Mit massiven Protesten setzten Islands Bürger auch vorgezogene Neuwahlen durch.

Wegen der "Panama Papers" vorgezogen: die Parlamentswahlen in IslandBild: picture alliance/AP Photo/F. Augstein

Die Zeitung "Morgunbladid" erinnerte kurz vor der Wahl daran, dass es bisher noch keine Koalition aus mehr als zwei Parteien bis zum Ende ihrer Mandatszeit gebracht hat. Island mit seinen 332.000 Einwohnern hat sich von der schweren Wirtschaftskrise und dem Zusammenbruch der Banken im Jahr 2008 gut erholt, für dieses Jahr wird mit einem Wachstum von vier Prozent gerechnet. Dennoch haben vor allem die jungen Isländer nach Angaben von politischen Experten kein Vertrauen mehr in ihr "Establishment".

Der Wahlkampf hatte sich unter anderem um das unterfinanzierte Gesundheitswesen und Fischereiquoten gedreht. Auch die EU war ein Thema gewesen: Mehrere Parteien, darunter die Piraten, fordern eine Abstimmung darüber, ob die nach der vergangenen Wahl abgebrochenen Gespräche mit der EU wieder aufgenommen werden sollten.

mas/vk/kle/ml/as (afp, dpa, rtre, ape)

 

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