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Regierung will Infrastruktur Beine machen

12. August 2020

Komplizierte Genehmigungsverfahren haben bisher so manches öffentliche Bauprojekt ausgebremst. Das soll sich nach dem Willen vor allem von Verkehrsminister Scheuer schnellstens ändern. Doch es gibt auch Kritik.

Bundesverkehrsminister Scheuer Anfang Juli bei der Eröffnung einer Wasserstoff-Produktionsanlage in Schleswig-Holstein (Foto: picture-alliance/dpa/C. Rehder)
Verkehrsminister Scheuer (r.) Anfang Juli bei der Eröffnung einer Wasserstoff-Produktionsanlage in Schleswig-Holstein Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Bauprojekte wie neue Bahnsteige, Mobilfunkmasten oder Windräder sollen künftig deutlich schneller in Gang kommen. Das sehen Gesetzespläne von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer vor, die das Kabinett auf den Weg gebracht hat. "Wir beschleunigen Genehmigungen, verkürzen Gerichtsverfahren, sorgen für schnelleres Baurecht, entschlacken die Verfahren", sagte der CSU-Politiker. Dafür sollen unter anderem auch Umweltprüfungen erleichtert werden. Die Industrie reagierte enttäuscht, aus der Opposition kam Kritik.

"Für eine starke Wirtschaft und klimafreundliche Mobilität"

Scheuer sagte: "Wir wollen schneller bauen - für eine starke Wirtschaft und klimafreundliche Mobilität." Für bestimmte Vorhaben im Schienennetz soll daher künftig keine Baugenehmigung durch ein eigenes Planfeststellungsverfahren mehr nötig sein. Dazu gehören elektrische Oberleitungen auf bestehenden Strecken, digitale Signal- und Sicherungstechnik, Schallschutzwände oder Umbauten an Bahnsteigen - zum Beispiel, wenn sie erhöht, verlängert oder auch für Menschen mit Behinderungen nutzbar gemacht werden sollen.

Windkrafträder in der Nähe von Bedburg in Nordrhein-Westfalen Bild: picture-alliance/Horst Ossinger

Beim Bau von Landesstraßen, Hafenprojekten oder Windrädern sollen direkt Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe für die Klärung von Streitigkeiten zuständig sein - damit wird eine Instanz gespart. Zudem sollen Richter flexibler eingesetzt und Kompetenzen gebündelt werden können. Überregional wichtige Vorhaben, etwa aus dem Bundesverkehrswegeplan oder dem Mobilfunkausbau, sollen nach der behördlichen Genehmigung sofort gebaut werden können, ohne dass Widersprüche oder Klagen einen Baustart aufhalten.

"Investitionsbeschleunigungsgesetz"

Im Genehmigungsprozess soll häufiger auf die erste Stufe verzichtet werden können, in der überregionale Auswirkungen eines Projektes geprüft werden. Ein solches Raumordnungsverfahren soll nicht mehr nötig sein, wenn keine Konflikte zu erwarten sind. Dieses Verfahren soll auch durch Online-Veröffentlichungen stärker digitalisiert werden, wie das Ministerium erläuterte. Künftig soll demnach öfter direkt das Planfeststellungsverfahren zum Erteilen von Baurecht beginnen.

Ein solches "Investitionsbeschleunigungsgesetz" hatten die Spitzen der großen Koalition im März grundsätzlich angestoßen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "wichtigen Zukunftssignal für Deutschland als Investitionsstandort" und einem "guten Signal für die Energiewende". Das Umweltministerium hob hervor, dass Lockerungen nicht beliebig vorgesehen seien, sondern gerade bei Investitionen in die klimafreundliche Schiene.

Die ICE-Strecke Hannover-Würzberg in Höhe von Kirchheim in Hessen Bild: picture-alliance/imagebroker/FB Rose

Die Bundesregierung hat für Sanierung und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen für die nächsten Jahre Rekordsummen bereitbestellt. Die Umsetzung scheiterte in der Vergangenheit weniger an fehlendem Geld als an langwierigen und komplizierten Genehmigungsverfahren.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte allerdings, die Koalition bleibe weit hinter ihren Ankündigungen zurück. Zentrale Forderungen der Wirtschaft, etwa ein konsequenteres Vorgehen gegen missbräuchliche Klagen und jahrelange Gerichtsverfahren, würden nicht umgesetzt. "Jede verschleppte Brückensanierung, jede marode Schleuse und jede verzögerte Schienenstrecke schaden dem Industriestandort und damit dem Wohlstand Deutschlands."

Beschleunigung bei Bahnstrecken und Windenergie

Der Nationale Normenkontrollrat, der die Bundesregierung berät, bemängelte fehlende Angaben dazu, wie viel Zeit beim Planen und Bauen eigentlich eingespart werden soll. Umweltschützer begrüßten, dass wichtige Beschleunigungsmaßnahmen auf Bahnstrecken und Windenergie beschränkt wurden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beklagte aber auch, die Koalition habe sich die Umweltverbände als Sündenböcke für lange Planungszeiten auserkoren und versäume es, für eine frühere Bürgerbeteiligung zu sorgen. Fehler könnten dann nur vor Gericht geheilt werden.

Der Nord-Ostsee-Kanal in Höhe der Levensauer Hochbrücke Bild: picture-alliance/dpa/A. Klohn

Auch SPD-Fraktionsvize Sören Bartol mahnte, es brauche "frühzeitig eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe", um Klagen zu vermeiden. Zudem müsse Personal in der Planungsämtern aufgebaut werden. Das Gesetz lobte er aber als wichtigen Schritt, Investitionen schneller voranzubringen. Aus der Opposition kam dagegen Kritik. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sprach von einem "mutlosen Minimalkompromiss", den das Umweltministerium verwässert habe. Dagegen mahnte der Linke-Politiker Lorenz Gösta Beutin, mehr Infrastruktur dürfe nicht auf Kosten von Bürgerbeteiligung und Umweltschutz gehen.

Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals

Bereits Anfang des Jahres hatte der Bundestag ein Gesetzespaket beschlossen, mit dem 14 ausgewählte Schienen- und Wasserstraßen-Projekte beschleunigt wurden. Dazu gehörte die Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals. Auch Neubauten, die bestehende Konstruktionen ersetzen sollen, müssen kein komplett neues Genehmigungsverfahren mehr durchlaufen. Damit können unter anderem Bahnübergänge leichter beseitigt werden, die Züge wie Autos ausbremsen. Auch bei Ersatzbauten für marode Straßen und Schienenstrecken gelten einfachere Verfahren. Zudem kann der Bundestag ausgewählte umweltfreundliche Schienen- und Wasserstraßenprojekte direkt per Gesetz genehmigen.

sti/kle (afp. dpa, rtr)