Regierungserklärung: Merz setzt Fokus auf die Außenpolitik
14. Mai 2025
Um 13:20 Uhr an diesem Mittwoch tritt Friedrich Merz, seit ziemlich genau einer Woche der zehnte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, ans Rednerpult im Parlament. Der Bundestag ist rappelvoll, viel mehr Kameras als sonst sind auf den 69 Jahre alten Regierungschef gerichtet. Und er versucht dann, Zuversicht in einem verunsichertem Land zu wecken. Oder, wie Merz das ausdrückt: "Zusammenhalt zu stiften, wo er uns abhanden zu kommen droht."
Merz macht schnell klar, was ihn gerade umtreibt, wo seine frische Regierung aktuell Akzente setzen will: in der Außenpolitik. Zusammen mit den europäischen Partnern will die neue Koalition von Konservativen und Sozialdemokraten der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland noch stärker als bisher zu Seite stehen.
Auch aus Eigeninteresse, so der Kanzler: "Dieser fürchterliche Krieg und sein Ausgang entscheiden nicht nur über das Schicksal der Ukraine. Der Ausgang dieses Krieges entscheidet darüber, ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa und der Welt. Oder Tyrannei, militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren."
Merz setzt trotz aller Probleme auf Gespräche mit Trump
Das bedeute, so Merz: Der Ukraine dürfe kein Diktatfrieden aufgezwungen werden, keine Unterwerfung unter Fakten, die vorher durch Militärgewalt geschaffen worden seien. Das Problem, das weiß auch der CDU-Politiker: Europa kann kaum handeln, wenn die Politik des US-amerikanischen Präsidenten Trump so unberechenbar bleibt wie zuletzt.
Erst einigten sich wichtige europäische Staaten vor einigen Tagen mit Trump darauf, dass eine Waffenruhe Bedingung für Friedensgespräche mit Russlands Präsidenten Putin sein müsse, dann kassierte Trump diese Bedingung wieder. Merz setzt trotzdem weiter auf den Dialog mit dem extrem schwierigen Partner, von dem niemand in Deutschland zur Zeit weiß, ob er überhaupt noch Partner ist.
Dann erwähnt Merz Israel und den Krieg in Gaza, betont dabei, dass die "Staatsräson" weiter gelte und Deutschland zu Israel halte, und räumt schließlich der Rolle Chinas viel Raum ein: "Wir sehen, dass es in Chinas außenpolitischem Handeln systemische Rivalitäten gibt. Die wachsende Nähe zwischen Peking und Moskau betrachten wir mit aller größter Sorge."
Klar wird: Wenn wie jetzt erstmals seit vielen Jahren das Kanzleramt und das Außenamt von derselben Partei geführt werden, von Merz als Kanzler und seinem CDU-Parteifreund Johann Wadephul als Außenminister, dann kommen die Ansagen wohl aus dem Kanzleramt, von Merz also.
Ein überraschendes Lob für den Alt-Kanzler
Vor einer Woche war die neue Koalition mit erheblichen Schwierigkeiten gestartet: Merz war bei der Wahl zum Regierungschef im ersten Wahlgang durchgefallen, 18 Abgeordnete von CDU, CSU und SPD stimmten gegen ihn. Ein Novum in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Im zweiten Wahlgang wählte ihn der Bundestag dann doch, aber seitdem ist Merz klarer als zuvor, wie brüchig seine Koalition ist. Auch deshalb findet er überraschend warme Worte für seinen Vorgänger Olaf Scholz von der SPD.
Überraschend, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass beide, Merz und Scholz, persönlich wenig verbindet. Jetzt sagt der neue Kanzler: "Sie, Herr Kollege Scholz, und Ihre Regierung haben Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt. Ihre Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war wegweisend und sie war historisch! " Scholz hatte unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Frühjahr 2022 mit der sogenannten "Zeitenwende" 100 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen, um die Bundeswehr aufzurüsten.
Ein Wort an die junge Generation in Deutschland
Beim Thema Wirtschaft, bei den Fragen der bröckelnden Infrastruktur und der lähmenden Bürokratie in Deutschland, spricht Merz dann vor allem über eine starke Verunsicherung gerade junger Leute: "Ich gehöre einer Generation an, für die es eigentlich immer vorwärts und aufwärts ging. Doch viele Menschen in Deutschland, gerade auch viele jüngere, zweifeln mittlerweile daran, ob dieses Versprechen noch gilt und ob wir es überhaupt noch einlösen können."
Seine Regierung will vor allem die Regelungswut der Behörden beschränken und schnell die Stromsteuern senken. Möglichst noch bis zum Sommer. Das wollten allerdings so schon andere Regierungen, das weiß auch der neue Kanzler.
"Migration hat das Land zuletzt überfordert"
Innenpolitisch nimmt dann die Migration breiten Raum in der gut 45 Minuten dauernden Rede ein: Im Wahlkampf hatte Merz versprochen, die illegale Zuwanderung konsequent zu begrenzen. Asylsuchende sollen an den Grenzen zurückgewiesen, die Kontrollen verstärkt werden. Hier geht Merz mit seinen Vorgänger-Regierungen hart ins Gericht: "Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu viel gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht." Aber ein Einwanderungsland bleibe die Bundesrepublik, so Merz.
Und dann schließt Merz mit einem Satz, der fast an seine ungeliebte Vor-Vorgängerin Angela Merkel und ihren Satz "Wir schaffen das!" erinnert. Den hatte sie während der Ankunft hunderttausender Geflüchteter in den Jahren 2015 und 2016 geprägt. Jetzt sagt Merz: "Wir können alle Herausforderungen, ganz gleich wie groß sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen."
Weidel: "Sie sind der Kanzler der zweiten Wahl!"
Aber mit der Gemeinsamkeit ist es in diesen polarisierenden Zeiten eben nicht weit her, nicht im Land, nicht im Parlament. Genüsslich erinnert die Vorsitzende der in Teilen rechtsextremen "Alternative für Deutschland"(AfD), Alice Weidel, den neuen Kanzler in ihrer Rede noch einmal daran, wie holprig er vor einer Woche ins Amt kam: "Schwäche und Instabilität sind die Signale, die von Ihrem historischen Fehlstart ausgehen. Sie sind der Kanzler der zweiten Wahl!"
Seit der Bundestagswahl ist die AfD stärkste Oppositionspartei im Bundestag. Und sie wird Merz das Leben schwer machen, so viel steht fest.