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Regierungskrise in Griechenland

Jannis Papadimitriou 24. Juni 2013

Wegen der Krise um den griechischen Staatssender ERT verlässt die gemäßigte Linkspartei DIMAR die Koalitionsregierung in Athen. Die Regierungsmehrheit von Premier Samaras schrumpft gefährlich.

Statuen vor dem Parlament in Athen (Foto: AP)
Bild: dapd

Immerhin können die übrig gebliebenen Koalitionspartner weiterregieren: die von Antonis Samaras angeführte konservative Partei Nea Dimokratia und die sozialistische PASOK unter der Führung des ehemaligen Finanzministers Evangelos Venizelos. Gemeinsam verfügen die ehemaligen Gegner über 153 der 300 Mandate im Parlament. 

Die Entscheidung über den Austritt der Demokratischen Linken (DIMAR) aus der Koalition war selbst innerhalb der Partei heftig umstritten. Noch wenige Stunden bevor Parteichef Fotis Kouvelis den Gang in die Opposition verkündete, plädierte sein Fraktionssprecher Vassilis Ekonomou öffentlich für den Verbleib in der Drei-Parteien-Koalition.

"Seit dem vergangenen Sommer unternehmen wir den ernsthaften Versuch, unser Land wieder auf die Beine zu bringen und wir müssen diese Aufgabe fortsetzen und zu Ende führen", mahnte Ekonomou im griechischen Fernsehen. Nach drei aufeinanderfolgenden Krisensitzungen über den geschlossenen Staatssender ERT seien die Koalitionsspitzen doch zu einem plausiblen Kompromiss gekommen und dieses Verhandlungsergebnis gelte es zu respektieren, erklärte Ekonomou.

Gemeint war ein angeblicher Kompromissvorschlag von Premier Samaras in letzter Minute, der seine verärgerten Koalitionspartner freundlich stimmen sollte: Nach griechischen Medienberichten erklärte sich der konservative Premier, wenn auch widerwillig, dazu bereit, den zuvor abgeschalteten staatlichen Rundfunksender ERT wieder in Betrieb zu nehmen, allerdings mit rund 20 Prozent weniger Personal.

Fotis Kouvelis von der Demokratischen LinkenBild: Reuters

Eine Frage der Demokratie, nicht der Sparpolitik

Dadurch ließ sich Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos milde stimmen und auch DIMAR-Chef Kouvelis hatte das scheinbare Rückzugsmanöver von Samaras nicht sofort abgelehnt. Doch die Mehrheit der Linksabgeordneten blieb am Freitag (21.06.2013) bei ihrer anlehnenden Haltung. Nach ihrer Auffassung ist die Krise um den Staatsrundfunk nicht nur eine Frage der Sparpolitik, sondern vor allem eine Frage der Demokratie. Das bestätigte auch Fraktionssprecher Ekonomou.

"Der Umgang mit dem Staatsfernsehen ist zwar kein Grund für vorgezogene Wahlen, aber durchaus ein ernstes Thema für uns, denn er strahlt eine Signalwirkung für weitere Reformansätze im öffentlichen Dienst aus", erklärte Ekonomou im griechischen Fernsehen. Für seine Partei stehe fest, dass eine Reform nicht per Erlass, sondern unter Beachtung demokratischer Grundprinzipien durchgeführt werden müsse und das sei leider nicht geschehen im Fall von ERT.

2600 ERT-Angestellte verloren ihre Arbeit, als Premier Samaras am 11. Juni den Staatsrundfunk per Regierungserlass schließen ließ. Seine Begründung: Die Staatsmedien seien ein Ort der Intransparenz und Verschwendung. Die Athener Journalistengewerkschaft reagierte mit Streiks, der linke Oppositionschef Alexis Tsipras fuhr gleich schweres Geschütz auf: Nicht einmal die griechische Obristenjunta in den 1960er Jahren oder die Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg hätten es gewagt, die öffentlichen Medien per Knopfdruck einfach abzuschalten: Nur Samaras sei das gelungen, polterte Tsipras auf einer Kundgebung im nordgriechischen Kavala.

Gerüchte um Neuwahlen

In allen Umfragen liefern sich Samaras und Tsipras ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Abschaltung des Staatsrundfunks würde der Linksopposition Sympathien einbringen und die bis heute an der Regierung beteiligte DIMAR-Linkspartei in einem schlechten Licht erscheinen lassen, glaubt der Athener Polit-Analyst Tassos Papas.  

Proteste nach der Schließung des staatlichen SendersBild: picture-alliance/AP

"Was die Demokratische Linke wollte, und das gelang ihr auch, war, dass sie die Regierung verlässt, ohne sie zu Fall zu bringen", meint Papas im Athener TV-Sender SKAI. Sonst hätten sich die gemäßigten Linken vorwerfen lassen müssen, die gemeinsame Regierung zu blockieren um Neuwahlen zu erzwingen.  

In der Tat wurde in der griechischen Presse tagelang über einen Bruch der Koalition und vorgezogene Neuwahlen spekuliert. Selbst die EU-Kommission sah sich gezwungen, an das "Verantwortungsbewusstsein der politischen Verantwortlichen für das Wohl Griechenlands und Europas" zu appellieren.

Neuwahlen seien zwar im Moment kein Thema mehr, "aber durchaus möglich im Herbst", meint Tassos Papas. Die Demokratische Linke sei ohnehin das schwache Glied dieser Regierung gewesen und hätte kaum noch Begeisterung für das gemeinsame Regieren gezeigt. Papas erinnert daran, dass die Linksabgeordneten gegen die Arbeitsmarktreform gestimmt, auf ihr eigenes Anti-Rassismus-Gesetz gepocht und nicht zuletzt aus der Auseinandersetzung um das Staatsfernsehen ein Politikum gemacht hätten.

Die beiden übrig gebliebenen Koalitionspartner wollen bis kommenden Dienstag eine neue Regierung bilden, berichten griechische Medien. Es gilt als sicher, dass auch politische Schwergewichte der Sozialisten an der neuen Regierung teilnehmen werden, was PASOK-Chef Venizelos vor einem Jahr noch strikt abgelehnt hatte.

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