Klarer Sieg für Regierungspartei in Singapur
11. Juli 2020Bei der Abstimmung am Freitag sicherte sich die People's Action Party (PAP) von Ministerpräsident Lee Hsien Loong 83 von 93 Sitzen im Parlament. Sie kam auf 61 Prozent der Stimmen, vor fünf Jahren waren es noch 70. Mehrere bekannte Anführer der PAP, darunter zwei frühere Minister, verloren ihre Parlamentssitze. Die oppositionelle Arbeiterpartei erhielt zehn Sitze - vier mehr als bei den letzten Wahlen. Für sie ist es das beste Ergebnis seit der Unabhängigkeit des Staates.
Die PAP hat damit alle 13 Parlamentswahlen in Singapur seit der Gründung des Staates im Jahr 1965 gewonnen. Nach den kommunistischen Regierungsparteien in China und Nordkorea gehört sie weltweit zu den Parteien, die am längsten an der Macht sind.
Der Premierminister sagte vor Journalisten: "Das Mandat ist nicht so stark wie erhofft, aber es ist ein gutes Mandat." Mit Blick auf die Corona-Pandemie fügte er hinzu, die Ergebnisse der Wahl würden "den Schmerz und die Ungewissheit widerspiegeln, die die Singapurer inmitten der Krise empfinden". Lee erkannte an, dass viele Bürger, vor allem die jüngere Generation, im Parlament mehr oppositionellen Stimmen wollten. Er kündigte an, dass der Vorsitzende der Arbeiterpartei, Pritam Singh, den offiziellen Titel "Oppositionsführer" erhalten werde. Das ist ein beispielloser Schritt in dem Stadtstaat.
Vorgezogene Abstimmung
Die Regierung hatte die Wahlen um fast ein Jahr vorgezogen. Während des neuntägigen Wahlkampfs waren Kundgebungen im Freien aufgrund von Pandemieängsten verboten, daher wurde er größtenteils im Internet ausgetragen. Mit über 45.000 bestätigten Fällen ist Singapur schwer vom Coronavirus betroffen. Während die Opposition die vorgezogenen Wahlen als "unverantwortlich" kritisiert hatte, argumentierte die PAP, der Schritt sei wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Pandemie notwendig gewesen. Die Corona-Krise hat Singapurs Wirtschaft stark getroffen. Die Behörden befürchten die stärkste Rezession seit der Unabhängigkeit im Jahre 1965.
Auf Kritik stieß auch die kurzfristige Entscheidung der Wahlkommission, die Wahllokale in dem südostasiatischen Stadtstaat zwei Stunden länger als zuvor geplant bis 22 Uhr geöffnet zu halten. Dies sei erforderlich gewesen, weil Distanzierungs- und Hygienemaßnahmen zu Verzögerungen bei der Abstimmung geführt hätten.
Strenge Hygienemaßnahmen
Lee räumte nach seiner Stimmabgabe anfängliche "Kinderkrankheiten" bei der Organisation der Wahl ein. "Jetzt läuft aber alles reibungslos", sagte der 68-Jährige vor Reportern. Insgesamt waren 2,65 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimmzettel abzugeben. Wegen des Coronavirus mussten die Singapurer Masken und Handschuhe tragen sowie auf Abstandsregeln achten. Vor einigen Wahllokalen bildeten sich lange Warteschlangen.
Der Rückschlag beim Wahlergebnis wirft auch Fragezeichen auf Lees Überlegungen zu einem geordneten Rückzug von der Macht. Bisher plante er, sich in zwei Jahren vom Amt des Regierungschefs zurückzuziehen. Dann wäre er 70 Jahre alt. Als designierter Nachfolger gilt Finanzminister Heng Swee Keat. Dieser gewann sein neues Mandat allerdings nur mit einer schmalen Mehrheit.
Streit zwischen Brüdern
Ein Lichtblick für die Opposition war die Entscheidung von Lee Hsien Yang, des Bruders des Premierministers, die Progress Singapore Party zu unterstützen. Sie gewann dennoch keinen Sitz im Parlament. Zwischen den Brüdern schwelt eine lange Fehde um das politische Erbe ihres Vaters, Singapurs Gründungsvater Lee Kuan Yew. Dieser wurde nach der Unabhängigkeit Singapurs von der Kolonialmacht Großbritannien erster Premierminister und baute den Stadtstaat in seiner 31-jährigen Amtszeit zu einer der wohlhabendsten Länder der Welt aus. Singapur steht aber auch in der Kritik wegen seines strikten Herrschaftssystems, der Medienzensur und der Nutzung von Gesetzen und Gerichtsverfahren gegen Regierungsgegner.
Singapur hatte zunächst international Anerkennung bekommen für sein erfolgreiches Vorgehen gegen das Coronavirus mit konsequenter Fallverfolgung und einem strengen Testsystem. Dann aber infizierten sich zahlreiche Wanderarbeiter, die schlecht bezahlt werden und unter beengten Bedingungen leben müssen. Die meisten registrierten Corona-Infektionen in Singapur kommen aus dieser Gruppe. Zuletzt gingen die Infektionszahlen zwar zurück, der Regierung wird aber vorgeworfen, nicht genug für diese Menschen zu tun.
kle/AR (dpa, ape, afp)