Regierungsumbildung in Polen: Tusk kämpft gegen Machtverlust
23. Juli 2025
Polens Regierungschef Donald Tusk sparte bei der Vorstellung seines neuen Kabinetts am Mittwoch nicht mit pathetischen Formulierungen. "Unsere Devise lautet: Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben", zitierte der liberalkonservative Politiker aus der polnischen Nationalhymne und bezeichnete seine Regierung als "Eliteeinheit" für Sonderaufgaben in der "Vorkriegszeit". Tusk führt seit Dezember 2023 eine proeuropäische Mitte-Links-Koalition an - und steckt neuerdings in Schwierigkeiten.
Die Niederlage seines Kandidaten Rafal Trzaskowski bei der Präsidentenwahl vor knapp zwei Monaten hat die Koalitionsregierung in eine tiefe Krise gestürzt. Denn der Sieg des rechtskonservativen Historikers Karol Nawrocki, der von der rechtsnationalistischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt wurde, bedeutet eine Fortsetzung der Blockadepolitik, die der ausscheidende Präsident Andrzej Duda in den vergangenen anderthalb Jahren konsequent gegen Tusks Regierung betrieben hat.
Seit Tusks Amtsantritt als Premier setzt das rechtskonservative Staatsoberhaupt regelmäßig sein Veto gegen die Gesetze der Regierung ein oder leitet sie an das weiter durch die PiS kontrollierte Verfassungstribunal weiter. Nach der Wahlniederlage, die er als "politisches Erdbeben" bezeichnete, solle die Koalition wieder "anpacken", sagte nun Tusk bei der Vorstellung der neuen Minister. "Schluss mit der Meckerei", rief der Premier und mahnte: "Es gibt Momente, wenn man sich zusammennehmen muss."
Aufstieg des Außenministers
Als wichtigste Änderung wird von politischen Beobachtern die Aufwertung von Außenminister Radoslaw Sikorski genannt. Er soll zum stellvertretenden Regierungschef aufsteigen und die EU-Angelegenheiten, für die bisher Tusks Kanzlei zuständig war, in sein Ressort eingliedern. Der 62-Jährige gehört zu den wenigen Ministern im Kabinett, die entschlossen für gute Beziehungen zu Deutschland eintreten und die Deutschland-Phobie der Rechtskonservativen offen anprangern.
"Mag sein, dass Tusk auf diese Weise seinen Nachfolger aufbaut", kommentierte beim Fernsehsender TVN Piotr Smialowicz von der Wochenzeitung Tygodnik Powszechny. Der bisherige Finanzminister Andrzej Domanski wird künftig ein Superressort aus Finanzen und Wirtschaft leiten. Gestärkt wurde auch das Energieministerium.
Justizminister muss gehen
Der angesehene ehemalige Ombudsmann Adam Bodnar, der das Justizministerium bisher leitete, muss gehen. Er wurde durch den Richter Waldemar Zurek ersetzt. Tusk nannte diese Personalie "symbolisch". Zurek gehörte zu den erbittertsten Kritikern des Justizumbaus, den die PiS seit der Machtübernahme 2015 umsetzte. Der rebellische Richter hatte zur Zeit der PiS-Regierung 20 Disziplinarverfahren und wurde Opfer von Hetzkampagnen im Internet seitens PiS-naher Richter.
Im Vorfeld der Regierungsumbildung war Tusk vorgeworfen worden, dass die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und die Abrechnung mit PiS-Politikern, die Recht gebrochen haben, zu langsam vonstatten gehen. Insgesamt wurde die Zahl der Minister von 26 auf 21 reduziert.
"Tusk geht aus der Kabinettsumbildung gestärkt hervor. Das ist ohne Zweifel sein momentaner Erfolg", urteilt Boguslaw Chrabota in der Zeitung Rzeczpospolita. Tusk habe nun 12 Monate Zeit, um das Image der Koalition aufzupolieren. "Wenn dieses Vorhaben scheitert, entsteht im Sommer kommenden Jahres eine neue Regierung mit einem neuen Premier", prophezeit der Journalist. Auch er sieht auf diesem Posten Sikorski oder Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz.
Der rechtskonservative Präsident will Tusk stürzen
Chrabota schätzt Tusks Chancen auf 50 zu 50. Der liberalkonservative Politiker hatte im Dezember 2023 die Macht mit dem Versprechen übernommen, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, das Abtreibungsrecht zu reliberalisieren, die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Gemeinschaft zu stärken und korrupte PiS-Politiker zu bestrafen. Die meisten Pläne wurden wegen der Blockadepolitik des rechtsnationalen Präsidenten Andrzej Duda nicht oder nur teilweise umgesetzt.
Mit Karol Nawrocki, der am 6. August sein Amt antritt, bekommt Tusk einen noch gefährlicheren Gegner. Der kommende Präsident macht kein Hehl aus seinem Ziel, Tusks Regierung, die er für die schlechteste seit der demokratischen Wende von 1989 hält, zusammen mit der Opposition zu Fall zu bringen. Bereits jetzt baut er das Präsidentenamt zum alternativen Machtzentrum aus. Das polnische Staatsoberhaupt ist Oberbefehlshaber der Armee und hat bestimmte Kompetenzen in der Außenpolitik. Der Präsident kann auch eigene Gesetzentwürfe einbringen.
Umfragetief und gebundene Hände in der Außenpolitik
In den Umfragen liegt die PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski derzeit vor Tusks Koalition. Mit der ultrarechten Partei Konfederacja kann PiS derzeit mit einer Mehrheit im Parlament rechnen.
In der aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts CBOS bewerten 48 Prozent der Befragten Tusks Regierung negativ; nur 32 Prozent sind mit der Arbeit des Premiers und seiner Minister zufrieden. 54 Prozent der Polen sprechen Tusk die Wirksamkeit als Regierungschef ab, nur 37 Prozent halten ihn für wirksam.
"Falls diese Tendenz nicht gestoppt wird, wird Tusk die Parlamentswahl 2027 verlieren", sagt der Politologe Mateusz Zaremba von der Hochschule USPWS.
Die Krise in der Innenpolitik beeinträchtigt auch den außenpolitischen Spielraum des Premiers. Der einstige Hoffnungsträger, dessen Sieg vor anderthalb Jahren von den europäischen Medien und Politikern gefeiert wurde, agiert immer häufiger extrem vorsichtig aus Rücksicht auf die rechtskonservative und nationalistische Opposition. "Tusk fällt aus dem Direktorium Europas heraus", schrieb Jedrzej Bielecki Anfang dieser Woche in der Rzeczpospolita. Der Publizist verweist auf die immer engeren Kontakte zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien, bei denen Polen immer weniger eingebunden wird.
Am Donnerstag (24.07.2024) sollen Donald Tusks neue Minister ihre Ernennungsurkunden von Präsident Duda bekommen. Am Freitag ist dann die erste Sitzung des neuen Kabinetts geplant.