Deutschland: Was erwartet die neue Bundesregierung?
Veröffentlicht 5. Mai 2025Zuletzt aktualisiert 6. Mai 2025
Was haben die bisherige Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP und das neue Bündnis aus CDU, CSU und SPD gemeinsam? Wenn man davon absieht, dass beide Regierungen von der Bundestagswahl bis zum Amtsantritt rund zehn Wochen brauchten, nicht viel. Das würden an dieser Stelle jedenfalls die konservativen Schwesterparteien CDU/CSU antworten.
"Der Richtungswechsel, den viele von der Bevölkerung sich wünschen, der ist auf dem Papier schon festgelegt", sagte CSU-Chef Markus Söder bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. "Stärkung der Wirtschaft, Begrenzung der illegalen Migration, Deutschland wieder in Ordnung bringen und wieder neuen Schwung geben." Das müsse jetzt "mit Volldampf" umgesetzt werden.
SPD: Von der Kanzlerpartei zum Juniorpartner
Bei der SPD ist allerdings wenig Drang zu verspüren, alles grundlegend zu ändern, was sie in den vergangenen dreieinhalb Jahren als Kanzlerpartei zu verantworten hatte. Vor allem in der Sozialpolitik stemmen sich die Sozialdemokraten gegen allzu drastische Einschnitte.
Bundeskanzler ist nun CDU-Chef Friedrich Merz, das Kanzleramt ist somit nun wieder in der Hand der Christdemokraten. SPD-Chef Lars Klingbeil ist Bundesfinanzminister und Vizekanzler. Insgesamt gibt es 17 Ministerien, eins mehr als bisher. Je sieben führen CDU und SPD, drei die CSU. Auffällig: Die CDU schickt überwiegend Juristen ins Rennen, die SPD weitaus mehr Frauen als Männer.
Größter Gegner: Die rechtsextreme AfD
Union und SPD, das ist ein Zweckbündnis - geboren aus dem Wahlergebnis, das keine andere Mehrheit ohne eine Beteiligung der rechtsextremen AfD zuließ. Während der Koalitionsverhandlungen sei man sich aber nähergekommen, betonte Friedrich Merz bei der Vertragsunterzeichnung. "Es war mit der Zeit eine immer engere, eine immer kollegialere und auch eine immer vertrauensvolle Zusammenarbeit, die wir gefunden haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt, unser Land kraftvoll, planvoll und vertrauensvoll zu regieren."
Union und SPD sehen sich in der Verantwortung, ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern. Dabei gehe es vor allem um Themen, die die AfD "groß gemacht" hätten, da gebe es "eine Aufgabe zu erledigen", sagte der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) noch vor seinem Amtsantritt in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Die AfD müsse "wegregiert" werden.
Mehr Grenzkontrollen und Zurückweisungen
Die Union setzt dabei vor allem auf eine Verschärfung der Migrationspolitik. Vom 7. Mai an sind an allen deutschen Grenzen strengere Kontrollen und Zurückweisungen von Menschen, die keine gültigen Papiere haben, vorgesehen.
"Es ist Aufgabe der Polizei, dafür zu sorgen, dass es zu keinen illegalen Übertritten nach Deutschland kommt, und das ist das, was eben noch stärker als bisher jetzt in den letzten Monaten als Aufgabe für die Grenzbehörden ansteht", so Dobrindt.
Kritik von den Nachbarländern, Zuspruch von den Bundesländern
Zu den rund 11.000 Bundespolizisten sollen mehrere tausend zusätzliche Beamte auch für eine Luftüberwachung der Grenzen kommen. So sollen Schleuser leichter ausgemacht werden und man will auf Änderungen der Routen schneller reagieren können.
Mehrere deutsche Bundesländer unterstützen die Pläne. Darunter Brandenburg, Sachsen und Bayern, die Grenzen zu Polen, Tschechien und Österreich haben. Aus den betroffenen Nachbarländern kam hingegen umgehend Kritik. Dobrindt beschwichtigt. "Alle Gespräche, die ich bisher geführt habe in den letzten Tagen, zeigen ein deutliches Verständnis für die neue deutsche Haltung in der Frage der illegalen Migration und die meisten sagen, es wird auch Zeit."
Deutschland ohne Bundeshaushalt
Innenpolitisch muss sich insbesondere SPD-Chef Lars Klingbeil sofort in die Arbeit stürzen. Als Bundesfinanzminister ist es seine Aufgabe, so schnell wie möglich einen Bundeshaushalt für das laufende Jahr vorzulegen. An dieser Aufgabe war die bisherige Regierung im November 2024 gescheitert und zerbrochen. Auch der Entwurf für den Haushalt 2026 ist bereits überfällig.
Mit einem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für Investitionen haben sich Union und SPD das Regieren etwas leichter gemacht. Jetzt werde, so Klingbeil, "die größte Modernisierung seit Jahrzehnten" angestoßen. "Für Schulen, für die Schiene, für Sicherheit, für schnelles Internet, für Klimaschutz, Energie, für Mobilität, für zusätzlichen Wohnraum."
Zu viele Rentner, zu wenige Fachkräfte
Massiv sparen muss die Regierung trotzdem. Die zusätzlichen Schulden dürfen nur in Investitionen fließen und nicht in die Sozialausgaben. Doch genau die wachsen wegen des demografischen Wandels in Deutschland weiter. Die Deutschen werden immer älter und leben immer länger. Eine Reform der Altersversorgung hin zu längeren Lebensarbeitszeiten und Abschlägen bei den Renten wäre dringend nötig. Doch die SPD besteht darauf, das Rentenniveau stabil zu halten.
Derzeit geht jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkassen. Je älter die Bevölkerung wird, umso größer sind zudem die Kosten für die Pflege- und Krankenkassen. Der neue Finanzminister Klingbeil und Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) werden sich damit auseinandersetzen müssen, wie Kosten gedämpft werden könnten.
Gerade bei der Finanzierung der Sozialausgaben wird viel davon abhängen, wie sich die Wirtschaft in Deutschland entwickelt. Die Aussichten sind mies, das Land befindet sich im dritten Jahr in einer Rezession. Oberste Priorität habe die Stärkung der Wirtschaft, betont Klingbeil. "Wohlstand muss erarbeitet werden und deswegen ist dieser Koalitionsvertrag ein klares Zeichen zur Stärkung der Industrie, ein klares Zeichen, dass wir Zukunftsbranchen nach Deutschland holen wollen und ein klares Zeichen, dass wir auf Made in Germany setzen."
Ein Berg von Herausforderungen
Die äußeren Umstände sind wohl das, was die bisherige Regierung aus SPD, Grünen und FDP und das neue Bündnis aus CDU, CSU und SPD in jedem Fall gemeinsam haben. Die Herausforderungen sind enorm, auch außenpolitisch. Nach dem Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump und angesichts der Bedrohung aus Russland muss Deutschland seine Rolle in Europa und der Welt neu definieren.
Das will Friedrich Merz, ein ausgewiesener Europapolitiker und Transatlantiker, zu seiner zentralen Aufgabe machen. "Große Teile Europas, die Europäische Union allemal, warten auf uns, dass wir wieder einen kraftvollen Beitrag zum Gelingen des Europäischen Projekts leisten", so Merz. Ein Nationaler Sicherheitsrat im Kanzleramt soll in Zukunft zentrale außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen bündeln.
Seine erste Auslandsreise als Bundeskanzler wird Merz am 7. Mai nach Paris führen, um mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu sprechen. Ein Besuch in Warschau soll unmittelbar folgen. Thema bei beiden Besuchen wird auch sein, wie es bei Migration und Asyl in Europa weitergeht. Daher wird auch Bundesinnenminister Dobrindt bereits am 7. Mai nach Frankreich und anschließend in andere Nachbarstaaten fliegen und dort verhandeln.
Der Artikel wurde am 5. Mai 2025 erstmals veröffentlicht und am 6. Mai aktualisiert.