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Im Gespräch: Der Regisseur Reinhard Hauff

Jochen Kürten
25. Juni 2017

Hauff begann in der TV-Unterhaltung und wurde zu einem der wichtigsten deutschen Kinoregisseure. Das Filmfest München ehrt ihn mit einer Hommage. Im DW-Interview sprach der Regisseur über seine Lebensthemen.

Reinhard Hauff Filmregisseur am Tisch beim Interview mit DW-Mikro
Werkstattgespräch mit Reinhard Hauff in dessen Münchner WohnungBild: DW/J. Kürten

Deutsche Welle: Wenn Sie auf Ihre Filme zurückblicken - wie würden Sie das Thema Ihrer Werke umschreiben? Waren es Außenseitergeschichten, junge Männer, die gegen die Gesellschaft opponierten?

Reinhard Hauff: Es waren meistens Männer, die gegen eine Ungerechtigkeit - entweder gegenüber der Gesellschaft oder der Familie - aufbegehrt haben und damit so auch die Defizite aufzeigen konnten. Es hat mich immer fasziniert, die Energie und Kraft, die da entsteht, zu zeigen.

Was steckte bei Ihnen dahinter, eine Art Gerechtigkeitssinn?

Es war immer auch ein moralischer Impetus dabei.

Ob bei Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn oder zwischen Individuum und Gesellschaft - gab es da nicht immer auch starke Ähnlichkeiten?

Ja, das sind immer ähnliche Charaktere, die da aufbegehren und sich wehren.

Aufstand wütender Männer: Jürgen Prochnow in "Die Verrohung des Franz Blum"Bild: picture-alliance/dpa/Röhnert

Politisch engagierte Regisseure interessieren sich heute für das Thema Flucht und Vertreibung. Wäre das auch Ihr Thema, wenn Sie heute noch Filme machen würden?

Auch mein Film "Mathias Kneißl" von 1971 ist die Geschichte eines Ausländers, der in Deutschland irgendwie nicht zurechtkommt und sich wehrt gegen seine Außenseiterposition, der dann auch Straftaten begeht um am Ende hingerichtet wird. Das ist im Grunde auch eine Geschichte von Emigrantenproblemen.

Wie beurteilen Sie das deutsche Kino heute? Gibt es das noch, das politische, sozialkritische Kino?

Ja, das gibt es. Einer der besten Filme der letzten Jahre war zum Beispiel der von Chris Kraus: "Die Blumen von Gestern". Und der Film von Lars Kraume: "Der Staat gegen Fritz Bauer". Das sind Leute, die entdeckt haben, dass es Defizite in der Gesellschaft gibt, die auch für ein dramatisches Kino reizvoll sind.

Reinhard Hauff im Jahr 1997Bild: picture-alliance/akg-images/B. Meya

Heute gibt es viele Filme zum Thema Rechtsradikalismus und NSU. Zu Ihrer Zeit war es der Linksterrorismus der RAF, Sie haben den Film "Stammheim" gemacht. Brannte Ihnen das damals auf den Nägeln?

Wenn man damals Antennen hatte für das, was politisch passierte, dann blieb einem gar nichts anderes übrig als sich diesen Themen zuzuwenden. Dann kam ein bisschen Glück dazu, dass Stefan Aust (der Journalist Aust recherchierte damals über die RAF, Anm. d. Red.) an die Gerichtsprotokolle kam. Das war eine Steilvorlage für eine filmische Umsetzung.

"Stammheim" löste damals großen Wirbel aus. Wie erinnern Sie sich heute daran?

Im Kino war das ja ein ziemlicher Erfolg. "Stammheim" hatte viele Zuschauer. Aber der Film wurde sehr kontrovers aufgenommen, weil die RAF-Leute empfanden, dass wir nicht dafür zuständig waren, ihre Geschichte zu behandeln. Die sind damals sehr dagegen angegangen, die Aufmerksamkeit für das Thema war groß.

Bei der Berlinale kam es zum Eklat, weil sich die Juryvorsitzende Gina Lollobrigida vom Film und dem Urteil ihrer eigenen Jury distanzierte. "Stammheim" bekam trotzdem den Goldenen Bären der Berlinale...

Die Lollobrigida war interessiert daran, dass ein anderer Film den Preis bekommt. Außerdem darf man nicht vergessen: Sie war damals als Italienerin sehr mit dem Einfluss der "Roten Brigaden" in Italien konfrontiert. Sie fand, dass man das Thema so nicht behandeln dürfe. Dann war es aber nicht besonders geschickt, sich als Jurypräsidentin so zu äußern. Ich bin damals auf die Bühne gegangen und habe ihr, mit dem Rücken zum Publikum, gesagt: "Take it easy".

Charismatischer Darsteller in "Messer im Kopf": der junge Bruno GanzBild: Filmfest München

Ihr Film "Messer im Kopf" war ebenfalls ein großer Erfolg - wie haben Sie das damals empfunden?

Das war ein hervorragendes Drehbuch von Peter Schneider. Der hatte Erfahrungen mit einem Freund, der nach einem Autounfall Aphasie-Erscheinungen hatte. Außerdem hatte Peter Schneider auch mit Rudi Dutschke an der Wiedererlangung von dessen Sprache und Erinnerung gearbeitet. Mit diesen beiden Erfahrungen hat Schneider dieses Drehbuch schreiben können. Und ich hatte das Glück, dass ich mit Bruno Ganz einen charismatischen Darsteller überzeugen konnte, mitzumachen.

Das Münchner Festival hat sie ja als "der unbekannteste bekannte Regisseur des Neuen Deutschen Films" vorgestellt. Können Sie damit etwas anfangen?

Nein.

Wie erklären Sie es sich, dass das so formuliert wurde?

Das hat sicher damit zu tun, dass ich lange keinen Film mehr gedreht habe. Außerdem habe ich ja auch 13 Jahre noch etwas Anderes gemacht: die Filmhochschule in Berlin geleitet.

Ihr vorletzter Film "Blauäugig", war eine internationale Produktion, mit Götz George prominent besetzt, auch wieder ein sehr politischer Film - welche Erinnerungen haben Sie daran?  

Dank eines argentinischen Co-Produzenten und auch dank einer Geschichte, die in Deutschland beginnt, habe ich mich daran gewagt. Ich bin ja kein Argentinier. Und die Geschichte kannte ich auch nur dadurch, dass ich einen hervorragenden Mitarbeiter hatte, einen Münchner Filmschüler: Carlos Echeveria und eine Münchner Filmschülerin, Dorothee Schön, die das Buch geschrieben hat. Da habe ich sehr viel Hilfe bekommen. Es war auch nicht einfach, weil Götz George und ich kein Spanisch sprachen. Ich habe mich sehr gefreut, dass viele den Film in Argentinien doch akzeptiert haben, obwohl es doch auch eine Außenseiteransicht war - an die ich mich aber nicht herangewagt hätte, wenn die Geschichte nicht mit den Naziverbrechen im Dritten Reich zu tun gehabt hätte.

Deutsche und argentinische Geschichte: Szene aus Reinhard Hauffs Film "Blauäugig" mit Götz GeorgeBild: Filmfest München

Sie gehörten ja damals zum "Neuen Deutschen Film". Was wollten Sie erreichen?

Im Zentrum der Bewegung stand, dass Filme entstehen sollten, die gegen das etablierte deutsche Nachkriegskino, ein neues Konzept verfolgten, mehr der Wahrheit verpflichtet waren und nicht so sehr den Kinoträumen und Klischees. Es gab viele Kontakte untereinander. Manche haben sich gegenseitig unterstützt, in den Projekten der anderen Regisseure mitgespielt. Wir haben uns auch finanziell und produktionstechnisch unterstützt. Das war eine sehr intensive Zeit. Vieles fand hier in München statt. Damals gab es um das Arri-Kino in der Türkenstraße ein Zentrum, weil viele Kollegen bei Arri Kameras liehen, im Kopierwerk oder im Tonstudio beschäftigt waren. Das fand alles hier in Schwabing statt, viele Filmemacher lebten hier um die Ecke.

Sie haben sich in früheren Interviews immer mal wieder distanziert von ästhetischen Spielereien Ihrer Kollegen. Sie sahen sich ganz bewusst einer anderen Richtung zugehörig...

Ich fühlte mich immer mehr den dramatischen, inhaltlichen Themen verpflichtet.

Blickt heute gelassen zurück auf eine ereignisreiche Karriere als Regisseur und Hochschuldirektor: Reinhard Hauff Bild: Imago

Nach Ihrem letzten Film haben Sie die Leitung der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin übernommen. Eine gute Zeit?

Ich hatte schon einige Erfahrungen an Filmschulen gesammelt, auch an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Obwohl ich damals kaum Spielfilme gemacht hatte, hat man mich in München überzeugt. Ich kam ja auch von der "Unterhaltung", habe Shows und Musikprogramme gemacht und hatte auch in Ludwigsburg, an der Ludwigsburger Filmakademie, Erfahrungen gesammelt.

Was waren die größten Schwierigkeiten während dieser Zeit als Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin?

Es war die letzte Hochschule mit einer Drittel-Parität in der Mitbestimmung. Da gab es immer hitzige Debatten und Richtungskämpfe. Ich habe es damals als meine Hauptaufgabe gesehen, gute Dozenten zu holen: Vorbilder, damit die Leute sich nicht im täglichen TV-Programm und an Tatort-Träumen orientieren sollten.

Das Gespräch führte Jochen Kürten in München.

Während des Filmfests München (22.06. - 01.07.2017) werden als Hommage an den Regisseur Reinhard Hauff insgesamt 11 Filme von ihm gezeigt.

Mehr zum Filmfest München 2017 auch in der neuen Ausgabe von KINO.

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