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Politik

"Reichsbürger" - Brandenburg besonders betroffen

Kay-Alexander Scholz
21. Oktober 2016

Deutschlandweit wird über die Bewegung der "Reichsbürger" debattiert. In manchen Gegenden wie im Spreewald sind sie bereits eine Plage für die Behörden geworden. Hilft bald der Verfassungsschutz?

Reichsbürger - Symbolbild: Auto mit Aufschrift "Königreich Deutschland" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Mitten im landschaftlich schönen und bei vielen Touristen beliebten Spreewald soll nach Erkenntnissen des brandenburgischen Verfassungsschutzes ein bundesweites Zentrum der "Reichsbürger" sein. Die deutschlandweit größte bisher bekannte Vereinigung der "Reichsbürger" habe ihren Sitz in der Kleinstadt Lübbenau und in Berlin, zitiert die "Lausitzer Rundschau" den Brandenburger Verfassungsschützer Michael Hüllen. Von dort aus würde das Bündnis bundesweite Aktionen koordinieren. "'Reichsbürger' können sich schnell mobilisieren und sind gut vernetzt", so Hüllen. "Wir können nicht ausschließen, dass 'Reichsbürger' Waffen einsetzen, um die Gesellschaft in die Richtung zu drängen, die sich aus ihren Theorien ableiten."

Der Brandenburger Verfassungsschutz hat zusammen mit dem Institut für Gemeinwesensberatung Demos ein Handbuch herausgegeben, um Verwaltungen eine Hilfe an die Hand zu geben. In den letzten Monaten habe es in Brandenburg zunehmend Fälle gegeben, in denen "Reichsbürger" mit Gewalt gegen Gerichtsvollzieher oder Richter vorgegangen sind, sagte Demos-Experte Dirk Wilking der "Lausitzer Rundschau". Von Einschüchterungsversuchen und Übergriffen berichtet auch der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Carlo Weber in der Zeitung. Seine Behörde habe schon zu Jahresbeginn von zunehmender Aggressivität der Gruppen gewarnt, so Weber weiter. Die Szene soll rund 300 Personen umfassen.

Bisher stehen in Brandenburg einzelne als rechtsextremistisch eingestufte "Reichsbürger" bereits unter Kontrolle des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Laut Medienberichten werde überlegt, die gesamte Szene zu beobachten.

Cottbus muss sich schützen

In der einzigen Großstadt im Spreewald, in Cottbus, wo viele Behörden ihren Sitz haben, hat die Stadtverwaltung schon im Sommer reagiert. Zugang zum Gerichtsgebäude bekommen seither nur noch Personen, die ein gültiges Personaldokument vorzeigen.

Reichsbürger Anfang Oktober bei einer Demonstration in BerlinBild: Imago/Future Image

Auf Geheiß des Oberbürgermeisters wurde vor einem halben Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet. Dabei gehe es um die Überprüfung von Abläufen, um Mitarbeiter und Besucher von Behörden zu schützen, erklärte Stadtsprecher Jan Gloßmann der "Lausitzer Rundschau". Gloßmann zufolge gebe es immer wieder Konfrontationen mit "Reichsbürgern" - massenhafte Eingaben, aggressives Auftreten, Rangeleien.

Bundesregierung bittet Verfassungsschutz um Neubewertung

Mehrere Verfassungsschutzämter in Deutschland hätten sich bereits mit den "Reichsbürgern" beschäftigt und Publikationen herausgegeben, betonte der Sprecher des Bundesinnenministeriums Tobias Plate in Berlin. Generell gehe die Bundesregierung davon aus, dass das extremistische Potential eher nicht so groß ist, so Plate weiter, und die Szene insgesamt eine "niedrige dreistellige Zahl" ausmache. "In dieser Bewegung sind auch ganz viele Einzelpersonen und Kleinstgruppierungen unterwegs, die mit pseudojuristisch verbrämten Argumentationen absurde Thesen zum Fortbestehen des Deutschen Reichs vertreten, Fantasiepapiere benutzen und sich gänzlich als außerhalb des deutschen Staatswesens stehend verstehen", beschrieb Plate die "Reichsbürger"-Szene. "Das ist in großen Teilen zwar absurd, aber überwiegend ein sozusagen ordnungsrechtliches Problem. Der extremistische Anteil ist nicht so groß, aber vorhanden."

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei nun dennoch gebeten worden, "noch einmal genau zu schauen, ob diese Bewertung Bestand haben kann", sagte Plathe am Freitag in der Bundespressekonferenz. Ob also "Gefährdungseinschätzung" und Einschätzung des "Extremismuspotentails" noch stimmen. Die Überprüfung in der Zentrale in Köln solle sorgfältig erfolgen, was nicht von heute auf Morgen ginge, so Plate. Im Ergebnis eines wenn auch "entsetzlichen Einzelfalls" gelte es aber, das "Kind nicht mit dem Bade auszuschütten".

Mehr "Reichsbürger" als angenommen?

Innenpolitiker mehrerer Parteien haben unterdessen ein schärferes Vorgehen gegen die "Reichsbürger" gefordert. Dies würde geschehen, sollte das BfV die Angelegenheit an sich ziehen und damit die Aktivitäten der Landesämter zentral koordinieren wollen.

Inzwischen ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei Innenministern und Sicherheitsbehörden der Länder, dass mindestens 1100 Personen der "Reichsbürger"-Bewegung zuzuordnen seien. Diese Zahl liegt damit höher als die Schätzungen der Bundesregierung.

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