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Reichsbürger: "Vereinte Patrioten" vor Gericht

17. Mai 2023

Sie sollen einen Putsch und die Entführung von Minister Lauterbach geplant haben. Fünf mutmaßlichen Mitgliedern einer Terrorgruppe wird deshalb der Prozess gemacht. Das Wichtigste im Überblick.

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Prozessauftakt in Koblenz: Ein mutmaßliches Mitglied der Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" steht vor GerichtBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Am Mittwoch (17.5.) beginnt vor dem Oberlandesgericht in Koblenz der Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der Gruppe "Vereinte Patrioten".

Was wird den Angeklagten vorgeworfen?

Die vier Männer sowie eine 75-jährige mutmaßliche Rädelsführerin sollen den Sturz der deutschen Regierung geplant haben. Laut Bundesanwaltschaft schlossen sie sich dazu spätestens Mitte Januar 2022 zusammen. Sie nannten sich "Vereinte Patrioten". Sie sind angeklagt, eine terroristische Vereinigung gegründet oder darin Mitglied gewesen zu sein.

Durch einen Blackout bei der Stromversorgung und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hätten sie bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen wollen. Ihr Ziel: das Ende der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Nach der geplanten Machtübernahme hätten die Angeklagten selbst Regierungsämter übernehmen wollen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen deshalb die "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund" vor.

Wie konkret waren die Pläne der Gruppe?

Die Ermittler sprechen von "konkreten Vorbereitungen" der Gruppe, die sich vor allem in einer Chatgruppe des Internet-Dienstes Telegram austauschte und mehrmals an verschiedenen Orten zusammenkam. Auf eine rasche Umsetzung des Vorhabens habe dabei die angeklagte Frau gedrungen. Dazu habe sie wiederholt bestimmte Termine genannt.

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Einer der Angeklagten habe Anschlagsziele zur Störung der Stromversorgung ausgekundschaftet. Ein anderer die Entführung des Gesundheitsministers geplant, "gegebenenfalls unter Tötung seiner Personenschützer". Dazu habe die Gruppe sich Kalaschnikows und Pistolen sowie Munition beschafft. Aus dem ehemaligen Jugoslawien hätten sie tonnenweise Sprengstoff einführen wollen.

Gehörten die Angeklagten zur Reichsbürger-Szene?

Ja. Als ideologische Anführerin der Gruppe gilt eine 75-jährige ehemalige Pfarrerin und Lehrerin, die zuletzt in Sachsen lebte. Auf Internet-Blogs der Szene finden sich Schriften der Frau. Sie sind im typischen Duktus der etwa 23.000 Anhänger starken Reichsbürgerszene verfasst: wirre Theorien davon, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe, also der deutsche Staat unter Führung eines Kaisers, wie er bis 1918 existierte. Somit seien alle heutigen Staatsorgane unrechtmäßig im Amt. Verfasst hat sie diese und weitere, teils rechtsextreme Ideen in einem Wechsel aus frei assoziierender Gedankenlyrik und einer Sprache, die versucht, juristisch zu klingen.

Auf Reichsbürger-Blogs finden sich zudem offene Briefe, die die Frau verfasst haben soll – etwa an Waldimir Putin, Donald Trump oder "die Alliierten". Darin äußert sie teils antisemitische Gedanken, unterzeichnet mit "Wilhelm-Imperator-Rex-Nachfahren". Sie sah sich also als Nachfahrin des letzten deutschen Kaisers.

Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass die Frau und ihre Komplizen mehr waren als verschrobene Hochstapler. Aus der These, das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 existiere weiter, leiteten sie schließlich ab, die demokratische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland habe keine Geltung. Stattdessen müsse wieder ein autoritäres Regierungssystem nach dem Vorbild des Kaiserreichs eingeführt werden. Einige der Angeklagten waren auch im Milieu der so genannten Querdenkeraktiv, die die Corona-Pandemie leugneten und staatliche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus ablehnten.

Warum hatte die Gruppe den Gesundheitsminister im Visier?

In der Szene der Querdenker und Reichsbürger gilt Karl Lauterbach schon länger als Feindbild. Bereits vor seiner Ernennung zum Bundesgesundheitsminister im Dezember 2021 hatte der Medizinprofessor als Corona-Experte zahlreiche Medienauftritte absolviert. Darin warb er für strenge Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen gegen die Ausbreitung des Virus. Diesen Kurs setzte er im Ministeramt fort.

Muss vor Extremisten geschützt werden: Bundesgesundheitsminister Karl LauterbachBild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

So zog Lauterbach auch den Hass extremistischer Kreise auf sich, die staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in Deutschland ablehnten. Heute steht Lauterbach rund um die Uhr unter Personenschutz.

Wie ist die Gruppe aufgeflogen?

Bei der Festnahme der Beschuldigten soll ein verdeckter Ermittler eine zentrale Rolle gespielt haben. Er wurde monatelang im Umfeld der Beschuldigten eingesetzt.  Am 13. April 2022 wurden die vier angeklagten Männer festgenommen, die angeklagte Frau am 13. Oktober desselben Jahres. Sie sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Kommt das Gericht zum Schluss, dass die Vorwürfe gegen sie zutreffen, dann dürften ihnen mehrjährige Haftstrafen drohen.