Künstliche Welten: "Tribute von Panem"-Weltpremiere
Jochen Kürten4. November 2015
Millionen Fans in aller Welt freuen sich auf den letzten Teil der "Tribute von Panem"-Kinoreihe. In Berlin hat der Film nun seine Weltpremiere gefeiert. Die Visionen, die er zeigt, sind so neu allerdings nicht.
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Künstliche Welten: Von "Metropolis" zu "Die Tribute von Panem"
Schon seit Beginn der Geschichte des Kinos entstanden aufwendige Kulissen für Filme. Früher wurden diese vornehmlich aus Pappmaché gebaut. Heute entsteht vieles am Computer. Eine Rückblick auf künstliche Welten im Film.
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Die Tribute von Panem
Die vier Filme der "Tribute von Panem"-Reihe sind das aktuellste Beispiel für eine extrem aufwendig gestaltete, für das Kino entworfene filmische Welt. Für viele Millionen Dollar wurden Kulissen entworfen, der Rest entstand, wie inzwischen bei den allermeisten neuen Genre-Filmen, am Computer. Teil 4 der Reihe, "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2" feiert jetzt Weltpremiere in Berlin.
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Erste Fahrt zum Mond
Der französische Regisseur Georges Méliès gilt als Pionier in Sachen Künstliche Welten auf der Leinwand. Sein bekanntester Film "Die Reise zum Mond" aus dem Jahre 1902 zeigte den überraschten Zuschauern damals, was alles möglich war im Kino. Der Mond als Himmelskörper, aber auch Details einer Landschaft auf dem fernen Planeten erschienen auf der Leinwand.
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Deutsche Phantasien
Es war der deutsche Regisseur Fritz Lang, der 1927 für seinen Film "Metropolis" im großen Stil visionäre Welten schuf. Das Science-Fiction-Opus setzte Maßstäbe. Noch heute lassen sich viele Regisseure von den Bildern und Bauten des Films inspirieren.
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Ray Harryhausen
Der amerikanische Filmtrick-Techniker Ray Harryhausen perfektionierte die sogenannte Stop-Motion-Technik in den 1950er Jahren. Viele berühmte Genrefilme wie "Das Grauen in der Tiefe" oder "Fliegende Untertassen greifen an" entstanden mit Hilfe dieser Technik. Insbesondere Katastrophen- und Science-Fiction-Filme bekamen durch Harryhausens Arbeit den letzten Schliff.
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Blick in die Zukunft
Vor allem in Science-Fiction-Filmen konnten sich Bühnenbildner und Kulissenbauer austoben und künstliche Welten erschaffen. Für die TV-Serie "Star Trek", die in den 1960er Jahren gestartet wurde und die auch einige Kinofilme inspirierte, wurden nicht nur Raumschiffe gebaut - es entstanden auch zahlreiche fremde Planeten. Eine Fortsetzung von Star Trek fürs US-Fernsehen wurde gerade angekündigt.
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Star Wars
1977 war es dann dieser Herr, der für die Erschaffung neuer Welten auf der Kinoleinwand verantwortlich war. US-Regisseur George Lucas brachte den ersten "Star Wars"-Film in die Kinos. Ganze Generationen von jugendlichen Filmfans zeigten sich begeistert vom filmischen Kosmos des Regisseurs. Eine Faszination, die bis heute anhält. Mitte Dezember kommt der neueste Star-Wars-Streifen in die Kinos.
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Mad Max
Zwei Jahre später kam der erste Teil von "Mad Max" des Australiers George Miller in die Kinos. Der Filmemacher bewies viel Phantasie mit seiner Mischung aus Zukunftsvision und dem Blick in die Vergangenheit. Künstliche Welten sollten sich fortan im Kino stark vermischen. Die Zukunft sieht in Filmen wie der jüngsten Fortsetzung "Mad Max: Fury Road" (2015) zum Teil recht alt aus.
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Tim Burton
Als ein Meister seines Fachs entpuppte sich der US-amerikanische Regisseur Tim Burton. Mit Filmen wie "Edward mit den Scherenhänden" oder "Alice im Wunderland" erwies sich Burton als besonders phantasiereicher Regisseur. Seine künstlichen Welten schafften es sogar ins Museum - hier präsentiert Burton seine Filmbauten und -figuren im Max-Ernst-Museum Brühl.
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Roland Emmerich
Als großer Zertrümmerer künstlicher Filmwelten erwies sich in den letzten Jahren der Deutsche Roland Emmerich. Der in Hollywood sehr erfolgreiche Regisseur von Filmen wie "Independence Day" (unser Bild) oder "Godzilla" ist ein Spezialist in Sachen Zukunfts- und Katastrophenfilm. In seinen Werken geht das, was für den jeweiligen Film meist digital entworfen wird, am Ende in der Regel zu Bruch.
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Blade Runner
Die wohl eindrucksvollsten künstlichen Welten zumindest für das Science-Fiction-Genre wurden 1982 für den Film "Blade Runner" geschaffen. Der Replikantenjäger Rick Deckard alias Harrison Ford (r.) bewegt sich im Laufe des Films durch eine phantastische Zukunftswelt, die aber - im Gegensatz zu Werken wie "Star Wars" - viele realistische Dimensionen hat.
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Das fünfte Element
Setzte "Blade Runner" für das Hollywood-Kino Maßstäbe, so bewies der französische Film "Das fünfte Element" 1997, dass auch europäische Regisseure in Sachen künstliche Welten viel drauf haben. Das Science-Fiction-Opus von Luc Besson erinnerte in manchen Szenen stark an "Blade Runner", setzte aber auch eigene Akzente.
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Herr der Ringe
Wegweisend für das Fantasy-Genre wurde die "Herr der Ringe"-Trilogie. Die zwischen 2001 und 2003 entstandenen Filme (auf unserem Bild Christopher Lee im mittleren Teil "Die zwei Türme") boten den Fans in aller Welt eine Mischung aus Fantasy und Historienspektakel. Aufgrund des kommerziellen Erfolges wurde ein Jahrzehnt später die ebenfalls dreiteilige Kinoserie "Der Hobbit" gedreht.
Bild: picture-alliance/dpa/Warner
Avatar
Zum bisher erfolgreichsten Film aller Zeiten entwickelte sich dann im Jahre 2009 "Avatar" von Regisseur James Cameron. Die sehr phantasievollen Settings entstanden vorwiegend digital am Computer. Der 3D-Effekt wurde in "Avatar" überaus wirkungsvoll eingesetzt und löste einen neuerlichen Boom dieser Technik aus, die es schon in den 1950er Jahren zu einigem Erfolg gebracht hatte.
Werden die allermeisten aufwendigen Phantasiewelten für das kommerziell orientierte Genrekino à la Hollywood entwickelt, so entstehen auch hin und wieder künstliche Welten für das Autorenkino aus Europa. Ein schönes Beispiel dafür ist der Film "Melancholia" (2011) des dänischen Regisseurs Lars von Trier. Auch diese Kinowelten entstammen aber zu großen Teilen dem Computer.
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Game of Thrones
Dass inzwischen nicht nur für die große Leinwand aufwendige künstliche Welten entworfen werden, beweist die Fernsehserie "Games of Thrones". Die seit 2011 in fünf Staffeln produzierte Serie für einen amerikanischen Sender ist ein weltweiter Publikumserfolg.
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Der Marsianer
Als jüngstes Beispiel für einen Kinofilm, der eine ganz eigene Welt auf der Leinwand kreiert, gilt "Der Marsianer". Die Handlung des sehr erfolgreichen Films spielt fast ausschließlich auf dem Mars. "Der Marsianer" verzichtet auf Monster und andere Phantasiefiguren. Die Landschaften wurden alle am Computer entworfen oder auf der Erde gedreht. So können künstliche Welten auch sehr real erscheinen.
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Eine kleine Schicht der Menschheit lebt im Luxus, der Rest muss schuften. Die eine Gruppe, die kleinere, beutet die andere aus. Die Gesellschaft ist gespalten. Nur notdürftig bleibt der Friede gewahrt. Doch die da unten begehren auf. Aufstände drohen, die Revolution wird vorbereitet. Wem das bekannt vorkommt, der hat sich im Kino vermutlich schon einige Filme aus den Genres Science-Fiction, Fantasy oder Abenteuer angeschaut.
Wenn weltweit ein meist jüngeres Publikum derzeit fieberhaft auf den vierten und letzten Teil der "Tribute von Panem"-Saga wartet ("Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2"), dann ist das nur ein kulturelles Phänomen, das sich alle paar Jahre wiederholt. Neu ist lediglich der Seriencharakter. Erweist sich heute ein Film als kommerzieller Erfolg auf dem Weltmarkt, dann ist eine Fortsetzung so gut wie sicher.
"Metropolis" gab's nur einmal…
Als Fritz Lang das monumentale Science-Fiction-Opus "Metropolis" 1927 in die Kinos brachte, dachte man noch anders. Heutzutage hätte man vermutlich eine ganze Serie aus dem Stoff gefertigt - "Metropolis schlägt zurück" oder zumindest "Metropolis II" hätte man die Fortsetzungen vermutlich betitelt. Spätestens Ende der 1970er Jahre hatte man das dann raus. Regisseur George Lucas drehte seinen Film "Star Wars". Der entpuppte sich als Mega-Hit, drei Jahre später war "Das Imperium schlägt zurück" auf dem Markt. Der siebente Teil startet demnächst in den Kinos, weitere sind bereits bis ins Jahr 2020 terminiert.
Und nicht nur das. Der Begriff "Merchandising" wurde damals mit dem ersten "Star Wars"-Film richtig populär. Es blieb nämlich nicht nur bei Fortsetzungen der Filme. Die Spielzeug-Industrie stieg im großen Stil ein. Später wurden Video- und Computerspiele entwickelt und erfolgreich auf den Markt gebracht. So ist es auch heute: Wenn ein mit vielen Millionen Dollars produzierter Film erfolgreich ist, dann folgt meist das, was man industrielle Verwertungskette nennt. Manchmal sind die Summen, die über den Verkauf von Lizenzen eingenommen werden, größer als die, die nur mit Kino-Tickets erreicht werden.
Künstliche Kino-Welten bieten Blick in die Zukunft
Meist ist es eine ganz bestimmte Art von Filmen, die sich zu solch erfolgreichen Kinoserien entwickeln. Bestimmte Genres bieten sich für diese allumfassende Vermarktung besonders gut an: Filme, die den Zuschauern eine neue Welt eröffnen, eine, die nicht der realen entspricht. Nicht zufällig sind das immer wieder Zukunftsvisionen.
Das einfache Prinzip "Gut gegen Böse" wird in Endlosschleifen mit neuen Zutaten immer wieder variiert. Vor dem Hintergrund phantasievoller Landschaften, die früher aus Pappmaschee oder Plastik entstanden und heutzutage meist digital am Computer erzeugt werden, lassen Produzenten, Regisseure und Spezialisten der einzelnen Film-Gewerke neue, künstliche Welten entstehen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Geheimnisvolle Wesen zwischen Mensch und Tier, Roboter aller Couleur, Replikanten, Androiden und Erdbewohner in den seltsamsten Kostümen bevölkern diese Filme. Die Fortbewegungsmittel erinnern manchmal, auch wenn sie sich in der Film-Zukunft bewegen wie in der australischen "Mad Max"-Saga, eher an das Mittelalter als an die Neuzeit. Meist sind es jedoch Raumschiffe oder andere visionäre Flugkörper. Bei den Waffen, die in diesen Filmen schon immer eine wichtige Rolle gespielt haben, ist das ähnlich. Auch hier gilt: Pfeil und Bogen sind nicht out, auch, wenn die Drehbuchautoren die Handlung in ferner Zukunft angesiedelt haben.
Ausstattungsfilme früher und heute
Fantasy- und Science-Fiction-Genrefilme, die künstlichen Welten am häufigsten als Gefäß dienen, unterscheiden sich mit all ihren Fantasie-Accessoires aber im Grunde nicht von Ausstattungsfilmen alter Schule. Sie sind nur die eine Seite der gleichen Medaille: "Der Ausstattungs- und Kostümfilm teilt sich in zwei Richtungen", so die Filmpublizistin Ursula Vossen, "die eine weiß sich der historischen Treue verpflichtet, die andere erschafft eine Welt nach ihren Vorstellungen, wenn auch vor einem geschichtlichen Hintergrund." Der kann dann auch ruhig in der Zukunft spielen.
Wenn nun also zur Weltpremiere von "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2" in Berlin (4.11.) die Filmprominenz zusammenkam, dann tauchte sie ein in eine Welt, die in einer nicht näher definierten Zukunft spielt. Auch die arbeitet allerdings wieder mit zahlreichen Ingredienzien aus der Vergangenheit.
Wichtig nur ist, dass die Tribute-Macher einen vollkommen geschlossenen Kosmos entwickelt haben und dieser dem Publikum angeboten wird. Für eine ganz bestimmte Generation wird diese künstliche Welt dann zum Erweckungserlebnis und begleitet sie möglicherweise ein Leben lang. Im günstigsten Fall, wie bei der Star-Wars-Serie, kann das Phänomen Jahrzehnte andauern und generationenübergreifend erfolgreich sein. Es bleibt abzuwarten, ob auch "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2" ein Welterfolg wird.
Am 18./19. November läuft der Film weltweit regulär in vielen Ländern der Erde an. In den USA startet er am 20.11.2015. Die aktuelle Ausgabe von KINO berichtet am 7.11. über den neusten Teil der Tribute-Reihe und wirft einen Blick hinter die Kulissen der Special-Effects-Spezialisten in Deutschland und in den USA.