Auszeit im Kloster
15. September 2012"Ich arbeite sehr viel. Dadurch, dass ich selbstständig bin, arbeite ich auch oft am Wochenende“, sagt Sven Angersbach. Der Niedersachse ist Heilpraktiker und leitet abends und am Wochenende noch Kurse in Kampfkunsttechniken. "Die Freizeit kommt da zu kurz. Um von dem Ganzen mal so richtig Abstand zu gewinnen und mal wieder ganz klar bei sich zu sein, gehe ich manchmal ins Kloster.“ Eine Woche zieht sich Sven Angersbach dann ins Kloster Mariensee nordwestlich von Hannover zurück.
Das Kloster Mariensee ist ein untypisches Kloster. 1207 gegründet, beteten und arbeiteten hier ursprünglich weltabgeschiedene und strenge Zisterzienserinnen - bis zur Reformation. Seit Mitte des 16. Jahrhundert ist das Kloster evangelisch, bis heute beherbergt es ein Frauenkonvent. An der Spitze steht die Äbtissin Bärbel Görcke. Das Kloster bietet zahlreiche Möglichkeiten für Menschen, die eine Auszeit nehmen wollen: Einkehrtage, Seminare, Kurse in klösterlicher Schrift. Die Preise sind erschwinglich. Eine Übernachtung mit Verpflegung kostet 50 Euro.
"Es kommen Menschen, die die Ruhe suchen, um sich selber wieder neu zu spüren. Es gibt auch Menschen, die sagen, ich brauche mal eine konzentrierte Zeit, um eine Arbeit fertig zu stellen. Oder Musiker, die sich auf ein Konzert vorbereiten“, sagt Görcke. In Mariensee bekommen die Gäste in der Regel wenig vom klösterlichen Leben der Konventualinnen mit - es sei denn, sie nehmen an der Abendandacht teil, wenn die Nonnen ihr "Laudates omnes gentes“ anstimmen.
Lärm und Hektik hinter sich lassen
Kloster auf Zeit liegt im Trend. Mittlerweile öffnen fast 300 der 3000 katholischen Klöster in Deutschland ihre Pforten für Besucher. Hinzu kommen noch rund 35 evangelische Häuser, wie das Kloster Mariensee. Von "Urlaub im Kloster" sprechen die Mönche und Nonnen nicht so gern , sie werben mit "Einkehr" und "Tagen der Stille". Manche Klöster wie Maria Laach in der Vulkaneifel betreiben allerdings externe Hotels für "normale" Touristen. Sie geben Gästen aber auch die Möglichkeit, für einige Tage oder Wochen am Klosterleben teilzunehmen. Wer für einige Tage ins Kloster will, der sollte sich vorher gut informieren. Denn Ruhe und Abgeschiedenheit findet man nicht überall: So ist das wegen seines Bieres berühmte Kloster Andechs bei Touristen sehr beliebt. In anderen Klöstern wie zum Beispiel in Königsmünster im Sauerland wird man von Mönchen betreut und in das klösterliche Leben eingeführt.
Kein MP3-Player, kein Internet, kein I-Pad, kein Handy. Abgeschnitten von der Welt muss man sich auf die Stille des Klosters einlassen. Und nicht nur den Lärm lässt der 46-jährige Sven Angersbach dann hinter sich, sondern auch die Lichter der Großstadt. "Wenn Sie in der Stadt wohnen, dann machen sie zu Hause das Licht aus, und es ist immer noch hell", sagt Sven Angersbach. Aber im Kloster - da gebe es keine Laternen oder Leuchtreklamen. Da sei es richtig dunkel.
"Man wird auf sich selbst zurückgeworfen", beschreibt Sven Angersbach das zur Ruhe kommen im Kloster. Schlafen, essen, meditieren, beten. "Ich bin nicht unbedingt ein kirchlicher Mensch, aber schon religiös und spirituell“, sagt der Kampfkunstlehrer.
Meditation und surreale Phantasiebilder
Auch die Schriftstellerin Gyde Callesen geht regelmäßig ins Kloster - zum Meditieren. "Bei der Meditation entstehen bei mir unglaublich viele Bilder im Kopf, sehr surreale Phantasiebilder“, erzählt Gyde Callesen. Das Meditieren, das In-Sich-Gehen und Zu-Sich-Finden, das falle ihr im Kloster leichter als an anderen Orten, sagt die 37-Jährige. Alte Klostermauern, so die Schriftstellerin, bieten einen doppelten Halt, einen äußeren und einen inneren.
Die Äbtissin von Mariensee, Bärbel Görcke, steht im Kreuzgang ihres 800 Jahre alten Klosters. "Das ist der neuere Teil des Klosters. Die Amerikaner lachen immer, wenn wir das sagen. 1729 wurde das Konventgebäude neu errichtet“, erzählt sie. Neben der Klosterkirche ist gerade auch der Kreuzgang ein Ort der inneren Einkehr. Diese Erfahrung hat auch Gyde Callesen gemacht: "Wenn ich im Kloster nicht schlafen konnte, dann bin ich durch den Kreuzgang geschritten. Ganz bewusst gemächlichen Schrittes, immer im Karree."
Klöster wirken auf viele so anziehend wegen ihrer Geschichte und Tradition. Doch auch in den Ordenshäusern wurde manches reformiert. Früher war es bei den Benediktinern Sitte, dass die Mönche den Klostergästen zur Begrüßung die Füße wuschen. Auf diesen Brauch muss der Klosterbesucher heute verzichten.