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Reiseveranstalter Thomas Cook ist pleite

23. September 2019

Der britische Reisekonzern hat den Betrieb eingestellt. Flüge wurden gestrichen. Hunderttausende Urlauber drohen zu stranden. Von dramatischen Szenen in Hotels ist die Rede. Die Tochter Condor fliegt zunächst weiter.

London Thomas Cook store
Bild: Getty Images/AFP/T. Akmen

Vor mehr als 175 hat Thomas Cook die erste Reise organisiert und verkauft. Die britische Firma gilt als die Erfinderin des Pauschaltourismus und als ältester Reiseveranstalter der Welt. Viel Vergangenheit, aber wohl keine Zukunft mehr.

Man habe, so der Konzern am heutigen Montag, keine Alternative gehabt, als mit sofortiger Wirkung das Konkursverfahren einzuleiten. Konzernchef Peter Fankhauser sprach in einer Erklärung von einem "tieftraurigen Tag". Er entschuldigte sich bei "unseren Millionen Kunden und Tausenden Angestellten, Zulieferern und Partnern". 

Verwirrung um den Geldbedarf

Banken fordern von Thomas Cook zusätzlich zu einem schon ausgehandelten 900 Millionen Pfund (knapp eine Milliarde Euro) schweren Rettungspaket weitere 200 Millionen Pfund (226 Millionen Euro). Der Reiseveranstalter hatte  die Regierung um vergeblich um finanzielle Hilfe gebeten.

Das Unternehmen habe, so eine eine Sprecherin des Verkehrsministeriums in London am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, um eine Finanzspritze in Höhe von etwa 220 Millionen Pfund (etwa 250 Millionen Euro) gebeten. Premierminister Boris Johnson hatte zuvor von 150 Millionen Pfund gesprochen.

Verkehrsminister Grant Shapps ging in einem Interview mit dem Sender ITV von "bis zu 250 Millionen Pfund" aus.  "Das Unternehmen hat bis zu 250 Millionen Pfund angefragt, sie benötigten darüber hinaus 900 Millionen Pfund und haben Schulden von 1,7 Milliarden", begründete Shapps die Absage. Das Unternehmen wollte sich über die Höhe auf Anfrage nicht äußern.

Die Flugzeuge des britischen Reiseveranstalters bleiben ab sofort am Boden Bild: picture-alliance/dpa/TT NYHETSBYRÅN/J. Nilsson

Viele Gründe für die Schieflage

Thomas Cook befindet sich nach eigenen Angaben nun in der Zwangsauflösung. Dazu wird ein eigener Zwangsverwalter berufen. Als Sonderverwalter für die verschiedenen Geschäftsbereiche werden AlixPartners oder KPMG bestimmt.

Der Konzern brach unter seinem hohen Schuldenberg - insgesamt 1,7 Milliarden Pfund (1,9 Milliarden Euro) - zusammen, der sich über Jahre aufgetürmt hat, insbesondere wegen mehrerer Zukäufe zum falschen Zeitpunkt.

Bereits 2012 retteten mehrere Banken den Konzern mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast.

Drei Millionen Urlaube mussten pro Jahr verkauft werden, um allein die Zinszahlungen zu erwirtschaften. In den vergangenen Jahren gab es neben der Verunsicherung durch den Brexit weitere Rückschläge: So belastete der missglückte Putschversuch in der Türkei 2016 die Geschäfte in einem der wichtigsten Märkte. Hinzu kam die europaweite Hitzewelle im vergangenen Jahr, die potenzielle Kunden von Auslandsreisen
abhielt.

Condor beantragt Kredit bei Bundesregierung 

Von den 105 Flugzeugen im Konzern sind 58 für den deutschen Ferienflieger Condor unterwegs. Weltweit hat Thomas Cook rund 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern, davon sind etwa 4500 in Deutschland bei Condor beschäftigt. Dort läuft das operative Geschäft derzeit noch normal.

Allerdings beantragte der profitable deutsche Ferienflieger nach dem Insolvenzantrag der britischen Konzernmutter bei der Bundesregierung in Berlin einen Überbrückungskredit. Noch sei hier keine Entscheidung getroffen, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag in Berlin. Die Regierung arbeite aber "mit Hochdruck" daran.

Die Landesregierung in Hessen, wo Condor seinen Sitz hat, erklärte, sie sei bereits in Gesprächen mit Condor über eine mögliche Unterstützung. Sie sei offen, Condor bei der Überbrückung der aktuellen Krise zusammen mit dem Bund behilflich zu sein, "etwa durch eine ergänzende Landesbürgschaft".

Condor, die deutsche Tochter von Thomas Cook, will den Betrieb zunächst aufrechterhalten, wie auf der Internetseite mitgeteilt wurde. "Die Flüge finden planmäßig statt." Und: "Wir starten und landen ganz normal", betonte eine Sprecherin.

Tausende Urlauber gestrandet

Von der insolvenz des Reiseveranstalters sind rund um den Globus etwa 600.000 Urlauber betroffen, davon mehr als 150.000 Briten. Viele der an ihren Urlaubsorten "Gestrandeten" halten sich rund um das Mittelmeer auf: In Griechenland hängen etwa 50.000 Thomas-Cook-Kunden fest, vor allem auf den Inseln. In der Türkei sind es 45.000 Touristen, auf Zypern nach Angaben der dortigen Regierung bis zu 15.000.

Die festsitzenden Touristen warten nun auf Hilfe und Informationen darüber, wie es nun weitergehen soll. Einige Urlauber berichten im Kurznachrichtendienst Twitter bereits von dramatischen Zuständen. 

In Tunesien wurden Reisende nach eigenen Angaben in Hotels festgehalten, da die Manager befürchteten, kein Geld mehr vom kriselnden Veranstalter zu bekommen. Andere klagten, sie hätten für die Unterkunft ein zweites Mal bezahlen müssen. Das Geld sei ihnen von der Kreditkarte abgebucht worden.

In Deutschland sind von der Pleite mindestens etwa 340.000 Reisende betroffen - 140.000 Kunden des Veranstalters Thomas Cook sind schon auf Reisen, weitere 21.000 wollten Montag oder Dienstag starten und kommen nun voraussichtlich nicht weg. Mit Condor, der Thomas-Cook-Airlinetochter, sind außerdem rund 180.000 Fluggäste anderer Veranstalter und Individualreisende auf Rückflüge gebucht.

Was wird für die Touristen getan?

Die britischen Kunden sollen im Rahmen einer zweiwöchigen Rückholaktion nach Hause gebracht werden. Einen entsprechenden Auftrag erteilte die Regierung in London der Luftfahrtbehörde CAA. 

In Deutschland schützen sogenannte Reisesicherungsscheine Pauschalreisende davor, am Urlaubsort zu stranden oder ihre Anzahlungen für gebuchte Reisen zu verlieren. Das Gesetz sieht bei der Insolvenz eines Reiseveranstalters vor, dass dieser die Kunden zurückholt und der Versicherer die Kosten dafür erstattet- allerdings nur bis zu 110 Millionen Euro. In der Praxis helfen dann andere Fluggesellschaften, Touristen zurückzubringen.

Noch keine Reaktion aus Berlin

Von  der Bundesregierung gibt es bislang keine Stellungnahme, ob ebenfalls Vorbereitungen getroffen werden, möglicherweise zehntausende Urlauber nach Deutschland zurückzuholen. In der Bundesrepublik sind Versicherer dafür zuständig, Pauschalurlauber, die sogenannte Reisesicherungsscheine haben, im Notfall zurückzubringen. In der Praxis helfen dann andere Fluggesellschaften, Touristen nach Deutschland zu holen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) stellte in Frage, ob die Verbraucher im Fall der Thomas-Cook-Pleite überhaupt komplett abgesichert sind. Er mache "seit Langem" darauf aufmerksam, dass der Höchstbetrag der Absicherung von 110 Millionen Euro deutlich angehoben werden müsse, erklärte der Verband. Denn ob der Betrag bei der Pleite eines Branchenschwergewichts ausreiche, sei nicht sicher.

Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) warf der Bundesregierung vor, sich bei der Kundengeldabsicherung fahrlässig verhalten zu haben. Bereits seit 2012 sei die Regierung darauf hingewiesen worden, dass die 110 Millionen Euro nicht ausreichten. Dies sei ignoriert worden. Zuletzt habe es im Februar diesen Jahres Gespräche über die Forderung nach einer höheren Absicherung gegeben.

Reaktion der Türkei

Thomas Cook ist insbesondere in Europa und anderen Ländern des Mittelmeerraums aktiv. Die wichtigsten Ziele sind die spanische Ferieninsel Mallorca und der türkische Badeort Antalya. Das türkische Tourismusministerium hat inzwischen ein Unterstützungspaket für betroffene heimische Unternehmen in Aussicht gestellt. Das Paket werde "in kürzester Zeit" verabschiedet, teilte das Ministerium in Ankara am Montag via Twitter mit. Details wurden zunächst nicht genannt.

In der Türkei seien mehr als 21.000 Reisende mit Thomas Cook UK untergekommen, hieß es weiter. Hotels dürften keine Zahlungen von Gästen verlangen oder sie dazu auffordern, ihre Zimmer zu räumen, sonst drohten ihnen gerichtliche Konsequenzen. Die Zahlungen von Reisenden, die bis 22. September eine Unterkunft gebucht hatten, seien abgesichert.

dk/mll/se/iw/nob/hb (rtr, dpa, afp, twitter)