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Reisezeit, Bettwanzenzeit

Carla Bleiker
21. August 2018

Sie sind der absolute Albtraum nach dem Urlaub: Schädlinge, die man unwissentlich im Koffer mit nach Hause bringt. Sind Bettwanzen erst einmal mitgereist, sind sie nur schwer wieder los zu werden - weiß eine Betroffene.

Bettwanze
Bild: NDR

Eines der schlimmsten Dinge an Bettwanzen - von denen bisher verschont Gebliebene nichts wissen - ist die Panik, die sie noch Jahre, nachdem man mit ihnen zu tun hatte, auslösen. Haben Sie einen Stich, der sich unwesentlich von typischen Mückenstichen unterscheidet? Das könnte ein Bettwanzenbiss sein! Oder einige Pickel, die genau nebeneinander liegen? Das könnten ebenfalls Bettwanzenbisse sein! Haben Sie ein nicht identifizierbares Insekt auf dem Boden Ihrer Wohnung gefunden? Richtig - das könnte ein Bettwanze sein!

Man wird regelrecht paranoid. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Nach einem Urlaub in Rumänien im Sommer 2016 fand ich ein paar Tage nach meiner Rückkehr kleine, extrem juckende Unebenheiten auf meiner Haut. Ein Besuch beim Arzt bestätigte meine Befürchtung: Bettwanzen.

Die Parasiten waren im frühen 20. Jahrhundert verbreitet, dann verschwanden sie für Jahrzehnte. Und nun, seit Ende der 90er Jahre, feiern Bettwanzen ein Comeback. Sie sind überall, nicht nur in schmutzigen Jugendherbergen, sondern auch in schicken Hotelsuiten, auf gebrauchten Möbeln, die man bei eBay kauft, und in dem Koffer, der im Flugzeugladeraum neben dem eigenen stand. Und von dort aus werden sie Ihre Wohnung erobern.

Vorsicht vor den Superbettwanzen

"Es gibt viele Beweise dafür, dass ihre Zahl in den letzten zehn Jahren exponentiell gestiegen ist", sagt Heather Lynch, Forscherin im Bereich soziale Arbeit an der Glasgow Caledonian University. Lynch beschäftigte sich im Rahmen eines Forschungsprojekts mit Bettwanzen. Claudia Kasig von der Schädlingsbekämpfungsfirma JamiroTec schätzt, dass ihre Zahl in den letzten zehn Jahren um 4000 bis 6000 Prozent gestiegen ist. Kein Vertipper - 4000 bis 6000 Prozent!

Lynch sagt, es gibt mehrere Gründe für das Wiederaufleben. Reisen ist erschwinglicher geworden, sodass mehr Menschen fliegen, in Hotels übernachten und so Bettwanzen verbreiten können. Die Forscherin warnt aber auch davor, dass in letzter Zeit immer mehr Bettwanzenarten gegen die zur Bekämpfung verwendeten Chemikalien immun geworden sind.

"Super-Bettwanzen" nennt Lynch die stärkeren und widerstandsfähigeren Parasiten. Super-Bettwanzen. Davon werde ich heute Nacht träumen.

Und, juckt es Sie auch schon? Dann fragen Sie sich bestimmt, wie Sie einen Bettwanzenbefall feststellen können. Die Bisse selbst, die in einer Linie drei nebeneinander liegender kleiner Wölbungen auf der Haut auftauchen, sind ein recht eindeutiges Zeichen. Aber Sie werden auch Blutstropfen und kleine schwarze Flecken auf dem Bettlaken finden. Das Blut kommt von den Bissen, die schwarzen Punkte sind die Ausscheidungen der Wanzen, nachdem sie sich an Ihnen gütlich getan haben. Klingt abstoßend, ist aber leider so.

Ziehen Sie die Laken ab und überprüfen Sie die Matratze. Heben Sie sie auch an und kontrollieren sie die Unterseite, denn hier finden Sie wahrscheinlich die ovalen, braunen Käfer, die nur wenige Millimeter lang sind.

Gefunden? Das tut mir leid. Da hilft nur eins: den Kammerjäger anrufen. Denn Bettwanzen alleine loszuwerden ist fast unmöglich. Dazu haben die Menschen in den Glasgower Mietshäusern, in denen Lynch recherchiert hat, ein oder zwei Dinge zu sagen, aber dazu kommen wir später.

"Extrem schlecht zu kriegen"

Und was genau machen die verständigten Schädlingsbekämpfer, um Ihre Wohnung von den kleinen Quälgeistern zu befreien? Nicht alle Experten versprühen großflächig Gift.

Claudia Kasig, Prokuristin bei JamiroTec Schädlingsbekämpfung, mit Wanzenspürhund Jamiro und Wanzenspürhund-in-training RamirezBild: JamiroTec

"Wir bringen Geräte mit und heizen das Haus des Kunden auf eine Temperatur zwischen 60 und 70 Grad auf", erklärt Kasig mir. Sie ist die Prokuristin bei JamiroTec, einer Schädlingsbekämpfungsfirma in Bremen. "Das bringt die Kerntemperatur der Bettwanzen auf 48 Grad. Dann stockt das Eiweiß in ihrem Inneren und sie sterben."

Ein wenig Gift kommt aber auch bei dieser Methode zum Einsatz: Es wird auf die Fluchtwege der Wanzen gestreut, damit so wenige wie möglich entkommen. JamiroTec beschäftigt außerdem Wanzenschnüfflerhund Jamiro und bildet mit dem jungen Ramirez auch schon die nächste Generation Spürnasen aus. Trotzdem stehen die Chancen schlecht, dass gleich beim ersten Versuch alle Bettwanzen vernichtet werden.

"Sie sind extrem schlecht zu kriegen. Sie verstecken sich in Steckdosen, Lichtschaltern und hinter Fußleisten. Sie sitzen in Ihrem Laptop, in der Fotokamera oder in dem dicken Buch ganz unten im Stapel", sagt Kasig. "Und sie können fast ein Jahr lang überleben, ohne Blut zu saugen." Ein Jahr.

Ein weiteres Problem: Bettwanzen nutzen all diese Verstecke unter Umständen auch, um darin Eier zu legen. Es könnte also passieren, dass monatelang Ruhe ist - und dann tauchen doch wieder überlebende oder neu geschlüpfte Tiere auf.

Ein Leben mit Bettwanzen

Der Kampf gegen das Ungeziefer ist ein kostspieliges Unterfangen. Am Ende war ich etwa 600 Euro an Kammerjägergebühren und Hotelkosten los, da man sich nicht zuhause aufhalten kann, während die Wohnung behandelt wird. Aber die einzige andere Möglichkeit, die ich sah, war, alle meine Besitztümer zu verbrennen, und ich entschied mich dagegen.

Die Bewohner des Stadtteils Govanhill in Glasgow haben einen anderen Weg gefunden, wenn auch nicht ganz freiwillig. Govanhill ist Schottlands multikulturellste Nachbarschaft, sagte mir Lynch - hier werden 64 Sprachen gesprochen. Die Gegend ist aber auch für schlechte Wohnverhältnisse und Armut bekannt.

Bettwanzen haben sich dort so stark verbreitet, dass die Bewohner nun versuchen, mit den Parasiten zu leben. Der Bezirk hat sogar eine eigene Schädlingsbekämpfungseinheit, aber die Betroffenen haben erkannt, dass die Kammerjäger nicht sehr effektiv sind, zum Beispiel, weil sie nur eine Wohnung auf einmal besprühen.

Eine Frau erzählte Lynch, dass der Kammerjäger in die Wohnung ihres Nachbarn kam, kurz nachdem sie selbst das Vergnügen hatte. Sie klebte ein Stück Stoff über den kleinen Lüftungsschacht in der gemeinsamen Wand und entfernte ihn, nachdem in der Wohnung des Nachbarn Gift gesprüht worden war. Auf dem Tuch: Jackpot - Bettwanzen. Sie waren dem Gas entkommen, indem sie durch den Schacht zurück in die Nachbarwohnung krabbelten.

Aber abgesehen von einem Mangel an Geld, um bessere Kammerjäger einzustellen oder gar wegzuziehen, haben viele Bewohner von Govanhill auch aus gesundheitlichen Gründen aufgehört, ihre Wohnungen alle sechs Monate mit Chemikalien besprühen zu lassen.

Bettwanzen sind nur schwer wieder loszuwerden. Diese hier hat sich in einer Wohnung in Govanhill heimisch gefühlt.Bild: Dr. Heather Lynch

"Sie kaufen Dampfbürsten, die sie auf die Wanzen richten, und sie haben sehr strenge Reinigungspläne - also chemiefreie Methoden, um mit den Insekten umzugehen, die für ihre Familien gesünder sind", erzählt Lynch.

Sie betont auch die Umweltapsekte. "Wenn du Geld hast, kannst du dich von einer schlimmen Bettwanzen-Situation freikaufen. Wir alle wollen dieses desinfizierte, saubere, superbequeme Leben, aber um das zu erreichen, haben wir viel Schaden angerichtet. Diese Umweltprobleme werden nicht verschwinden, daher glaube ich, dass wir von den Menschen in Govanhill lernen können. Sie sehen sich nicht als Opfer, sondern als einfallsreich und pragmatisch."

Wie man sich die Wanzen vom Leib hält

Am besten ist es, dem Bettwanzen-Albtraum von Anfang an einen Riegel vorzuschieben: Verhindern Sie, dass die Plagegeister in ihre Wohnung kommen. Wenn Sie reisen, stellen Sie Ihr Gepäck möglichst sofort nach Betreten des Zimmers in die Badewanne. Die Wanzen können die glatten Wände nicht erklimmen. Kontrollieren Sie die Matratze und das Kopfteil des Bettes auf die verräterischen schwarzen Flecken (und natürlich die Wanzen selbst). Während Ihres Aufenthaltes sollten Sie außerdem Ihre schmutzige Wäsche unter Verschluss halten und nicht im Zimmer herumliegen lassen - eine neue Studie der University of Sheffield in England hat gezeigt, dass Bettwanzen besonders vom Geruch schmutziger Wäsche angezogen werden.

Das Beste, was Sie nach Ihrer Rückkehr tun können: Das komplette Reisegepäck für 48 Stunden in die Gefriertruhe legen. Das tötet die Schädlinge. Die Kleidung, die mit im Urlaub war, bei 60 Grad zu waschen, sollte das ebenfalls tun. Doch ist das laut Kasig nicht die zuverlässigste Methode: "Die energieeffizienten Waschmaschinen heute laufen nur ein paar Minuten auf 60 Grad, da könnten einige Wanzen überleben."

Am Flughafen Frankfurt können Sie Ihr Gepäck sogar von einem Team Spürhunden auf Bettwanzen untersuchen lassen. Frankfurt ist der erste Flughafen in Deutschland, der diesen Service anbietet. Man muss sich vor seiner Reise anmelden. Kosten: Rund 100 Euro. Aber das ist immer noch wesentlich billiger als der Kampf gegen die Parasiten, sobald sie in Ihrer Wohnung sind - und es erspart Ihnen das ganze Drama und die lange nachwirkende Panik, die damit verbunden ist.

High Five: Ungewöhnliche Hotel-Souvenirs

Wenn die Gäste nach den Ferien aus ihren Hotels abreisen, haben sie oft mehr in ihren Koffern als vorher. Und nicht für alle Souvenirs haben sie bezahlt.

Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Kunst

Dass Kunst geklaut wird, ist offenbar vor allem in Luxushotels ein Problem. Sage und schreibe 34 Prozent der befragten Fünf-Sterne-Hotels haben bereits Diebstähle dieser Art erlebt. Je günstiger das Hotel, desto seltener kommen die Bilder weg. Ein Ölgemälde in der Luxussuite weckt womöglich größere Begehrlichkeiten als der Dalí-Kunstdruck im Zwei-Sterne-Zimmer.

Bild: picture-alliance/dpa/R. Hackenberg

Bettdecken

Wie groß muss wohl der Koffer sein, um darin unauffällig eine Bettdecke mitgehen zu lassen? Dennoch geben 15 Prozent aller befragten Hoteliers an, schon einmal erlebt zu haben, wie das Federbett auf wundersame Weise aus dem Zimmer verschwand, dicht gefolgt übrigens von Kissen (13 Prozent). Beides wird in höherklassigen Hotels vier Mal häufiger geklaut als in Mittelklassehotels.

Bild: picture-alliance/PhotoAlto/F. Cirou

Fernseher

Fast jedes Hotelzimmer hat einen, und auch sie wechseln immer mal wieder den Besitzer. Vor allem sehr große Häuser mit vielen Gästen kennen dieses Phänomen. In fünf Prozent der befragten Hotels ist schon mal ein Fernseher verschwunden und das, obwohl die Geräte oft kompliziert angebracht und nicht ohne weiteres zu entfernen sind. Dafür bedarf es schon einiges an krimineller Energie.

Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Matratzen

Wie klaut man eigentlich eine Hotelmatratze? Hoteliers, denen das bereits widerfahren ist, berichten von Langfingern, die nachts mit ihrem Diebesgut einfach direkt mit dem Aufzug in die Tiefgarage fuhren. Fünf Prozent der Fünf-Sterne-Hotels ist das laut Umfrage schon einmal passiert. In den Luxusherbergen sind die Matratzen schließlich besonders wertvoll und können mehrere tausend Euro kosten.

Bild: picture-alliance/Arcaid/J. Balston

Klavier

An Dreistigkeit kaum zu überbieten ist der Diebstahl, den ein italienischer Hotelier erleben musste. Das Piano in der Lobby seines Luxushotels war plötzlich verschwunden. Drei Unbekannte hatten es einfach aus dem Hotelfoyer und die Straße hinunter gerollt - auf Nimmerwiedersehen. Dieser Gipfel der Hotel-Diebstähle blieb bisher jedoch einzigartig.

Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene
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