1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Reise

Durban zwischen Altlasten und Aufbruch

Sertan Sanderson
24. Februar 2019

Südafrikas drittgrößte Stadt wird bei Touristen immer beliebter, auch weil sie ihr Schmuddel-Image abstreift. Aber erreichen die Veränderungen auch diejenigen, die es nötig haben? Sertan Sanderson berichtet aus Durban.

Südafrika Luftaufnahme Stadtstrand Durban
Bild: imago stock&people

Durban raubt einem den Atem, wortwörtlich. In der südafrikanischen Metropole am Indischen Ozean herrscht die meiste Zeit eine durchschnittliche Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent. Wer am King Shaka International Airport in Durban landet, wird erstmal von einer Wand aus Hitze und Feuchtigkeit empfangen.

Etwa 20 Prozent der Einwohner Durbans sind indischer Abstammung, das zeigt sich auch im StadtbildBild: DW/S. Sanderson

Die Anreise per Flugzeug wird immer beliebter. In den letzten Jahren sind aufgrund der großen Nachfrage neue internationale Direktverbindungen nach Durban hinzugekommen.

Die 3,5-Millionen-Stadt wurde 2015 zu einer der "New7Wonders Cities" der Welt erklärt. Danach begann eine Stadterneuerung, die der afrikanischen Metropole den größten Schub seit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika brachte.

Stadterneuerung mit Schönheitsfehlern

Trotz großzügiger Geldspritzen in den letzten Jahren scheint die Innenstadt von Durban mit ihren einzigartigen Art-Deco-Gebäuden und mehrspurigen Alleen nicht vom Boom zu profitieren. Die Altstadt ist geprägt von typischen Symptomen der Armut: Überall werden Fremde von Einheimischen angesprochen, in der Hoffnung, etwas Geld zu bekommen. Betteln und Diebstahl sind weit verbreitet. Den Touristen wird geraten, wachsam zu sein, wenn sie sich in diesem Teil der Stadt aufhalten.

Streetart in GlenwoodBild: DW/S. Sanderson

Doch es gibt viel zu entdecken: Unter den vielen Märkten Durbans ragt besonders der Victoria Street Market heraus. Von gewebten Zulu-Körben über Makoti-Kleider bis hin zu duftenden Gewürzen – es gibt immer einen Anlass zum Handeln und Verhandeln.

Hype und Hipster

Außerhalb des Stadtzentrums von Durban ist der urbane Wandel sichtbarer, zum Beispiel in den Bezirken Glenwood und Florida. Hier finden Einheimische und Touristen eine Vielzahl von Pubs, Bars, Restaurants und Cafés. Vor allem Glenwood ragt heraus: Hier treffen sich die digitalen Nomaden von Durban, hier scheinen MacBooks und Flip Flops (in Südafrika liebevoll Slip Slops genannt) Teil einer informellen Kleiderordnung zu sein. Stadterneuerung ist hier gleichbedeutend mit Gentrifizierung, vor einem Jahrzehnt noch war Glenwood bestenfalls eine Schlafstadt.

Station Drive - eins der angesagten Viertel von DurbanBild: DW/S. Sanderson

Während das regionale Tourismusbüro betont, dass es hier auch die Filiale der weltberühmten, in Seattle ansässigen Kaffeekette gibt - als ob das weitere Besucher anziehen würde - findet man im Bezirk Station Drive nicht nur guten Kaffee sondern auch weniger Hipster.

Authentizität sei das Besondere dieses Viertels, sagt Magdalene Reddy, Leiterin des örtlichen African Art Centre: "Wir präsentieren hier etwas anderes als die üblichen Angebote für Touristen", erklärt sie.

In einem ehemaligen Lagerhaus können lokale Künstler ihre Werke präsentieren und verkaufen. Reddy ergänzt, dass die Lagerhalle eigentlich keine Wunschadresse war: "Wir konnten uns unseren alten Standort nicht mehr leisten, also sind wir hierher gezogen. Aber ich denke, dass viele Besucher das Lager mögen."

Chance für Gründer

Der Kenner fragt bei Edward Papaphotis nach Gelato, nicht nach EiscremeBild: DW/S. Sanderson

Auf der anderen Straßenseite verkauft Edward Papaphotis Eis mit Zutaten von Ananas über Süßholz bis hin zu veganen Kreationen. Papaphotis sucht ständig neue Geschmacksrichtungen. Er betont, dass Durban ein guter Standort ist, um ein Unternehmen in Südafrika zu gründen: "In Kapstadt und Johannesburg hätte ich mit meiner Geschäftsidee viel mehr Unkosten und Konkurrenz. Ich bin glücklich hier, Durban ist cool."

Für die Aufbruchsstimmung in Durban sind die lokalen Initiativen ebenso wichtig wie die Investitionen der Regierung.

Tatsächlich geht der größte Teil der öffentlichen Ausgaben für die Erneuerung von Durban dorthin, wo auch die Touristen sind. Die berühmte kilometerlange Strandpromenade - vor Jahren noch ein trostlos vermüllter Ort - ist gesäubert und erneuert worden. Am südlichen Ende können Besucher in der uShaka Marine World, dem fünftgrößten Aquarium der Welt, mehr über die Welt des Indischen Ozeans erfahren.

Promenade der Widersprüche

Polizeiwache mit Geschichte: Während der Apartheid diente das Gebäude als Toilette, aber nur für WeißeBild: DW/S. Sanderson

Gleich nebenan reiht sich ein Geschäft neben das andere, jedes einzelne von Sicherheitskräften bewacht. Sie sorgen dafür, dass die Touristen nicht von hartnäckigen Bettlern behelligt werden.

Auch die kleine Polizeistation in einer ehemaligen öffentlichen Toilette in North Beach signalisiert den Besuchern, dass Durban sein altes Image einer heruntergekommenen Stadt voller Verbrechen abgeschüttelt hat. Zwar gibt es kaum noch Anzeichen für die Drogenkriminalität der Vergangenheit, aber die Gegensätze bleiben sichtbar: Fünf-Sterne-Hotels inmitten bitterer Armut.

Zungo arbeitet da, wo andere Urlaub machen, am Strand von DurbanBild: DW/S. Sanderson

Eine, die versucht, vom neuen Touristenboom zu profitieren, ist Zungo. An ihrem kleinen Stand auf der Promenade fertigt die 69-jährige Armbänder, Halsketten und Schmuck aus Perlen - eine Zulu-Tradition, die Jahrhunderte zurückreicht. An einem guten Tag, erklärt sie, verdiene sie 400 Rand, etwa 25 Euro. Manchmal übernachtet sie dort, wo sie ihren kleinen Stand aufbaut. Auf die Frage, ob das sicher ist, lächelt sie vielsagend.

Von der Stadterneuerung profitieren vor allem die Reichen. An einem guten Tag erinnert die Promenade ans nordamerikanische Atlantic City - und ans britische Blackpool an einem schlechten.

Durban lebt von den Kontrasten, davon dass die Stadt weiter wächst und sich neu erfindet. Viele Einheimische hoffen auf einen schnelleren Wandel. Vom bisherigen Fortschritt können sie kaum profitieren.

Mehr als eine Freizeitbeschäftigung - einheimische Angler in DurbanBild: DW/S. Sanderson