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Reitz: "Der Wettkampf war nicht perfekt"

Joscha Weber, Rio de Janeiro14. August 2016

Olympiagold gewonnen, dazu eine neue persönliche Bestleistung - und doch ist Christian Reitz nicht ganz zufrieden. Im Interview erklärt der deutsche Sportschütze, warum für ihn das Streben nach Perfektion dazugehört.

Olympiade Rio Schnellfeuerpistole Christian Reitz
Bild: Reuters/E. Garrido

DW: Eine schöne Goldmedaille hängt jetzt um Ihren Hals. Was war dafür nötig?

Christian Reitz: Ein sehr guter Wettkampf war dafür nötig. Das war ein super Erlebnis. Die ganze Halle hat getobt, viele Freunde und Kollegen waren da. Aber dahinter steckt noch mehr: Ich habe in unzähligen Trainingsstunden an meiner Technik gefeilt. Die jetzt hier umzusetzen, war mein Ziel. Das hat zum Glück ganz ordentlich funktioniert, im Finale habe ich dann meine persönliche Bestleistung in einem Endkampf gezeigt.

Gold gewonnen, persönliche Bestleistung - und Sie sprechen nur von einem "ganz ordentlichen" Wettkampf?

(Lacht) Ja, man sagt mir nach, dass ich ein Perfektionist bin. Zumindest beim Schießen. Das Ergebnis war schon perfekt, aber der Wettkampf eben nicht. Es hätte hier und da noch ein kleiner Ring mehr sein können. Also, das liegt an mir, so bin ich.

"Die Perfektion spornt mich an"

Verzweifeln Sie manchmal an dieser Anspruchshaltung, immer das Perfekte zu wollen?

Nein, mich spornt das sogar an. Ich brauche das. So kann ich auch nach einer erfolgreichen Serie wieder auf die nächste fokussieren. Mein Trainer sagt dazu immer: "Wer aufgehört hat besser werden zu wollen, hat aufgehört gut zu sein." Das trifft auf uns Schützen genau zu. Wir müssen uns selbst dazu bringen, perfekt zu werden, um erfolgreich zu sein.

Sie trainieren unter professionellen Bedingungen, feilen stundenlang an Ihrer Schusstechnik. Dennoch wird Ihre Sportart immer wieder belächelt. Regt Sie das auf?

Das geht ja nicht nur uns so. Auch in anderen Sportarten hört man immer wieder: "Ach, so schwer kann das ja nicht sein." Zum Beispiel beim Dart. Aber wer es selbst mal probiert hat, weiß, das ist gar nicht so einfach. Ich biete immer allen an, mal zu uns zum Training zu kommen und es einfach mal auszuprobieren. Da merken die meisten, dass Schießen kein leichter Sport ist, auch wenn es nicht so spannend aussieht.

Höchstkonzentration im Wettkampf, denn "Schießen ist kein leichter Sport"Bild: Reuters/E. Garrido

"Wir haben in Deutschland sehr gute Trainer"

Sie haben mal gesagt, dass Ihr Puls im Wettkampf bis zu 150 Schläge beträgt. Wie anstrengend ist der Schießsport wirklich?

Die körperliche Anstrengung ist nicht so groß. Da können wir uns nicht Leichtathleten oder Gewichthebern vergleichen. Aber bei uns ist die Anstrengung im mentalen Bereich sehr groß. Du musst über den gesamten Wettkampf hochkonzentriert sein, um das Bestmögliche zu erreichen. Diese innere Spannung bis zum Ende des Wettkampfes durchzuhalten, ist das Entscheidende.

Aber Sie trainieren auch körperlich, gehen nebenbei regelmäßig klettern. Wozu brauchen Sie das?

Im Schießen braucht man eine gute Grundfitness. Mit einem fitten Körper ist es im Wettkampf leichter, auch für den Kopf. Das Bouldern in der Kletterhalle hilft mir meine Grundspannung zu finden und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. Da geht aber jeder seinen eigenen Weg.

"Wir leben keine Gewaltgelüste aus"

Abgesehen von den enttäuschenden Spielen 2012 in London sind deutsche Sportschützen eigentlich immer Weltspitze. Warum wird in Deutschland so gut geschossen?

Eine gute Frage. Ich glaube, wir haben in Deutschland sehr gute Trainer, die sehr gut ausbilden. Es gibt sehr gute Ausbildungskonzepte, die Qualität ist sehr hoch. Das ist in anderen Ländern nicht immer so. Wenn ich mich am Schießstand umsehe, sehe ich sehr unterschiedliche Techniken. Zum Teil kommen da viele Sportler nur über eine immense Anzahl an Trainingsschüssen. Wir setzen da eher auf weniger Schüsse und qualitatives Feedback.

Pädagogen rümpfen beim Sportschießen die Nase. Sie werden schnell in die Ecke der Waffennarren gestellt.

Ich finde es schade, dass wir da einfach über einen Kamm geschoren werden. Das negative Klischee existiert und wird leider immer wieder von den Medien aufgegriffen. Das Erste, was wir lernen, ist der verantwortungsvolle Umgang mit der Waffe und Disziplin. Wir leben keine Gewaltgelüste aus, sondern machen einfach nur unseren Sport. Die Waffe ist für uns nur ein Sportgerät.

Christian Reitz, geboren 1987 in der damaligen DDR, war schon bei den Junioren ein erfolgreicher Schütze, wurde Welt- und Europameister in der Nachwuchsklasse. Parallel machte er eine Ausbildung zum Polizeioberkommissar. Dieser Beruf ermöglicht ihm dank der Sportfördergruppe der hessischen Bereitschaftspolizei Trainingsbedingungen wie bei einem Profi. Insbesondere im Olympiajahr kann er sich auf den Schießsport konzentrieren. In Rio gelang Reitz mit Gold an der Schnellfeuerpistole sein bisher größter Erfolg. Bei der WM 2014 war in dieser Disziplin noch Sechster geworden.

Das Interview führte Joscha Weber.

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