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Rekord-Börsengang

Ranty Islam24. Oktober 2006

Die Industrial and Commercial Bank of China geht an die Börse. Die Erstausgabe verspricht die größte aller Zeiten zu werden. Anleger reißen sich um die Papiere.

Der Hauptsitz der Industrial and Commercial Bank of China in Schanghai
Der Hauptsitz der Industrial and Commercial Bank of China in SchanghaiBild: AP

China nimmt dem Rest der Welt, insbesondere den USA, einen Rekord nach dem anderen ab. Das bevölkerungsreichste Land der Erde konsumiert weltweit am meisten Getreide und Fleisch und verbraucht mehr Kohle und Stahl als alle anderen. Das Land sitzt auf ausländischen Geldreserven im Wert von beinahe eine Billion Dollar und die Wirtschaft wächst seit 1990 um durchschnittlich zehn Prozent im Jahr.

Am Freitag (27.10.) soll ein weiterer Rekord dazu kommen. Im größten Börsengang aller Zeiten platziert die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) knapp 15 Prozent ihrer Aktien an den Handelsplätzen in Hongkong und Schanghai und hofft auf Einnahmen von 21,9 Milliarden Dollar. Wegen der großen Nachfrage hat die Bank den Ausgabepreis mit 3,07 Hongkong-Dollar pro Aktie am obersten Ende der Preisspanne festgelegt. Das Unternehmen ist der größte Kreditgeber in China und würde mit dem Börsengang über Nacht zur weltweit siebtgrößten Bank.

ICBC-Anteile sind schon vor einigen Monaten direkt an ausländische Investoren gegangen. So hatten sich der Münchner Allianz-Konzern, die Investmentbank Goldman Sachs und American Express für 3,8 Milliarden Dollar ein Zehntel der ICBC-Anteile gesichert. Unter den institutionellen Anlegern, die sich am ICBC-Börsengang beteiligen wollen, sind unter anderem die Investmentgesellschaften der Regierungen von Kuwait, Katar und Singapur.

Große Nachfrage nach "Pleitebanken"

Darüber hinaus richte sich der Börsengang an Kleinanleger in Chinas wachsender Mittelschicht, sagt Hanns Günther Hilpert, Ostasienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Den Aktienkauf halten Viele mittlerweile für eine bessere Anlageform als Sparen." Es habe auch einen Ansturm auf den Immobilienmarkt gegeben, so Hilpert. "Abgesehen davon bleiben dort nicht viele Alternativen."

Vor ICBC hatten in diesem Jahr bereits zwei chinesische Banken ihr Börsendebüt gefeiert. Auch hier rissen sich Anleger um die Aktien. Der Bank of China IPO im Mai diesen Jahres spülte 11,2 Milliarden in die Unternehmenskasse. Im vergangenen Jahr hatte bereits die China Construction Bank für 9,2 Milliarden Dollar Aktien aufs Parkett geworfen.

Der Wunsch, einen Fuß in der Tür zu einem der größten Märkte der Welt zu haben, lässt viele Anleger offenbar darüber hinwegsehen, dass die zugrunde liegende wirtschaftliche Situation der Banken zumeist alles andere als rosig ist. Viele Banken wären nach westlichen Standards pleite, sagt Jörg Rudolph, vom Ostasieninstitut der Fachhochschule Ludwigshafen. "Banken in China haben viele Jahre nicht als Banken in unserem Sinne gearbeitet, sondern als staatliche Geldverteilungsstellen", sagt Rudolph. Kredite seien an Unternehmen gegangen, die sie nie zurückzahlen könnten. "Die Banken sitzen auf Bergen fauler Kredite – möglicherweise bis zu 500 Milliarden Dollar." Die Korruption auf allen Ebenen des Sektors sollte zusätzlich zur Vorsicht mahnen.

Staat privatisiert seinen Einfluss

Die Börsengänge sind Teil der Privatisierung des Bankensektors, mit der die Regierung Auflagen der Welthandelsorganisation (WTO) erfüllt – im Gegenzug für die Aufnahme Chinas in die WTO. Mit den Börsenstarts versuche der Staat aber auch, seine nun privatisierten Unternehmen in eine starke Ausgangslage zu bringen, bevor sie sich dem internationalen Wettbewerb stellen müssten, sagt Hilpert. Die Regierung wird die direkte Kontrolle über den Markt zwar immer mehr zurückschrauben müssen, doch "selbst in den privatisierten Staatsunternehmen behält der Staat immer noch Anteile – und Einfluss", sagt Hilpert. "Im Bankensektor bleibt ihm damit die Möglichkeit, die Vergabe großer Kredite aber auch die Industriepolitik im weiteren Sinne zu beeinflussen."

Ein Nebeneffekt der Börsengala in China ist die Aufwertung der Handelsplätze, allen voran die Börse von Hongkong. "China ist ein Kapitalexporteur. Unternehmen die sich billig refinanzieren wollten, tun es hier", sagt Hilpert. Diesem Lockruf folgen auch internationale Firmen. Verschärfte Anforderungen der Börsenaufsicht in den USA – die im Zuge riesiger Unternehmenspleiten aufgestellt wurden – treiben viele Unternehmen für ihre Aktien-Erstausgaben an Börsen in Europa oder Asien. Chinesische Handelsplätze jenseits von Hongkong scheinen für ausländische IPOs dagegen nicht zuletzt wegen mangelnder Transparenz und dem Einfluss der Regierung weniger interessant. "Hongkong ist mittlerweile die größte Emissionsbörse der Welt", sagt Rudolph. "Die Börse von Schanghai ist dagegen nur ein Spielcasino."

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