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Renaissance der Atomkraft in Italien

Das Interview führte Andreas Noll25. Februar 2009

Silvio Berlusconi will den Wiedereinstieg in die Atomkraft. Seine Landsleute hatten sich zwar dagegen entschieden. Dennoch unterzeichnete der Regierungschef ein Abkommen mit Frankreich, das die Technik liefern soll.

Symbolbild Atomkraft (Foto: AP-Grafik)
Atomkraft wieder in ItalienBild: AP Graphics

Bis 2020 soll der erste neue Reaktor ans Netz gehen. DW-WORLD.DE spricht mit der italienischen Journalistin Octavia Brugger über Berlusconis Alleingang.

Die italienische Journalistin Oktavia BruggerBild: picture-alliance / dpa

DW-WORLD.DE: Italien hat vor Jahren per Volksentscheid die Atomkraft verboten – wie kann sich Regierungschef Berlusconi jetzt über dieses Verbot hinwegsetzen?

Octavia Brugger: Der Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat sich auch früher schon über Verbote hinweggesetzt. Bisher gibt es beim Thema Atomenergie ja auch nur ein Dekret der Regierung, das besagt, dass Italien wieder in die Atomenergie einsteigen soll. Dieses Dekret ist vom Parlament noch gar nicht diskutiert und beschlossen worden.

Silvio Berlusconi hat den Vertrag mit Frankreich schon unterzeichnetBild: AP

Aber Berlusconi hat auf jeden Fall schon einen Schritt mehr gemacht, als er dürfte. Eigentlich müsste er zunächst abwarten, was das Parlament dazu sagt, ob Italien tatsächlich zur Atomenergie zurückkehren soll. Dazu kommt natürlich auch, dass die Italiener ja selbst in einer Volksabstimmung gesagt haben, dass sie keine Atomenergie mehr wollen. Das ist eigentlich ein Verfassungsbruch und das muss Berlusconi auch alles erst klären.

Aber man ist in Italien ja gewohnt, dass es der Ministerpräsident mit der Verfassung und dem Parlament nicht so ernst nimmt. Man sagt ihm nach, er finde, das seien eher Störfaktoren, er möchte alles selbst entscheiden. Und insofern ist diese eigenmächtige Entscheidung, dass die Atomenergie nach Italien zurückkehren soll, ganz typisch für Berlusconi würde ich sagen.

Wie groß sind denn die Chancen, dass er damit durchkommt?

Ich glaube, die sind extrem groß. Die Voraussetzung ist natürlich, dass er weiter an der Macht bleibt. Aber wenn man sich das italienische Parlament ansieht – es gibt ja keine grüne Fraktion mehr im Parlament. Die extreme Linke gibt es auch nicht mehr und da hat Berlusconi große Chancen, diese Legislaturperiode durch zu machen. Das sind weitere dreieinhalb Jahre, er wird für diese Rückkehr zur Atomenergie den Grundstein legen. Und was dann kommt, das muss man natürlich erst sehen. Aber gerade wegen des desolaten Zustands der italienischen Opposition, kann Berlusconi eigentlich durchmarschieren.

Und was sagt die Bevölkerung zu diesem Politikschwenk?

Das werden die Meinungsumfragen erst zeigen. Normalerweise, bis vielleicht vor zwei Jahren, konnte man davon ausgehen, dass 60 Prozent der Italiener absolut gegen einen Wiedereinstieg in die Atomenergie sind. Viele Italiener fragen sich, weshalb nicht mehr in Wind- und Sonnenenergie investiert wird, wo von beidem doch genug vorhanden ist.

Wieso haben wir keine EU-Fördergelder benutzt, um daraus Energie zu gewinnen? Aber das sind Fragen, auf die es eigentlich keine Antwort gibt – vielleicht nur eine: die Sonne bezahlt keine Schmiergelder. Aber die großen Energiekonzerne schon, denn in Italien gibt es Verflechtungen zwischen den großen Energiekonzernen und der Regierung. Zudem ist es altbekannt – es hat Skandale und Verurteilungen gegeben – dass die Korruptionsquoten im Energiesektor extrem hoch sind und viele Schmiergelder fließen.

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