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Politik

"Wir dürfen die Länder vor unserer Haustür nicht vergessen."

26. April 2021

Derzeit berät der EU-Ausschuss im Bundestag über einen Antrag der FDP zu Westbalkan. Die Liberalen fordern von der Bundesregierung mehr Engagement auf dem Balkan. FDP-Balkan-Expertin Renata Alt erklärt, warum.

Bundestag Renata Alt FDP
Renata Alt (FDP), MdB und Vize-Vorsitzende der Deutsch-Südosteuropäischen Parlamentariergruppe im BundestagBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Deutsche Welle: Die FDP-Bundestagsfraktion hat einen Antrag zum westlichen Balkan gestellt. Sie möchte, dass die Länder dort eine "engagierte" und "realistische" EU-Perspektive anbietet. Was bedeutet das konkret?

Renata Alt: Es ist mir unglaublich wichtig, dass unsere Aufmerksamkeit intensiv auf den westlichen Balkan gerichtet ist. Wir sind immer auf dem neuesten Stand, wenn es um europäische und internationale Politik geht, wenn es um Russland, die Ukraine und Syrien geht. Genauso wichtig ist es aber auch, dass wir die Länder vor unserer Haustür nicht vergessen.

Diese Länder haben sich bereit erklärt, eines Tages der Europäischen Union beizutreten, und sich zur Umsetzung von Reformen verpflichtet. Wir sollten diesen Prozess überwachen und ihn engagiert unterstützen. Wir sollten jedoch nicht zu blauäugig sein. Die EU muss auch aufnahmefähig werden, damit die Perspektive realistisch bleibt.

Worin unterscheidet sich Ihr Antrag von der aktuellen Politik der Bundesregierung?

Ich habe das Gefühl, dass sich in letzter Zeit die Reformen in den Westbalkanländern verlangsamt haben. Ich bin auch überrascht, dass die Entwicklung der Infrastruktur auf dem westlichen Balkan zu einem großen Maße China überlassen wurde.

Die staatliche "China Road and Bridge Corporation" (CRBC) baut diese Autobahnbrücke in MontenegroBild: Savo Prelevic/APF/Getty Images

Zum Beispiel, die Autobahnen. Sie sind nützlich, aber zu welchem Preis? 21 Millionen Euro pro Kilometer, wie in Montenegro? Und jetzt hat das Land plötzlich festgestellt, dass es nicht zahlungsfähig ist und möchte, dass die EU einspringt. Dies kann den EU-Bürgern gerade in Zeiten der Pandemie nicht erklärt werden.

Andererseits liegt es in unserem Interesse, die Länder des Westbalkan auch wirtschaftlich zu unterstützen, da sie sonst völlig von China abhängig werden. China könnte dann Flughäfen, Häfen und wichtige Infrastrukturprojekte für sich beanspruchen. Das kann nicht im europäischen Interesse sein.

Was schlagen Sie dagegen vor?

Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit und Kontrolle über den Einsatz finanzieller Ressourcen. Die EU-Finanzierung sollte wirklich öfter und intensiver überprüft werden, damit das Geld nicht in irgendwelchen Kanälen verschwindet.

Bundesaußenminister Heiko Maas war gerade in Serbien und Kosovo. Wie bewerten Sie seinen Besuch vor Ort?

Ich begrüße den Besuch von Bundesaußenminister Maas - aber er wäre schon letztes Jahr wichtig gewesen. In Serbien wurde besonders deutlich, wie unglaublich gut es China gelungen ist, seine eigene Unterstützung zu vermarkten. So haben viele geglaubt, dass China die größte Hilfe in der Pandemie geleistet habe.

Bundesaußenminister Heiko Maas in der serbischen Hauptstadt Belgrad am 23.04.2021Bild: Felix Zahn/photothek.net/imago images

Das stimmt aber nicht: Die größte Hilfe leisteten die USA, gefolgt von Deutschland. Aber die Menschen vor Ort haben einen anderen Eindruck - denn anders als Russland und China ist aus Deutschland dort kein Minister hingeflogen, um die Hilfe persönlich zu übergeben.

Die EU-Perspektive bleibt immer noch relativ fern und gekoppelt mit der Lösung der Konflikte innerhalb der Region. Derzeit sind neue Grenzzeichnungspläne im Umlauf. Kennen Sie das sogenannte "Non-Paper"?

Ich kenne es nur aus der Presse. Aber es erinnerte mich sofort an Tschechien und die Slowakei, die 1991 noch Tschechoslowakei hießen. 1991 unterzeichnete das Land das Assoziierungsabkommen mit der EU und wollte der EU als ein Land beitreten. Dann trennten sich die Länder, bauten Grenzen und Zöllen ein, die sie dann nach dem EU-Beitritt abschafften.

Ich würde den Ländern des westlichen Balkans empfehlen, Konflikte, einschließlich bestehender ethnischer Konflikte, so schnell wie möglich zu lösen. Und ich denke, dass jetzt mit dem US-Präsidenten Joe Biden, der ein exzellenter Balkankenner ist, ein guter Moment gekommen ist.

Das war auch ein Ziel unseres Antrags: Es ist wichtig zu signalisieren, dass wir gemeinsam mit der amerikanischen Regierung die Entwicklungen auf dem westlichen Balkan unterstützen und mitgestalten möchten.