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Renten in Europa - Wie lange müssen wir arbeiten?

Dirk Kaufmann
27. Mai 2025

In Dänemark soll länger gearbeitet werden: Ab 2040 sollen die Dänen erst mit 70 Jahren in Rente gehen. Obwohl die verschiedenen Rentenkonzepte in Europa schlecht vergleichbar sind, fürchten manche einen neuen Trend.

Arbeiten im Alter - ein älterer Man mit grauem Haarkranz und leuchtend gelben Pullover arbeitet in einer Elektronik-Werkstatt
Auch um Altersarmut zu vermeiden, arbeiten immer mehr Rentner trotz Rentenbezugs weiterBild: Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotop/picture alliance

Geht ein Erwerbsleben dem Ende zu, stehen viele Noch-Erwerbstätige und Bald-Ruheständler vor der Frage: Reicht die Rente? Kann ich mir einen Ruhestand überhaupt leisten oder muss doch noch weiterarbeiten? Droht die Altersarmut? In Dänemark will man das Problem mit einer nicht gerade originellen Maßnahme begegnen, die Widerspruch geradezu herausfordert.

Das Parlament in Kopenhagen verabschiedete ein Gesetz zur Anhebung des Rentenantrittsalters. 81 Angeordnete stimmten dafür, 21 dagegen. Das neue Gesetz legt den Rentenbeginn für alle nach dem 31. Dezember 1970 geborenen Bürger auf 70 Jahre fest. Derzeit liegt er in Dänemark bei 67 Jahren.

Bis 2030 soll das Pensionseintrittsalter auf 68 Jahre steigen, 2035 soll es 69 Jahre betragen. Die 47-jährige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte im vergangenen Jahr erklärt, sie sei bereit, das System zu überprüfen, sobald das offizielle Renteneintrittsalter 70 Jahre erreicht habe.

Man sieht im internationalen Vergleich, wie unterschiedlich der Renteneintritt geregelt ist. Bemerkenswert ist, dass in manchen Ländern die Menschen sogar länger arbeiten, als sie es müssten.

Modell für Deutschland?

Die neue Bundesregierung in Berlin ist derzeit noch in einer "Findungsphase" - viele Details sind noch offen. "Wir haben in den Koalitionsvertrag viele richtige Dinge aufgeschrieben", lobte Bundeskanzler Friedrich Merz sich und die Seinen auf einem Landesparteitag der CDU in Stuttgart.

So ist auch die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme nicht geklärt. Aber: "So wie es heute ist, kann es allenfalls noch für ein paar wenige Jahre bleiben", so der Kanzler. Jetzt gehe es um eine grundlegende Reform der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Wenn es an die Renten geht, sind Proteste gewiss: Hier im Januar in Brüssel gegen die "Rente mit 67"Bild: Yves Herman/REUTERS

Das dänische Modell hatte vor rund einer Woche bereits der frühere Regierungsberater Bernd Raffelhüschen ins Gespräch gebracht: "Wir sollten das Rentenzugangsalter sehr schnell auf 70 erhöhen, damit wir mindestens von den geburtenstarken Jahrgängen noch einige erwischen", sagte er der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Bis 2035 würden jedes Jahr eine Million Bundesbürger aus dem Erwerbsleben ausscheiden, was die Rentenbeiträge für Jüngere steigen lasse.

Beveridge versus Bismarck

Bei der Finanzierung von Rentensystemen gibt es zwei Schulen, die mit den Namen ihrer Theoretiker oder Initiatoren benannt werden: Die Sozialgesetzgebung von Reichskanzler Otto von Bismarck aus dem neunzehnten Jahrhundert und das Beveridge-Modell, das in den 1940er Jahren formuliert wurde.

Dieses Modell ist ein Fürsorgesystem, das die gesamte Bevölkerung absichert und aus Steuermitteln finanziert wird. Es basiert auf den Berechnungen des britischen Ökonomen William Henry Beveridge, der damals zur liberalen Fraktion im britischen Parlament gehörte.

Bismarck, der "Eiserne Kanzler", hatte, um den Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, Sozialgesetze verabschiedetBild: Portrait, Otto von Bismarck, Fürst von Bismarck, Holzschnitt, Reichskanzler

Demgegenüber steht das Bismacksche Modell, das als Versicherungssystem eine Kasse vorsieht, in die Arbeiter und Arbeitgeber einzahlen. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um ein Umlagemodell, in dem die arbeitende Bevölkerung mit ihren Beiträgen die Renten der nicht mehr berufstätigen Mitbürger finanzieren.

Ein Vergleich der Rentensysteme in Europa ist nur sehr eingeschränkt möglich, da in mehreren Ländern eine Mischung aus Bismarck- und Beveridge-Modell existiert. Zudem unterscheiden sich die mitunter sehr komplizierten Details von Land zu Land.

Der demografische Pferdefuß

Beim in Deutschland angewendeten Bismarckschen Prinzip gibt es einen Pferdefuß, der immer deutlicher zutage tritt: die Überalterung der Gesellschaft. Es gibt immer mehr Rentenempfänger und immer weniger Beitragszahler - das sind Menschen, die einem sozialversicherungspflichtigen Beruf nachgehen. Außerdem leben die Beitragsempfänger wegen der gestiegenen statistischen Lebenserwartung länger - beziehen also mehr Rente.

Das hat zur Folge, dass die umlagefinanzierten Rentenkassen immer stärker belastet werden. Die Konsequenz ist, dass entweder die Beiträge immer weiter steigen müssen (s.o.) oder die Renten nicht mehr steigen können, um die Inflation auszugleichen. Oder, dass das Rentenniveau insgesamt sinkt.

Manche wollen länger arbeiten

Ein kürzeres Berufsleben und ein früherer Eintritt in das Rentnerdasein sind natürlich verlockend. Man kann aufhören, bevor der Körper den Anforderungen nicht mehr gewachsen ist. Man kann im "letzten Lebensdrittel" eine sinnvolle und individuell erfüllende Tätigkeit aufnehmen oder schlicht mehr Zeit mit der Familie verbringen.

Aber auch ökonomisch ist das durchaus segensreich: Menschen mit mehr Zeit haben auch mehr Gelegenheit, Geld auszugeben. Vorausgesetzt, die Rente gibt das her. Es könnte so der private Konsum gefördert werden, was wieder der Konjunktur zugute käme.

Nun, wer so fit ist, sollte auch, wenn er es denn will, länger arbeiten dürfenBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Doch länger zu arbeiten kann auch Vorteile haben: Viele Menschen fühlen sich auch mit Mitte 60 noch fit und machen ihre Arbeit gern. Sie möchten ihre Erfahrungen weitergeben und auch weiterhin mit jüngeren Menschen in Kontakt bleiben. Und Arbeitgeber profitieren, wenn angelerntes Wissen und erworbene Routinen nicht verloren gehen. Außerdem könnte das dem Fachkräftemangel wenigstens ein wenig entgegenwirken.

Mal früher, mal später

Der Blick auf die zuerst gezeigte Statistik offenbart, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter nur in ganz wenigen Fällen auch dem tatsächlichen Ende der Berufstätigkeit entspricht: In den meisten Fällen gehen die Menschen früher in Rente. Sei es, weil ihr Körper einfach nicht mehr mitmachen will oder, besonders in kreativen Berufen, weil sie ausgebrannt sind.

Irgendwann muss Schluss sein mit der Arbeit. Hat man da nicht eine auskömmliche Rente verdient?Bild: Sebastian Kahnert/dpa ZB/picture alliance

In einigen wenigen Fällen arbeiten die Menschen auch über das Renteneintrittsalter hinaus - zum Beispiel in Neuseeland oder Japan, aber auch in Schweden oder Griechenland. Ob sie es aus freien Stücken tun? Die Gründe dafür sind wohl teilweise so privater Natur, dass sie sich innerhalb einer statistischen Erhebung nicht darstellen lassen.

Gesellschaftlicher Spagat

Es gibt jedoch Rahmenbedingungen, die sich verändern lassen. Da ist zum Beispiel die Bruttoersatzquote, die Höhe der Rente im Verhältnis zur Höhe des letzten Arbeitslohns. Ist dieser Abstand zu groß, kann es sich mancher Arbeitnehmer kaum leisten, in Rente zu gehen.

Wenn der Unterschied vom letzten Brutto zur Rente zu groß ist, dann zählt für Rentner jeder CentBild: SvenSimon/picture alliance

Das Gespenst der Altersarmut ließe sich vertreiben, wenn das Rentenniveau so angepasst würde, dass es nach einem langen Berufsleben zu einer auskömmlichen Rente reicht. Doch das kostet viel Geld, das in der Rentenkasse nicht vorhanden ist. Auf der anderen Seite darf die monatliche Belastung der Beitragszahler nicht immer weiter steigen, weil das ihre Möglichkeiten zunichte machen würde, auch privat für eine Altersversorgung zu sparen.

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