Rentierzucht und samische Kultur
17. September 2009Den meisten Menschen sind sie als Lappen bekannt. Doch die Samen selbst empfinden diese Bezeichnung als beleidigend. Ihre Kultur und Geschichte kennen die wenigsten Euopäer.
Ein ganz traditionelles Leben in der Wildnis mit einer Rentierzucht führen heutzutage ganz wenige Samen. Beinahe 95 Prozent von ihnen sind längst in das normale Leben eingebunden. Ihre traditionsreiche Lebensweise änderte sich vor mehreren Jahrzehnten und hatte einschneidende Konsequenzen für die Ureinwohner des Landes.
Verlust samischer Traditionen
Auf ihrem Weg zu größerem Wohlstand ist vieles verloren gegangen, sogar die eigene Sprache - das Samische. Trond Trosterud, Sprachwissenschaftler an der Universität in Tromsö: "Tromsö war samisch. Im Küstengebiet von Tromsö überlebte das Samische bis 1920. Das ursprüngliche Samisch ist hier heutzutage marginal. Es wird nur noch an der Universität gesprochen." In Norwegen galten eine lange Zeit strenge Regeln für die Sprachbenutzung. In den Gebieten mit samischer Bevölkerungsmehrheit hatten die Lehrer unter anderem darauf zu achten, dass die Sprache der Samen möglichst wenig gesprochen wird.
Grund für die Anordnungen waren politische Sichtweisen. "Es hatte mit der Politik der norwegischen Sozialdemokratischen Regierung nach dem 2. Weltkrieg zu tun, als ein umfassendes Konzept des Wohlfahrtstaates ins Leben gerufen wurde", sagt Tesje Brantenberg, außerordentlicher Professor für Ethnografie am Museum in Tromsö. Über ein halbes Jahrhundert bis in die 60er und 70er Jahre wurden diese Regelungen angesetzt. "Im zukünftigen Norwegen sollte für die Verschiedenartigkeit kein Platz mehr sein", fügt Brantenberg hinzu.
Fatale Folgen durch "Norwegisierung"
Die Frage nach der samischen Identität galt als vollständig irrelevant. "Norweger zu sein war das Gebot der Stunde. Viele samischen Eltern verzichteten unter dem Druck darauf, mit ihren Kindern samisch zu sprechen. Sprachwissenschaftler Trosterud nennt die fatalen Folgen dieser Norwegisierungspolitik: "Alle Samen, die vor etwa 1980 geboren wurden, sind samische Analphabeten".
Dabei sollte es aber nicht bleiben. Die entstandene Situation löste einen Generationenkonflikt aus. Trond Trosterud sagt: "Diese Kinder sind heute erwachsen und sagen: 'Ich will ein Same sein, aber ich kann nicht. Meine Großeltern sprechen Samisch, meine Eltern verstehen Samisch, ich aber gar nicht.' Die Eltern hingegen denken verbittert: 'Wir haben alles geopfert, sind gute Norweger geworden, aber unsere Kinder freuen sich nicht darüber'."
Trendwende: Samische Identität wird gepflegt
Schon im Laufe der 70er und 80er Jahre setzte ein neuer Trend ein. Die jungen Samen wollten alles zurück haben, was sie verloren hatten. dazu gehören auch alte Kulturmerkmale, wie Ortsnamen und Trachten oder auch politische und gesellschaftliche Organisationen, Radio und Fernsehsendungen und nicht zuletzt auch eigene Schulen. 1990 ging ihr Traum in Erfüllung. In Kautokeino in Finnmark, einem noch erhalten gebliebenem Zentrum der Samen, wurde "Sami Allaskuvla", also die samische Hochschule eröffnet.
In Tromsö gibt es mittlerweile auch eine Grundschule, wo Kinder neben Norwegisch auch in Samisch unterrichtet werden. Eine samische Mutter ist sehr zufrieden mit der Situation: "Jetzt ist es viel besser. Früher waren unsere Kinder in der ganzen Stadt verstreut und hatten kaum Kontakt zu anderen samischen Kindern. Hier sind sie in kleinen Klassen mit je sechs, sieben Schülern untergebracht, auch wenn sie das ein bisschen isoliert von den norwegischen Klassen." Zwei neunjährige Schülerinnen sind stolz auf ihre Herkunft. Zu Hause sprechen sie Samisch oder Samisch und Norwegisch. Sie fühlen sich beide sowohl als Sami als auch als Norwegerin.