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Renzis Wutausbruch auf dem EU-Gipfel

26. Juni 2015

Italiens Ministerpräsident ist richtig wütend. "Ihr verdient es nicht, Europa genannt zu werden" - sagte er beim EU-Gipfel. Anchließend gab es einen laschen Konpromiss - was die Verteilung der 60.000 Flüchtlinge angeht.

Afghanische Migranten stranden an einem Strand der griechischen Insel Kose (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Tzortzinis

Es waren harsche Worte, mit denen der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi seiner Wut in Brüssel Luft machte: "Wenn ihr nicht mit der Zahl von 40.000 einverstanden seid, dann verdient ihr es nicht, Europa genannt zu werden", sagte er nach Angaben eines Gipfel-Teilnehmers, und weiter: "Wenn das eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr es für euch behalten. Entweder gibt es Solidarität - oder verschwendet nicht unsere Zeit".

Es geht um den Vorschlag der EU-Kommission für die Einführung einer verbindlichen Quote, nach der 40.000 Flüchtlinge auf alle EU-Länder verteilt werden sollen. Länder wie Italien und Griechenland, wo die meisten Flüchtlinge erstmals die EU betreten, wollen entlastet werden. Viele osteuropäische EU-Staaten und auch Großbritannien aber wehren sich gegen bindende Quoten.

Die größten Flüchtlingsrouten nach Europa (Stand Mai 2015)

Verteilung der Flüchtlinge nur auf freiwilliger Basis

Nach dem sogenannten Dublin-System müssten eigentlich Italien und Griechenland alle diese Asylverfahren selbst abwickeln. Das finden sie ungerecht. Auch andere Staaten, von denen einige bereits viele Flüchtlinge aufgenommen haben, fordern eine Verteilung über die ganze EU. Darunter sind etwa Deutschland, Österreich und Schweden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in Brüssel vor erheblichen Spannungen in der EU gewarnt, wenn die Frage nicht geklärt werde.

Am frühen Freitagmorgen gab es dann tatsächlich eine Klärung - aber sicher nicht in Renzis Sinne: Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich auf die Umverteilung von 60.000 Flüchtlingen - allerdings nur auf freiwilliger Basis. Die Migranten sollten aus den stark belasteten Ländern Italien und Griechenland in den kommenden beiden Jahren auf andere EU-Staaten verteilt werden, teilte Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel mit. Die EU-Innenminister würden dazu bis Ende Juli die Details festlegen. Darüber hinaus sollten weitere 20.000 Flüchtlinge von außerhalb der EU Aufnahme finden, etwa aus Flüchtlingslagern rund um Syrien.

Dem italienischen Premier Renzi platzte der KragenBild: Reuters

Ärger über Ungarns Aufnahme-Verweigerung

Für Ärger sorgt derzeit auch das Verhalten Ungarns. Dessen rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orban schrieb in einem Brief an EU-Kommission und -Parlament, Ungarn wünsche, dass Flüchtlinge in jene Länder abgeschoben werden, wo sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Orbans Kanzleichef Janos Lazar teilte mit, nach neuesten Informationen wollten andere EU-Staaten fast 16.000 Flüchtlinge nach Ungarn abschieben. "Vermutlich" seien all diese Menschen aber zuerst über Griechenland in das EU-Gebiet eingereist, deshalb müsse man sie auch dorthin abschieben, und nicht nach Ungarn, erklärte Lazar weiter.

"EU ignoriert Flüchtlingsrouten über den Balkan"

Ungarns Weigerung, aus anderen EU-Staaten abgeschobene Flüchtlinge aufzunehmen, war in Brüssel und von der deutschen Bundesregierung heftig kritisiert worden. Dem entgegnete Ungarns Außenminister Peter Szijjarto in einem Interview im ungarischen Fernsehen, die EU ignoriere Hinweise auf die stark genutzte Flüchtlingsroute über den Balkan, auf der Ungarn liegt.

Stattdessen habe Brüssel sich zuletzt vor allem um die Situation an den Mittelmeerküsten gekümmert. Dies sei "inakzeptabel und unverständlich". Ungarn verlange Solidarität und bitte um Geduld, weil die Aufnahmekapazitäten derzeit nicht ausreichten.

Schengen-Abkommen in Gefahr?

Generell sorgt man sich in der EU angesichts der aktuellen Flüchtlingsfragen derzeit um das Schengen-System des grenzkontrollfreien Personenverkehrs. Dieses könnte gefährdet sein, befürchten viele, dann nämlich, wenn einzelne Staaten ungeliebte Flüchtlinge ihren Nachbarn zuschieben oder deren Weiterreise zumindest zulassen.

Bereits heute rufen einzelne Parteien in manchen Ländern danach, Kontrollen wieder einzuführen, zum Beispiel die Dänische Volkspartei, die mit ihrem ausländerfeindlichen Programm bei der jüngsten Wahl die zweitmeisten Stimmen erhalten hat. Auch die französische Polizei hatte jüngst afrikanische Flüchtlinge an der gemeinsamen Grenze mit Italien an einer Weiterreise durch Frankreich gehindert.

cw/sti (rtr, afp, dpa)

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