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Politik

"Reporter mit allen Mitteln bekämpfen"

12. Januar 2021

Donald Trumps andauernde Hasstiraden haben dazu geführt, dass Reporter mittlerweile massiv bedroht werden, sagt DW-Washington-Korrespondentin Ines Pohl. Ein persönlicher Blick auf die Ereignisse der letzten Jahre.

Washington Zerstörtes Journalisten-Equipment nach Kapitol-Sturm
Bild: Ines Pohl/DW

Wenn ein Spitzenpolitiker wie Donald Trump seinen Erfolg überwiegend auf Lügen baut, ist es wenig erstaunlich, dass er jene zu Feinden erklärt, die dafür arbeiten, das Lügengebäude zum Einsturz zu bringen. Kein Wunder also, dass Donald Trump unabhängige Medien zum Staatsfeind Nummer eins erklärt hat.

Schon als Präsidentschaftskandidat heizte er seine Zuhörerschaft bei Wahlkampf-Veranstaltungen in vollen Turnhallen an, zeigte mit Fingern auf uns Journalistinnen und Journalisten und erntete gröhlende Zustimmung von seinen Fans für seine Beschimpfungen. Auch dafür, wie er sich über einen körperlich behinderten Kollegen lustig machte.

Reale Bedrohungslage

Das war auch schon vor vier Jahren unangenehm. Und wir waren zunehmend froh, wenn die Wahlkampf-Veranstaltungen vorbei waren und wir mit unseren Kameras, Stativen und Mikrophonen wieder heile in unserem Auto saßen. Mittlerweile, während der letzten Tage von Donald Trumps Amtszeit, hat sich dieses ungute Gefühl in eine sehr reale Bedrohungslage verwandelt. Den bisherigen traurigen Höhepunkt haben wir am 6. Januar 2021 erlebt - als ein Mob, angestachelt von den Worten des Präsidenten, das US-Kapitol stürmte. Fünf Menschen haben dabei ihre Leben verloren.

Trump-Unterstützer dringen am 6. Januar in das Kapitol einBild: Manuel B. Ceneta/AP/picture alliance

Wir waren für die Deutsche Welle vor Ort und haben auch hier am eignen Leib erlebt, wie aggressiv die Trump-Anhänger auf ihrem Marsch in Richtung Parlamentsgebäude auf uns zustürmten und versuchten, unsere Live-Berichterstattung zu unterbrechen.

Saat des Hasses aufgegangen

Dabei spielte es keine Rolle, für welches unabhängige Medium wir arbeiteten. Wir versuchten zu erklären, wer wir sind und dass wir einfach nur verstehen wollen, was die Menschen antreibt, um dann darüber zu berichten. Aber wie schon in den Wochen nach der Präsidentschaftswahl gibt es kaum noch die Möglichkeit, mit Trump-Unterstützern bei diesen Rallyes ein sachliches Gespräch zu führen.

Trumps Saat des Hasses ist aufgegangen. Er hat es durch die kontinuierliche Wiederholung seiner Lügen und seiner Beschuldigungen gegenüber den Medien geschafft, dass aus einer politischen Haltung Hass geworden ist - und auf die Wahrheit mit blinder Wut reagiert wird.

Später wurde an genau jenem Abend das Equipment von Kolleginnen und Kollegen anderer Sender kaputt gehauen und mit Wasser übergossen. Ihnen ist nichts passiert. Sie sind rechtzeitig geflohen.

Zerstörtes Journalisten-EquipmentBild: Ines Pohl/DW

Diese Atmosphäre hier in den USA erschwert die Arbeitsbedingungen für uns Journalisten immens. Besonders für Mitarbeiter von TV-Sendern, die durch ihre Ausrüstung schnell als Journalisten auszumachen sind. Wenn wir bei unseren Recherche-Reisen Proteste erwarten, sind die Schutzwesten und Gasmasken mittlerweile selbstverständlich immer dabei.

Zukunft von Demokratien

Ines Pohl leitet das DW-Studio WashingtonBild: DW/P. Böll

All das ist schlimm genug. Aber uns treibt vor allem um, was diese Entwicklung für die Zukunft von Demokratien bedeutet. Wie kann in einem demokratischen Prozess um die besseren Argumente gestritten werden, wenn es keine gemeinsame Verständigung mehr gibt darüber, was real ist und richtig und wissenschaftlich belegt? Wie können Menschen überhaupt noch erreicht werden, wenn sie keinerlei Bereitschaft zeigen, auch unliebsame Wahrheiten zu akzeptieren? Wie soll dieses gespaltene Land je wieder zusammenfinden, wenn die Einwohner in völlig unterschiedlichen Realitäten leben?

Donald Trump hat früh gewusst, was er tut. Es ist überhaupt kein Zufall, dass er sich der Nazi-Sprache bedient hat, wenn er von "Fake News", von "Lügenpresse" sprach, um die Glaubwürdigkeit seiner Kritiker früh zu unterwandern. Geschickt hat er eingeübte Kommunikationswege wie respektvolle Pressekonferenzen ad absurdum geführt und mit Hilfe von Sozialen Medien ungefiltert und ohne jegliches Korrektiv seine Lügen millionenfach verbreitet.

Angriff auf demokratische Staatsform

Dabei hat ihm zweifelsohne geholfen, dass auch die großen Medienhäuser vier Jahre lang immense Profite eingefahren haben von der Dauerberichterstattung über Donald Trump. Auch sie tragen eine Mitschuld an diesem Zerfall der Wirklichkeit, sind selbst Teil des Angriffs auf den Journalismus als wichtiger Säule einer Demokratie.

Auch das gehört zur Wahrheit: Die Dauererregung um Trump hat Medien in den letzten Jahren Rekordumsätze beschertBild: picture-alliance/AP/A. Harnik

Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit riefen radikale Trump-Anhänger auf der Plattform Parler  ganz konkret dazu auf, "Reporter mit allen Mitteln zu bekämpfen". Dieser Post ist nicht nur ein Aufruf zu einer Straftat, sondern ein gezielter Angriff auf die demokratische Staatsform. Diese kann überhaupt nicht funktionieren, wenn es keine unabhängige Presse gibt, die eben genau die Kernaufgabe erfüllt, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und gegebenenfalls ihre Lügen zu entlarven.

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