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Reporterlegende Georg Stefan Troller ist tot

Heike Mund
27. September 2025

Als US-Soldat war Georg Stefan Troller bei der Befreiung des KZ-Dachau dabei. Später machte er als Reporter Karriere. Nun ist der Journalist und Dokumentarfilmer im Alter von 103 Jahren gestorben.

Deutschland Berlin 2006 | Georg Stefan Troller stellt sein Buch in der Sendung "bookmark" vor
Jahrhundertmensch: Im Jahr 2006 stellte der österreichische Journalist und Dokumentarfilmer in Berlin sein Buch "Ihr Unvergeßlichen" vorBild: Miguel Villagran/dpa/picture alliance

Erstaunlich aufrecht, nur leicht gebeugt, betrat Georg Stefan Troller im Februar 2020 das Kölner Literaturhaus. Rosagestreiftes Hemd, farbenfrohes Sakko, die Frisur leicht verwegen.

Der 98-Jährige war an diesem Abend, kurz vor dem Corona-Lockdown, zur Lesung gekommen: Biografisches, Anekdoten aus seiner Zeit in Paris, historische Begebenheiten, die er 1945 als jüdischer Emigrant und US-Soldat im zerstörten Deutschland erlebt hat. Das beschäftigte ihn sein Leben lang. Als er zu lesen begann, mit leichtem Wiener Akzent, war es mucksmäuschenstill im Raum.

Trollers Kindheit im jüdischen Wien

Geboren wurde Georg Stefan Troller am 10. Dezember 1921 in Wien, als Sohn einer Pelzhändler-Familie. Er hatte es nicht leicht als jüdischer Junge, er wurde auf der Straße gehänselt und von Schulkameraden verspottet.

"Mit so was musste man leben. Und unter den Nazis wurde das noch härter", berichtete er. Bildung war die Antwort. Sein Vater rang ihm die Lektüre sämtlicher Klassiker ab.

Mit 16 lieh er sich eine alte Schreibmaschine und haute eigene Gedichte und Gedanken in die Tasten: "Georg Stefan Trollers Gesammelte Werke" stand auf dem Deckblatt.

Wenig später begann seine Emigranten-Odyssee. 1938 konnte er aus dem okkupierten Wien vor den Nazis fliehen: "Nachts mit einem Schmuggler über die Grenze, und von da an alles nur noch illegal, ohne Papiere."

Die damalige Tschechoslowakei und Frankreich waren die Stationen. In Marseille konnte er sich mit viel Glück ein Visum in die USA besorgen. 1941 kam Georg Stefan Troller im gelobten Amerika an.

Rückkehr nach Europa als US-Soldat

1943 wurde er von der US-Armee zum Kriegsdienst eingezogen. Beim Vormarsch der alliierten Truppen durch das besetzte Frankreich und Nazi-Deutschland leistete er den Amerikanern mit seinen Deutschkenntnissen wertvolle Dienste. Er kannte die Mentalität der Mitläufer und Nazi-Täter und wurde deshalb bei der Vernehmung von deutschen Kriegsgefangenen eingesetzt.

Zeitzeuge: 2014 berichtet Georg Stefan Troller aus seinem langen und dramatischen Leben an der Pestalozzi Realschule in Bochum und stellt sich den Fragen der Schülerinnen und SchülerBild: Andreas Keuchel/picture alliance

Als emigriertem Wiener Juden konnte ihm keiner was vormachen. "Das Wort Befreiung habe ich nie gehört damals", berichtete Troller in vielen Interviews.

"So was wie Freiheit und Demokratie, das war ja überhaupt nicht im Gedankenschatz der Deutschen vorgesehen. Unser Kriegsmaterial haben sie alle bewundert, die Jeeps, die Walkie-Talkies. Kein Wunder, dass ihr den Krieg gewonnen habt, mit dem Material, bekam ich zu hören", erzählt er 2005 in einem TV-Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk.

Am 1. Mai 1945 fuhr US-Soldat Troller mit dem Jeep in das von US-Truppen befreite Konzentrationslager Dachau. Er sollte dort gefangene SS-Leute verhören. Nur mit dem distanzierten Blick durch die Kamera konnte er den grauenhaften Anblick der vielen verhungerten, ermordeten Häftlinge ertragen - eine erschütternde Erfahrung für ihn.

Anfänge als Reporter

Troller begann als Reporter zu arbeiten, zunächst bei Radio München, dann bei der Neuen Zeitung. Aber in München hielt ihn nichts, er wollte zurück nach Wien, seine Heimatstadt.

"Ich bin damals alle Straßen abmarschiert, die ich kannte, tagelang, nächtelang, um mein Heimweh zu stillen. Aber schließlich fand ich für mich diesen Satz: Eine Heimat kann man sowenig wieder finden wie eine Kindheit."

Troller ging zurück in die USA, studierte Theaterwissenschaften - und landete dank eines Stipendiums 1950 in Paris. Die Universität Sorbonne, die quicklebendige Stadt an der Seine, der Esprit der französischen Frauen - all das war eine neue Welt für ihn.

Legendäre Interviews mit Pariser Prominenten

Er entwickelte sich zum Flaneur, zum feinsinnigen Beobachter der Lebenskunst der Franzosen. "Paris hat mir die Augen geöffnet und unendlich viel beigebracht. Es war ein Großstadtleben gegenüber der kleinstädtischen Beschränktheit, die man in Deutschland überall fand", erzählte er in seinen Lebenserinnerungen ("Selbstbeschreibungen", 2009).

Heimat Paris: "Paris hat mir die Augen geöffnet", schrieb Troller 2009 in seinem Buch "Selbstbeschreibungen. In den 60er Jahren arbeitete er dort lange als KulturkorrespondentBild: picture-alliance / akg-images

In Paris fand Georg Stefan Troller Anfang der 1960er-Jahre auch seine Berufung als Fernseh-Reporter. Für den Westdeutschen Rundfunk in Köln produzierte er dort neun Jahre lang als Kulturkorrespondent die Sendung Pariser Journal, einfühlsame Milieustudien und Porträts von Menschen, die ein Paris zeigen, das man in Deutschland bis dato nicht kannte.

1971 warb ihn das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) ab. Mit dem Interview-Format Personenbeschreibung schrieb er Fernsehgeschichte - stilbildend, frech und mit unkonventionellen Fragen. Stars wie Marlon Brando, Brigitte Bardot, Alain Delon, Woody Allen, Kirk Douglas, Romy Schneider oder Box-Legende Mohammed Ali standen ihm Rede und Antwort.

Journalismus als Therapie

"Journalist zu sein, war für mich ein Mittel der Selbstheilung und Lebensrettung", erinnerte sich Troller. Er führte nicht nur Interviews, sondern drehte auch Fernsehfilme und Dokumentationen, schrieb Bücher und Essays für Zeitschriften.

Auch die Fotografie reizte ihn. Er nahm zeitlebens aufmerksam auf, was ihn umgab, beobachtete, hinterfragte, teilte seine Erlebnisse, Geschichten und Interviews mit einem großen Publikum.

Nun ist der Jahrhundertzeuge, der bis ins hohe Alter geschrieben, erzählt und berichtet hat, in Paris gestorben. Er wurde 103 Jahre alt.

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