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Politik

Großer Bahnhof für ein kleines Land

Robert Schwartz
5. April 2022

Auf einer internationalen Geberkonferenz in Berlin wurde für die Republik Moldau ein umfassendes Finanzpaket geschnürt. Es soll dem kleinen osteuropäischen Land helfen, die Folgen des Ukraine-Kriegs abzufedern.

Deutschland | Moldau-Konferenz in Berlin
Moldau-Konferenz in Berlin: Rumäniens Außenminister Bogdan Aurescu, die moldauische Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre Amtskollegen aus Frankreich und der Moldau, Jean-Yves Le Drian und Nicu Popescu (von links)Bild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Die Republik Moldau ist das kleinste Nachbarland der Ukraine. Der von Putins Russland angezettelte Krieg in unmittelbarer Nähe hat die Angst der Bewohner vor einem Übergreifen der Kampfhandlungen neu entfacht. Hinzu kommt, dass der eingefrorene Konflikt in der abtrünnigen pro-russischen Region Transnistrien das Land seit über 30 Jahren in einem permanenten Würgegriff hält.

Seit dem brutalen russischen Angriff auf die Ukraine kommt ein weiteres Problem für das arme Land hinzu: Die Republik Moldau erlebt den pro Kopf stärksten Zulauf von Geflüchteten aus dem Nachbarland. Laut Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita, die an der Geberkonferenz in der deutschen Hauptstadt teilgenommen hat, haben seit Ausbruch des Krieges rund 400.000 Menschen aus der Ukraine die Grenze zur Republik Moldau überquert, etwa 100.000 sind geblieben, davon 50.000 Kinder. Zur besseren Einschätzung dieser Zahlen: Die Republik Moldau hat 2,6 Millionen Einwohner. In dieser Situation ist die pro-europäische Regierung in der Hauptstadt Chisinau auf Unterstützung ihrer internationalen Partner angewiesen.

Deutschland, Frankreich, Rumänien - ein neues politisches Dreieck?

Deutschland, das den Vorsitz der G7-Staaten innehat, will gemeinsam mit Frankreich (EU-Ratspräsidentschaft) und Rumänien, dem Schwesterland der Moldau, helfen. Zusammen haben die drei EU- und NATO-Staaten in Berlin eine Unterstützungsplattform ins Leben gerufen, um dem Land zur Seite zu stehen. Konkretes Ziel: Der Moldau soll international und solidarisch schnell unter die Arme gegriffen werden, damit sie die durch die aktuelle Flüchtlingskrise verstärkten Herausforderungen bewältigen kann.

Außenministerin Annalena Baerbock (l.) und die pro-europäische moldauische Präsidentin Maia Sandu (Chisinau, 12.03.2022)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Diese flexible internationale Plattform soll kurz- und mittelfristig in Abstimmung mit der Regierung in Chisinau die Stabilität des Landes stärken - auch über die aktuelle Krise hinaus, so Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zum Abschluss der Geberkonferenz. Über 30 Staaten und neun internationale Organisationen haben in Berlin den Schulterschluss geübt, um dieses Ziel auch zu erreichen. Das erste Ergebnis der Konferenz: 71 Millionen Euro humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge in der Republik Moldau, rund 695 Millionen Euro Kredite und Finanzhilfen, um vor allem die Energieversorgung zu gewährleisten. Das Land ist in hohem Maße von Russland abhängig.

Mit dem Geld soll der Republik Moldau aber auch geholfen werden, die ambitionierte Reformagenda der Regierung umzusetzen, die das Land schneller an die EU heranführen soll. Auch das Grenzmanagement soll verbessert und die Resilienz der Moldau im finanziellen Bereich gestärkt werden. Deutschland ist mit 50 Millionen Euro dabei. Auch eine schnelle Weiterverteilung der Geflüchteten aus der Ukraine wurde beschlossen - in einem ersten Schritt sollen 12.000 Menschen auf Länder in der EU verteilt werden.

"Niemand ist Russlands Hinterhof"

 Außenministerin Annalena Baerbock stellte klar, warum der Republik Moldau schnell und unbürokratisch geholfen werden müsse: "Kein Land ist Verfügungsmasse. Niemand ist Russlands Hinterhof." Baerbock sagte dem Land weitere Unterstützung auf seinem Weg hin zur EU-Integration zu. Auch ihr französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian unterstrich die Bedeutung der humanitären und finanziellen Hilfe: "Die Republik Moldau zu unterstützen heißt, Europa zu unterstützen." Der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu verurteilte die russische Aggression in der Ukraine. Er hoffe, dass die von Russland begangenen Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof geahndet würden.

Aurescu fügte hinzu, dass der Krieg in der Ukraine schwerwiegende Folgen für die Republik Moldau habe. Deshalb sei langfristige Hilfe der einzige Weg, um dem Land und seiner Bevölkerung eine klare europäische Perspektive zu geben. In diesem Zusammenhang betonte Aurescu, dass Rumänien seinem östlichen Nachbarland 100 Millionen Euro für die Entwicklung unterschiedlicher Projekte zur Verfügung stellen wolle. Außerdem soll die Zusammenarbeit im Energiesektor ausgeweitet werden.

Auf die Frage der DW nach einem möglichen Übergreifen der Kampfhandlungen auf das Gebiet der Republik Moldau antwortete Aurescu, dafür seien zur Zeit keine Anzeichen erkennbar. Aber er stimmte mit der moldauischen Premierministerin Gavrilita überein, die auf die prekäre Lage in der ukrainischen Hafenstadt Odessa und deren unmittelbare Nähe zu Transnistrien, der abtrünnigen moldauischen Region mit einer starken russischen Militärpräsenz, aufmerksam machte und zu erhöhter Wachsamkeit aufrief. Sie dankte für die Unterstützung, die ihrem Land versprochen wurde und fügte hinzu, dass der europäische Weg der einzig gangbare für ihr Land sei.

Obwohl die Konferenz nur als Startpunkt für eine weitere Stärkung der Partnerschaft mit der Republik Moldau gedacht war, ist die Botschaft, die von ihr ausgeht, viel umfassender: "Es geht um uns, um unsere Sicherheit und unser gemeinsames Friedensprojekt", so die deutsche Außenministerin.

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