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PolitikEuropa

Moldau: Pandemie-Bekämpfung ohne Impfungen

Vitalie Călugăreanu
24. Februar 2021

In der ehemaligen Sowjetrepublik wurde noch kein einziger Mensch gegen Covid geimpft. Bislang hat keine einzige Dosis Impfstoff das Land erreicht, in dem etwa jeder dritte Corona-Test positiv ausfällt.

Medizinisches Personal in der moldauischen Hauptstadt Chisinau
Medizinisches Personal in der moldauischen Hauptstadt ChisinauBild: Elena Covalenco

Die Bilanz ist erschreckend: Mehr als 176.000 Infizierte und fast 4000 Corona-Tote seit Beginn der Pandemie. In einem Land, in dem weniger als 3 Millionen Einwohner geblieben sind - denn Hunderttausende haben die Republik Moldau verlassen, die als Armenhaus Europas gilt.     

Premier und Gesundheitsminister haben das Schiff verlassen

Ursprünglich hätte die Republik Moldau bereits Ende Januar die ersten Impfdosen über die internationale Impfstoff-Initiative COVAX bekommen sollen. Doch das Gesundheitsministerium in der moldauischen Hauptstadt Chisinau habe "absolut gar nichts unternommen, um den Impfprozess vorzubereiten", kritisierte die neue Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, direkt nach ihrer Amtseinführung Ende letzten Jahres.     

Das kleine osteuropäische Land steckt in einer tiefen politischen Krise: Nur wenige Stunden vor Sandus Amtseinführung am 24. Dezember trat die Regierung unter Premier Ion Chicu zurück. Beobachtern zufolge stand diese Regierung unter dem Einfluss des pro-russischen Präsidenten Igor Dodon, der die Stichwahl am 15. November gegen seine pro-europäische Herausforderin Maia Sandu verloren hatte.

Doch der Rücktritt war nicht alles: Premier Ion Chicu und mehrere Minister, unter anderem auch der Gesundheitsminister, weigerten sich, die Amtsgeschäfte interimistisch weiterzuführen, bis eine neue Regierung im Amt sein wird. Stattdessen gingen sie einfach. Mehr noch: sogar die Staatssekretäre im Gesundheitsministerium traten zurück. 

Die neue Präsidentin Maia Sandu bei ihrem ersten Besuch in Brüssel am 18. JanuarBild: Dursun Aydemir/AA/picture alliance

"Wir haben recherchiert, wir haben versucht, herauszufinden, wo das Gesundheitsministerium mit der Vorbereitung für die Impfungen steht. Das Ministerium steht nirgendwo! Eine Kommission wurde gebildet, die in einer einzigen Sitzung zusammengekommen ist. Nichts von dem, was man hätte unternehmen müssen, ist passiert", sagte Maia Sandu Ende Dezember. 

Strategien gibt es nur auf dem Papier

Erst am 11. Januar stellte das moldauische Gesundheitsministerium einen Nationalen Anti-Covid-Immunisierungsplan vor. Es kündigte an, am 7. Januar die Bestätigung bekommen zu haben, dass die Republik Moldau bis Ende Januar die ersten Impfdosen erhält, um im Februar mit dem Impfen zu beginnen.

Doch die Impfdosen sind immer noch nicht angekommen. Ende Januar erklärte das Gesundheitsministerium, diese würden Mitte Februar kommen, doch auch das passierte nicht. Der nächste Termin sollte dann Ende Februar sein, doch inzwischen spricht in Chisinau kaum noch jemand über die Impfungen. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen sich 39 % der Moldauer ohnehin nicht impfen lassen, und rund ein Drittel der Befragten meinen, das Coronavirus sei nur eine Erfindung, damit den Menschen bei der Impfung ein Chip implantiert werde. Das liegt auch an der Vielzahl an Fake News und Verschwörungstheorien, die dort im Umlauf sind. 

Die Kommunikation von offizieller Seite ist holprig: Erst seit Ende Januar gibt es eine Kommunikationsgruppe des Gesundheitsministeriums zum Thema Impfungen, doch sogar Journalisten erfuhren von deren Existenz erst Mitte Februar, als das Zentrum für unabhängigen Journalismus aus Chisinau nach Informationen fragte. In der offiziellen Antwort der Behörde heißt es, diese Kommunikationsgruppe "sorgt für eine effiziente und pro-aktive Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit" zum Thema Anti-Covid-Impfung. Noch ist davon nichts zu sehen.  

Haushalt für 2021 sieht kein Geld für die Impfungen vor

Außerdem sei im Haushalt der Republik Moldau für 2021 kein einziger Cent für die Beschaffung von Anti-Covid-Impfungen vorgesehen, beklagt Ala Nemerenco, eine Beraterin der Präsidentin im Bereich Gesundheit. 

Über die Plattform COVAX soll die Republik Moldau 20 Prozent der nötigen Impfdosen bekommen. Außerdem hat Rumänien versprochen, dem kleinen Nachbarland bis zu 200.000 Impfdosen zur Verfügung zu stellen, was weiteren 3 Prozent der nötigen Gesamtmenge entsprechen würde. Vergangene Woche hat Rumänien außerdem im Rahmen von EU-Hilfsinitiativen medizinisches Material im Wert von 2,3 Millionen Euro nach Chisinau gebracht, um die moldauischen Ärzte im Kampf gegen Covid zu unterstützen - vor allem mit der dringend benötigten Schutzausrüstung.

Einer der 13 Lastwagen, in denen das medizinische Material aus Rumänien nach Chisinau gebracht wurde Bild: Daniela Pascari,/DW

Die Republik Moldau hat zurzeit nur eine Interimsregierung ohne vollständige Befugnisse - und keine Chance auf eine rasche Regierungsbildung. Die Präsidentin versucht, den Weg für parlamentarische Neuwahlen frei zu machen, stößt dabei aber auf viel Widerstand. 

In diesem politischen Chaos bleiben im Prinzip nur zwei Lösungen: solidarische Hilfen der internationalen Gemeinschaft und der Rückgriff auf Gelder aus dem Reservefonds der Regierung, um Impfungen zu beschaffen - eine Maßnahme, die Ökonomen als sehr riskant bewerten. 

Moldauischer Arzt: "Das medizinische Personal ist physisch am Limit"

Seit drei Wochen steigt die Zahl der Neuinfektionen in der Republik Moldau wieder stark an. Die Anti-Pandemie-Maßnahmen wurden zwar verschärft, aber die meisten Leute ignorieren sie einfach - und folgen damit dem Beispiel vieler Politiker.

Der Chefarzt der Abteilung für Intensivmedizin am Notfall-Krankenhaus in Chisinau, Adrian Belîi, warnt im DW-Gespräch, dass die zweite Corona-Welle noch schwieriger sei als die erste. Er beobachte längere und schwerere Krankheitsverläufe. Das könnte an den neuen Virus-Varianten liegen. Doch im Land fehlen die nötigen Labore, um die Mutationen nachzuweisen. Deshalb schicken die moldauischen Behörden Proben an ein Labor in Deutschland. Bislang geben sie aber keine Informationen über die Anzahl der Proben und über die Befunde.

Vor allem auf den Intensivstationen fehlt es an Personal Bild: Elena Covalenco

"Unsere Krankenhäuser sind wieder an der Belastungsgrenze, was die Aufnahme neuer Patienten betrifft. Das medizinische Personal ist physisch am Limit. Am Limit sind auch unsere medizinischen Geräte, der Sauerstoff und die Logistik", sagt Adrian Belîi.

In der Republik Moldau fehlen rund 40 Prozent des medizinischen Personals für Intensivstationen. Mehrere Experten warnen im Gespräch mit der DW, dass es mindestens 20 Jahre dauern würde, um diese riesige Lücke zu schließen. Und das würde nur gelingen, wenn kein einziger Arzt in den nächsten zwei Jahrzehnten das System verlässt. Nicht einmal, um sich in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden.

Adaption aus dem Rumänischen: Dana Alexandra Scherle 

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