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PolitikEuropa

Republik Moldau: Regierungswechsel und russische Raketen

Vitalie Călugăreanu | Robert Schwartz
10. Februar 2023

Die pro-europäische moldauische Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita und ihre Regierung sind zurückgetreten. Neuer Regierungschef wird der bisherige Sicherheitsberater im Präsidialamt, Dorin Recean.

Dorin Recean Republik Moldau
Dorin Recean, designierter Regierungschef der Republik MoldauBild: Elena Covalenco

"Die Republik Moldau tritt nun in eine Zeit ein, in der Sicherheitsbedenken Vorrang haben" - mit diesem Satz verkündete die moldauische Premierministerin Natalia Gavrilita am Freitagnachmittag (10.02.2023) vor der Presse in Chisinau ihren Rücktritt und den der gesamten Regierung. Präsidentin Maia Sandu nahm den Rücktritt an. Sie bedankte sich bei Gavrilita für die bisherige "engagierte Arbeit" des Kabinetts: "Trotz beispielloser Herausforderungen wurde das Land verantwortungsbewusst und mit großer Sorgfalt regiert. Wir haben Stabilität, Frieden und Entwicklung, wo andere Krieg und Bankrott wollten", so Sandu.

Die moldauische Premierministerin Natalia Gavrilita verkündet ihren Rücktritt Bild: Elena Covalenco /DW

Beobachter hatten schon im Oktober des vergangenen Jahres einen Wechsel an der Spitze der moldauischen Regierung erwartet. Der Grund damals sei der mangelnde Reformwille einiger Minister gewesen. Jetzt scheint die wachsende Bedrohung durch Russland hinzugekommen zu sein.

Erneut Rakete über der Moldau

Neuer Regierungschef soll nach dem Wunsch der Präsidentin ihr bisheriger Sicherheitsberater Dorin Recean werden. Seine Bestätigung im Amt dürfte reine Formsache sein - die regierende Partei Aktion und Solidarität (PAS) verfügt über eine komfortable Mehrheit im Parlament (63 von 101 Sitzen). Der 48-jährige Recean war bislang Generalsekretär des Obersten Sicherheitsrats der Moldau. Regierungserfahrung hat er auch: Von 2012 bis 2015 hat er als Innenminister u. a. die moldauische Polizei reformiert.

Der Austausch der Regierung erfolgt zu einem denkbar kritischen Zeitpunkt. Am Freitagmorgen (10.02.2023) war eine weitere russische Rakete in den Luftraum der Republik Moldau eingedrungen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Chisinau sei die Rakete über die separatistische Region Transnistrien und später über den Nordosten der Moldau in Richtung Ukraine geflogen. Ähnliche Vorfälle hatten sich in den vergangenen Monaten ereignet. Der russische Botschafter in Chisinau, Oleg Wasnezow, wurde nach diesem jüngsten Vorfall erneut ins moldauische Außenministerium einbestellt.

Schutzschild für die Moldau

Angesichts der wachsenden Bedrohung fordert Chisinau schon seit geraumer Zeit von seinen westlichen Partnern moderne Raketenabwehrsysteme. "Das Risiko eines illegalen Überflugs unseres Luftraums durch Raketen, die von den Russen abgefeuert werden, bleibt bestehen. Das bedeutet, dass wir immer auf der Hut sein müssen", erklärte die moldauische Innenministerin Ana Revenco am Abend vor dem Vorfall in einem Fernsehinterview.

Die moldauische Präsidentin Maia Sandu (re.) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Chisinau (10.11.2022)Bild: Elena Covalenco

In einer Pressemitteilung des moldauischen Außenministeriums heißt es, die Raketenangriffe auf die Ukraine wirkten sich direkt und negativ auf die Bürger der Republik Moldau aus. "Wir fordern die Russische Föderation auf, die militärische Aggression gegen das Nachbarland zu stoppen, die zahlreiche Todesopfer und materielle Zerstörungen verursacht."

Was war Russlands Plan im Herbst 2022? 

Die Führung in Chisinau gab Details eines russischen Plans bekannt, die Republik Moldau zu destabilisieren und den pro-europäischen Kurs des Landes durch einen Staatsstreich zu stoppen. Der Plan war am Donnerstag (9.02.2023) vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Brüssel erwähnt worden. Die Informationen wurden vom Präsidialamt in Chisinau und vom Nachrichten- und Sicherheitsdienst der Republik Moldau bestätigt. Moskau wies die Darstellung des ukrainischen Präsidenten entschieden zurück. Man wisse nichts über einen Plan zur Destabilisierung der Republik Moldau, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow auf einer Pressekonferenz in der russischen Hauptstadt.

Einzelheiten über den gescheiterten russischen Plan lieferten sowohl der moldauische Außenminister Nicu Popescu als auch die Innenministerin Ana Revenco. "Im vergangenen Jahr gab es Versuche, die moldauische Regierung und den Kurs der europäischen Integration zu destabilisieren, auch durch bezahlte Proteste. All diese Versuche sind gescheitert. Unsere Bürger wollen in einem zukünftigen EU-Mitgliedsstaat in Demokratie, Frieden und Wohlstand leben", sagte Popescu.

Pro-russische Proteste in Chisinau (11.10.2022)Bild: Viorica Tătaru

Die sogenannten Proteste im Herbst 2022 seien Teil dieses russischen Plans gewesen, erklärte die Innenministerin. Zum Plan hätten auch Bombenalarme, Cyberangriffe, massive Propaganda und eine Flut von Fake News gehört. "All diese Elemente der hybriden Kriegsführung wurden von Russland im Herbst 2022 in der Republik Moldau angewandt - mit dem Ziel, die Gesellschaft zu radikalisieren, um anschließend eine dramatische Destabilisierung zu erzeugen", so Revenco. Sollte die Republik Moldau von Russland militärisch angegriffen werden, würde der gesamte Stab des Innenministeriums unter das Kommando der Armee fallen. "Es gibt bereits Notfallpläne, und jede Institution weiß, was sie zu tun hat", sagte die moldauische Innenministerin.

Bereits seit mehreren Monaten hatte es zwischen der Staatspräsidentin Maia Sandu und der Premierministerin Natalia Gavrilita gekriselt. Obwohl beide explizit pro-europäisch ausgerichtet sind, gab es Unstimmigkeiten über das Tempo und die Umsetzung bestimmter Reformen, vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Korruptionsbekämpfung. Zugleich könnte die Ernennung des nationalen Sicherheitsberaters zum Regierungschef ein Anzeichen dafür sein, dass die moldauische Staatsführung mit einer erheblichen Eskalation der russischen Drohungen rechnet.