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PolitikEuropa

Republik Moldau: "Wir wollen die Korruption loswerden!"

8. Juli 2021

Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Im Dorf Sireti hoffen die Menschen auf echte Veränderungen durch die vorgezogenen Parlamentswahlen.

Das Dorf Sireti, in der Nähe der moldauischen Hauptstadt
Das Dorf Sireti, in der Nähe der moldauischen Hauptstadt ChisinauBild: Simion Ciochina/DW

Die Fahrt aus der Hauptstadt Chisinau in das Dorf Sireti ist ziemlich beschwerlich. Zwar ist die Strecke nicht länger als 18 Kilometer, aber auf der Straße überraschen einen viele Schlaglöcher. Ein Bus verbindet das Dorf mit der Hauptstadt, im Zentrum gibt es eine Bushaltestelle und einige kleine Läden und Bars, doch selbst um die Mittagszeit ist dort kaum jemand zu sehen.

Einer der Läden gehört dem 29-jährigen Nicolai, er verkauft Sanitäranlagen und Heizungen - und wirkt dabei ein wenig einsam: "Wenn die Leute keine vernünftigen Löhne haben, können sie nicht einkaufen. Alles ist schlimmer geworden durch die Pandemie und die Dürre im letzten Jahr, natürlich können die Leute sich kaum etwas leisten." In der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau liegt der Durchschnittslohn bei umgerechnet rund 400 Euro pro Monat.

Der junge Unternehmer Nicolai ist von der Regierung enttäuscht Bild: Simion Ciochina/DW

"In den 30 Jahren, seit unser Land unabhängig wurde, gab es unter den kommunistischen und sozialistischen Regierungen keine echten Veränderungen. Sie haben uns nur Korruption und Armut gebracht. Wenn es nicht so viel Korruption gäbe, würden die Leute besser leben", meint Nicolai.

Das Land steckt in einer tiefen politischen Krise. Nur wenige Stunden nach der Amtseinführung der neuen pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu am 24. Dezember 2020 trat die Regierung zurück, die unter dem Einfluss des pro-russischen ehemaligen Präsidenten Igor Dodon stand. Bei ihren wiederholten Versuchen, den Weg für Neuwahlen freizumachen, stieß Maia Sandu auf viel Widerstand von Seiten der Sozialisten von Dodon, die aktuell die meisten Sitze im Parlament in Chisinau haben.

Doch nun ist es soweit: Die Moldauer können über ein neues Parlament abstimmen, die Wahllokale haben bereits geöffnet. "Der Wahlkampf ist schmutzig, ich kann es kaum erwarten, dass Sonntag ist, damit ich nicht mehr so viel Blödsinn von den Politikern höre", schimpft der junge Unternehmer Nicolai. "Wer viel versprochen und nichts davon erfüllt hat, soll gehen." Er hofft auf eine Veränderung und möchte eine Partei aus dem Mitte-Rechts-Spektrum der moldauischen Politik wählen, zu dem auch Präsidentin Sandu gehört.

Der Traum vom Leben in der Heimat

Während des Gesprächs mit Nicolai kommt endlich auch ein Kunde in seinen Laden. Der 39-jährige Ion erzählt, er sei vor Kurzem aus London zurückgekehrt, nach mehreren Jahren harter Arbeit auf Baustellen. Fast die Hälfte der rund vier Millionen Moldauer arbeitet im Ausland, die meisten in EU-Ländern oder in Russland. Ohne das Geld, das sie nach Hause schicken, würden ihre Familien kaum über die Runden kommen.

Ion hat in England auf dem Bau gearbeitet, würde aber lieber in der Republik Moldau bleibenBild: Simion Ciochina/DW

Am liebsten würde Ion wieder in seiner Heimat leben und arbeiten. Deshalb sind ihm die Wahlen am Sonntag sehr wichtig: "Ich hoffe, dass jene Partei gewinnt, deren Vorsitzende Maia Sandu war (die pro-europäische Partei der Aktion und Solidarität - PAS, Anm. d. Red.). Ich vertraue ihr und ihrem Team." Für ihn steht fest: Wenn es zu einer echten politischen Veränderung kommt, gibt es auch Hoffnung auf ein besseres Leben ohne Korruption.

Das alles beschäftigt auch den jungen Bürgermeister Leonid Boaghe, den wir in seinem Büro besuchen. Außerdem sei die Infrastruktur ein großes Problem, "vor allem das Kanalisationssystem". In Kindergärten gebe es nicht genug Plätze, und bald werde das auch für die Schulen im Ort gelten. Auch bei diesen konkreten Problemen seien parteipolitische Interessen im Vordergrund, beklagt der 29-Jährige: "Jene Bürgermeister, die der Regierung nahe stehen, bekommen die meisten Gelder aus der Hauptstadt und können Projekte starten. Selbst wenn ihre Dörfer viel kleiner sind als unseres, kriegen sie viel, viel mehr. Das ist sehr ärgerlich!" Von den Wahlen am Sonntag wünscht er sich eine stabile, pro-europäische Regierung, "mit der wir Projekte für unseren Ort entwickeln können, und die uns hilft, statt uns in die Quere zu kommen". 

Bürgermeister Leonid Boaghe ist erst 29 Jahre alt und möchte im Dorf viel bewegen Bild: Simion Ciochina/DW

Wenn die Rente bei unter 20 Euro liegt

Für die Wahlen am 11. Juli haben sich im Dorf Sireti mehr als 5000 Wahlberechtigte registriert. Sie werden im Wahllokal im Kulturzentrum des Dorfes erwartet. Hier treffen wir den 62-jährigen Valeriu Puiu, der dieses Zentrum leitet, und uns zeigt, wo die Wahlkabinen aufgestellt werden. "Ich wünsche mir von diesen Wahlen, dass es in unserem Land bergauf geht, damit unsere Kinder nicht mehr im Ausland arbeiten, sondern in der Nähe ihrer Eltern. Und ich möchte, dass die Politiker uns Menschen auf dem Land nicht vergessen." 

Valeriu Puiu wünscht sich, dass die jungen Moldauer in der Heimat bleiben könnenBild: Simion Ciochina/DW

Er erzählt von seiner Mutter, einer Bäuerin, "die fünf Kinder großgezogen und oben auf dem Hügel den Boden umgegraben hat". Ihre winzige Rente liegt bei 400 moldauischen Lei, umgerechnet weniger als 20 Euro. "Die Politiker erinnern sich nur dann an uns Dorfbewohner, wenn es mal wieder Wahlen gibt", meint Valeriu Puiu bitter.    

Die Lehrerin Elena hofft auf faire und korrekte Wahlen Bild: Simion Ciochina/DW

In einem anderen Raum des Kulturzentrums bereitet die Informatik- und Englischlehrerin Elena die Computer vor, in denen die Ergebnisse der Wahlen am Sonntag gespeichert werden sollen. Sie denkt nicht über Emigration nach, sondern erzählt, sie sei stolz, in ihrem Dorf zu leben. "Am Sonntag hoffe ich auf faire und korrekte Wahlen", sagt die 37-Jährige. "Eines wünschen wir uns alle: Wir wollen die Korruption loswerden!"

Adaption aus dem Rumänischen: Dana Alexandra Scherle 

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