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PolitikEuropa

Republik Moldau: Wahl zwischen Europa und Russland

26. September 2025

Am Sonntag findet in der Republik Moldau die wohl wichtigste Parlamentswahl seit der Unabhängigkeit 1991 statt. Moskau setzt alles daran, das Land vom europäischen Kurs ab- und wieder unter seinen Einfluss zu bringen.

Zu sehen sind Infostände mit gelben und blauen Bannern vor einem historischen Gebäude, Passantinnen und Passanten gehen vorbei
Straßenwahlkampf in Chisinau, der Hauptstadt der Republik MoldauBild: Tobias Zuttmann/DW

Glaubt man den Behauptungen in der Videoflut auf TikTok, dann herrscht in der Republik Moldau zurzeit ein Schreckensregime. Eine "Diktatur" der proeuropäischen Staatspräsidentin Maia Sandu und der regierenden liberal-konservativen Partei Aktion und Solidarität (PAS). Ein "Marionettenregime", das sich an die EU, die NATO und den US-Börsenmilliardär George Soros verkauft hat - mit dem Ziel, die moldauische Landwirtschaft zu zerstören, die "LGBTQ-Ideologie zu installieren" und das Land in einen Krieg gegen die Russische Föderation zu führen.

Unter denen, die derartige Aussagen nahezu täglich auf TikTok posten, ist auch der ehemalige moldauische Staatspräsident Igor Dodon, ein loyaler Gefolgsmann des russischen Diktators Wladimir Putin. Dodon ist Chef der moldauischen Partei der Sozialisten (PSRM) und Anführer des Wahlbündnisses Block der Patrioten. Das Logo des Bündnisses zeigt einen weiß-roten Stern mit einem Herz darin und in dieses eingebettet wiederum das Sowjetsymbol Hammer und Sichel. Dodon selbst bezeichnet sich als rechts, "traditionellen Werten" verpflichtet, und er beendet seine Videos gern mit der christlich-orthodoxen Grußformel "Gott helfe!"

Die Mischung aus Hass auf Europa und den Westen, Sowjetnostalgie, Kreml-Treue, christlich-orthodoxer Frömmelei und Rechtspopulismus findet bei einem erheblichen Teil der moldauischen Gesellschaft Anklang - wohl auch vor dem Hintergrund der prekären sozioökonomischen Situation vieler Menschen im Land, vor allem der Rentnerinnen und Rentner.

Der Trend war bereits vor einem Jahr zu beobachten. Damals gewann die moldauische Staatspräsidentin Maia Sandu die Abstimmung um ihre zweite Amtszeit nur knapp. Ein gleichzeitiges EU-Referendum ging nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von einigen tausend Stimmen zugunsten einer europäischen Perspektive der Republik Moldau aus.

Fast die Hälfte unentschieden

Jetzt aber könnte die politische Situation im Land tatsächlich kippen. Am Sonntag (28.09.2025) findet die reguläre Parlamentswahl statt - die erste, seit die Republik Moldau 2022 zusammen mit der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhielt. Die Wahl wird bereits seit Monaten als "Schicksalswahl" gesehen - entweder in Richtung EU oder zurück nach Russland.

Moldaus Präsidentin Maia Sandu spricht am 9.09.2025 im EU-Parlament in StraßburgBild: Romeo Boetzle/AFP

Die Umfragen gelten zwar als sehr unzuverlässig. Zudem ist offenbar fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler noch unentschieden, für wen sie stimmen soll. Doch die liberal-konservative, proeuropäische Antikorruptions- und Bürgerrechtspartei PAS könnte ihre 2021 gewonnene absolute Mehrheit verlieren - auch wenn sie wohl stärkste Partei bleibt.

Zwei andere Wahlbündnisse, die laut Umfragen im neuen Parlament vertreten sein werden, sind klar prorussisch ausgerichtet. Neben dem "Block der Patrioten" ist das der "Wahlblock Alternative" des Chisinauer Bürgermeisters Ion Ceban.

Zynische Drohung des russischen Botschafters

Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat auch die Formation "Unsere Partei" (PN) des einst in Russland zu Reichtum gekommenen Geschäftsmannes Renato Usatii - ein schwer zu verortender politischer Abenteurer und Populist. Er könnte nach der Wahl zum Zünglein an der Waage werden und darüber entscheiden, ob das Land eine proeuropäische Regierung behält oder eine prorussische bekommt.

Renato Usatii, Chef der Partei PN bei einer Wahlkampfveranstaltung zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2024Bild: Vadim Ghirda/AP Photo/picture alliance

Angesichts dieser Konstellation erklärt die Staatspräsidentin Maia Sandu die Wahl zur wichtigsten seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 und warnt vor einer "Niederlage der Demokratie". Dann werde "Russland uns destabilisieren und aus Europa herausreißen", so Sandu.

Das prorussische Spektrum gibt sich kaum Mühe, das zu dementieren. Dodon und sein Patrioten-Block plädieren offen für ein Ende des proeuropäischen Kurses und eine Rückkehr in die russischen Strukturen der GUS und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Der russische Botschafter in der moldauischen Hauptstadt Chisinau, Oleg Oserow, drohte vor wenigen Tagen in zynischer Weise: Russland plädiere für die Wahrung der territorialen Integrität und Neutralität der Republik Moldau. Das Beispiel der Ukraine zeige, was passiert sei, als sie ihren neutralen Status aufgegeben habe.

Demütigungen für Russland

Ökonomisch gesehen, braucht der Kreml die kleine, agrarisch geprägte Republik Moldau mit ihren 2,8 Millionen Einwohnern nicht. Doch Russlands imperiale Mentalität führte dazu, dass es dort im Frühjahr 1992 den ersten postsowjetischen Krieg begann. Im damals umkämpften und bis heute separatistischen Transnistrien sind derzeit noch rund 1500 russische Soldaten und ein riesiges Waffenarsenal stationiert.

Seit 2022 hat sich der strategische Wert der Republik Moldau erhöht, weil Moskau mit der Eroberung des militärisch weitgehend wehrlosen Landes einen Zwei-Fronten-Krieg gegen die Ukraine führen könnte. Nicht zu unterschätzen sind in der Haltung Russlands gegenüber dem kleinen Staat auch die Demütigungen, die es dort erlitten hat - etwa dadurch, dass eine Frau wie die unbestechliche und bescheiden auftretende Maia Sandu es schaffte, ihr Land aus der russischen Umklammerung zu befreien und in Richtung Europa zu führen.

Netzwerk für Stimmenkauf

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, das Russland alles daransetzt, die Wahl in seinem Sinne zu entscheiden. Ein Instrument dabei ist Stimmenkauf mit Bezahlung per App. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich wohl bis zu 300.000 Wählerinnen und Wähler dafür angemeldet. Die Staatsführung sprach damals von einem "beispiellosen hybriden Angriff" auf die Republik Moldau.

Der israelisch-moldauische Oligarch Ilan Sor mischt von Russland aus in der Republik Moldau mitBild: Novak Nikita/Russian Look/IMAGO

Koordiniert wird der Stimmenkauf von einem Netzwerk des moldauisch-israelischen Geschäftsmanns Ilan Sor, dessen Auftraggeber in russischen Geheimdiensten und letztlich im Kreml sitzen. Sor ist der Drahtzieher des sogenannten Milliardenraubs von 2012 bis 2014 und in der Republik Moldau rechtskräftig verurteilt. Er floh 2019 erst nach Israel und später nach Russland. Mehrere Parteien, die er eigens für die jetzige Wahl gegründet hatte, wurden verboten.

Schon seit Monaten warnt die moldauische Polizei davor, sich auf Stimmenkauf einzulassen. Offenbar nicht sehr erfolgreich. Derzeit finden überall im Land fast täglich Razzien gegen Wahlbetrüger statt, Koordinatoren des Stimmenkaufs werden verhaftet.

Fake News und typisch prorussische Narrative

Ein anderes Mittel ist die Flutung sozialer Medien, vor allem von TikTok, mit tausenden von Videos, in denen Fake News verbreitet werden. Das ist deshalb effektiv, weil die große Mehrheit der moldauischen Bürgerinnen und Bürger sich vorrangig in sozialen Medien informiert. Neben den typischen prorussischen Narrativen wird in vielen Videos aktuell auch behauptet, Maia Sandus "Regime" sei der Inbegriff der Korruption, und die regierende PAS würde hunderttausende Menschen in Armut stürzen.

Dabei waren es gerade Sandu und die von ihr gegründete PAS, die erstmals seit der Unabhängigkeit der Republik Moldau einen entschlossenen Kampf gegen Korruption führen. Und dabei ist es gerade Russlands Krieg gegen die Ukraine, der auch Moldau in eine schwere ökonomische Krise gestürzt hat, vor allem wegen drastisch gestiegener Energiepreise und dem Stopp russischer Gaslieferungen seit Anfang 2025.

Der Ex-Präsident Igor Dodon, der selbst in mehreren Fällen unter Korruptionsverdacht steht, lässt sich freilich von Tatsachen nicht beeindrucken. In Anspielung auf die PAS-Parteifarbe Gelb lautet seine wichtigste Wahlkampflosung: "Die gelbe Pest muss weg!"