Republik Moldau: Wechselvolle Geschichte, fragile Gegenwart
26. August 2025
Seit dem Beginn des vollständigen russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 taucht auch deren kleiner südlicher Nachbar, die Republik Moldau, immer öfter in der Berichterstattung auf. Im Frühjahr 2022 sah es so aus, als könne Russland bald auch in die Republik Moldau einmarschieren. Mit einer Besetzung des militärisch so gut wie wehrlosen Landes wäre die Ukraine in einen Zwei-Fronten-Krieg geraten und Russland stünde an der Südostgrenze der NATO und der Europäischen Union.
Daher widmen europäische, darunter auch deutsche Politiker, der Republik Moldau seither so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Sie erhielt zusammen mit der Ukraine im Juni 2022 als Solidaritätsgeste der EU den Status eines Beitrittskandidaten. Einige europäische Länder, darunter vor allem Deutschland, unterstützen die Republik Moldau militärisch. Zum Unabhängigkeitstag am 27. August reisen Bundeskanzler Friedrich Merz, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk in das Land - eine historische Geste.
Für Nicht-Experten ist allerdings vieles verwirrend: Warum ist die Amtssprache in der Republik Moldau Rumänisch? Worum geht es im Transnistrien-Konflikt? Und wer sind die Gagausen? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie wurde die Republik Moldau ein eigenständiger Staat?
Der größte Teil des heutigen moldauischen Territoriums, das Gebiet zwischen den Flüssen Dnister und Pruth, gehörte historisch zum Fürstentum Moldau, dessen westlicher Teil heute in Rumänien liegt. Der historische Name des Gebiets zwischen Dnister und Pruth, Bessarabien, geht auf das mittelalterliche Fürstengeschlecht Basarab zurück. 1812 annektierte Russland das Gebiet, bis 1917 gehörte es zum russischen Imperium. Ende 1917 wurde eine von Russland unabhängige moldauische Republik ausgerufen. Ein Jahr später erklärte sie ihren Anschluss an Rumänien. Als Folge des Hitler-Stalin-Pakts ließ Stalin Bessarabien 1940 erneut annektieren und machte es - zusammen mit Teilen einer am östlichen Ufer des Dnister bereits bestehenden moldauischen Autonomen Sowjetrepublik - zu einer eigenen Sowjetrepublik. Diese erklärte sich am 27. August 1991, wenige Tage nach dem Moskauer Putsch, für unabhängig.
Moldawien oder Republik Moldau?
Moldawien geht zurück auf den mittelalterlichen lateinischen Namen des Fürstentums, ist als Landesbezeichnung heute aber durch die phonetische Übersetzung des russischen "Moldawija" russisch/sowjetisch konnotiert und erinnert an die stalinistische Zeit mit den Massenmorden und Massendeportationen von Moldauern und der brutalen Russifizierungspolitik. Der moldauische Staat wird in offiziellen deutschsprachigen Dokumenten und Aufschriften als Republik Moldau bezeichnet. Seine Vertreter legen Wert darauf, dass diese Bezeichnung im Deutschen respektiert wird.
Welche Volksgruppen leben in der Republik Moldau?
Die Moldauer machen heute etwa drei Viertel der rund 3,4 Millionen Einwohner aus. Sie sprechen Rumänisch in einer Mundart, die lediglich phonetisch leicht, nicht aber grammatikalisch oder lexikalisch vom Hochrumänischen abweicht und lediglich einige Regionalismen aufweist. Die größte nationale Minderheit sind die Ukrainer, danach folgen Gagausen, Russen, Bulgaren und Roma, außerdem gibt es eine kleine Zahl von Polen und Deutschen.
Rumänisch oder Moldauisch?
Da nahezu identisch mit dem Rumänischen, ist Moldauisch keine anerkannte eigene Sprache. Mehr als drei Jahrzehnte lang gab es jedoch einen politisch motivierten Streit um die Bezeichnung der moldauischen Amtssprache - sie wurde bis 2023 in der Verfassung als Moldauisch geführt. Beispielsweise beharrten einige ehemalige Staatspräsidenten darauf, dass sie Moldauisch sprächen, nicht aber Rumänisch. Bereits 2013 hatte das Verfassungsgericht jedoch entschieden, dass der Name der Sprache Rumänisch ist. In der gesamten geschriebenen Sprache wird in der Republik Moldau ausnahmslos das Standardrumänisch verwendet. Ganz ähnlich wie in Österreich das Standarddeutsch verwendet wird.
Diskriminierung von Russischsprachigen?
Obwohl nicht Amtssprache, war das Russische nach der Unabhängigkeit 1991 in den Städten und in einigen Regionen der Republik Moldau viele Jahre vorherrschende Verkehrssprache, während das Rumänische den Ruf einer Küchen- und Bauernsprache hatte. Eine Diskriminierung russischsprachiger Menschen fand und findet nicht statt. Obwohl Kenntnisse des Rumänischen für Staatsbeamte und einen Teil der Berufe im öffentlichen Dienst vorgeschrieben sind, erfüllen manche diese Verpflichtung noch immer nicht. Der moldauische Staat verzichtet aber auf Sanktionen und bietet kostenlos Rumänisch-Kurse an.
Worin besteht der Transnistrien-Konflikt?
Als in den Jahren 1989 bis 1991 in der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik eine Bewegung der nationalen rumänischen Wiedergeburt immer mehr Auftrieb gewann, kam es in der dortigen kommunistischen Partei zu Machtkämpfen zwischen Reformern, die auf den Zug der neuen Nationalbewegung aufsprangen, und moskautreuen Hardlinern. Letztere riefen in dem Landstreifen Transnistrien am östlichen Ufer des Dnister noch vor der Unabhängigkeit der Republik Moldau ein separatistisches Regime aus. Es begründete diesen Schritt mit der angeblichen Diskriminierung Russischsprachiger und mit dem Widerstand gegen eine mögliche Wiedervereinigung mit Rumänien. Als die Armee und die Sicherheitskräfte der Republik Moldau im Frühjahr 1992 versuchten, die Separatisten zu entmachten, griff das in Transnistrien seit Sowjetzeiten stationierte russische Militär gegen die legitimen Machthaber ein. Russland führte damit seinen ersten postsowjetischen Krieg gegen ein unabhängiges Land.
Nach dem Ende der Kämpfe im Frühsommer 1992 und einem bis heute anhaltenden Waffenstillstand etablierte sich in Transnistrien ein international und auch von Russland nicht anerkanntes, diktaturähnliches Regime. Diese wird politisch und ökonomisch von ehemaligen und teils noch aktiven russischen Geheimdienstoffizieren organisiert und gemanagt. Das Regime finanzierte sich bisher im Wesentlichen durch russische Gaslieferungen, die von der Republik Moldau bezahlt wurden. Nach dem fast vollständigen Ende der Gaslieferungen seit Anfang 2025 ist die Zukunft des Gebiets offen. Obwohl die Moldauer auch in Transnistrien die relative Bevölkerungsmehrheit bilden, ist faktisch Russisch alleinige Verkehrssprache. Rumänisch (Moldauisch) in lateinischer Schrift zu schreiben, ist in Transnistrien verboten.
Gagausien und die Gagausen
Die Gagausen sind eine turksprachige, christlich-orthodoxe Volksgruppe mit geschätzt 200.000 Angehörigen. Rund 150.000 von ihnen leben im Süden der Republik Moldau. Sie wanderten im 18. und 19. Jahrhundert aus Gebieten im heutigen Bulgarien in die Region ein. Nach der Unabhängigkeit der Republik Moldau 1991 gab es unter den politischen Vertretern der Gagausen Unabhängigkeitsbestrebungen, die 1994 mit dem Autonomiestatut für die Gagausen beendet wurden. Es ist eines der weitgehendsten Autonomiestatute in Europa; nur in der Außen-, Sicherheits- und Währungspolitik ist Gagausien der moldauischen Zentralregierung untergeordnet.
Obwohl selbst Opfer russischer und sowjetischer Assimilierungs- und Repressionspolitik, sind die Gagausen heute weitgehend russischsprachig und überwiegend prorussisch orientiert, weshalb es immer wieder zu Konflikten mit der Zentralregierung kommt.
Der lange Arm Moskaus
Jahrzehntelang waren russische Gaslieferungen sowie der willkürliche Importstopp moldauischer Agrarprodukte nach Russland der Hebel, mit dem der Kreml in der Republik Moldau immer wieder eine prorussische Politik erzwingen konnte. Beides ist inzwischen weggefallen, da sich die Republik Moldau ökonomisch von Moskau losgelöst hat.
Dafür hat Russland in den vergangenen Jahren seine hybride und propagandistische Kriegsführung über prorussische Parteien und Politiker wie Ilan Shor intensiviert. Wie erfolgreich Russland damit ist, zeigte sich beim sehr knapp ausgegangenen EU-Referendum im Herbst 2024.
Wiedervereinigung mit Rumänien?
Etwa 860.000 moldauische Bürgerinnen und Bürger haben auch die rumänische Staatsbürgerschaft - rund ein Viertel aller Staatsbürger, darunter auch die derzeitige moldauische Staatspräsidentin Maia Sandu. Der Grund bei den meisten sind die Reisefreiheit und die Arbeitsmöglichkeiten in der EU, da viele Moldauer im EU-Ausland arbeiten. Eine Wiedervereinigung der Republik Moldau mit Rumänien steht kurz- und mittelfristig jedoch nicht an - laut Umfragen von Mitte 2025 wären rund 60 Prozent der Moldauer dagegen, darunter auch viele rumänischsprachige. In Rumänien herrscht verbreitet ein kulturelles Überlegenheitsgefühl gegenüber den Moldauern, zudem lebt in der Republik Moldau die Erinnerung an die Zeit Großrumäniens fort, als Bessarabien als rückständige Provinz und Ort für Strafversetzungen für Beamte galt. Allerdings werden die Wege beider Staaten wegen ihrer gemeinsamen Geschichte, Kultur und Sprache künftig immer enger werden - ob das langfristig in eine Wiedervereinigung mündet, ist offen.