Super-Antibiotikum
11. Januar 2012Als Alexander Fleming 1945 für die Entdeckung des Penicillins den Medizin-Nobelpreis erhielt, warnte der Bakteriologe schon damals davor, dass der Missbrauch von Antibiotika zu Resistenzen bei Bakterien führen könnte. Diese düsteren Vorhersagen haben sich bewahrheitet. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts infizieren sich jedes Jahr über 132.000 Patienten in deutschen Krankenhäusern mit resistenten Keimen. Mehr als 1000 sterben an den gefährlichen Erregern. Tendenz steigend. Auch außerhalb der Krankenhäuser wird das Problem immer massiver.
Antibiotika sind lebenswichtig
Antibiotika werden unter anderem bei chronischen Krankheiten wie Mukoviszidose eingesetzt. Der achtjährige Jack Lewellyn-Johnson wurde mit dieser genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung geboren.
Bevor der Junge morgens in die Schule geht, gibt ihm Mutter Stephanie Antibiotika. Denn die Mukoviszidose löst bei Jack immer wieder schwere Lungeninfektionen aus. Um gesund zu bleiben, muss er ständig Antibiotika nehmen. Bei jeder Infektion, die sich anbahnt, müsse ihr Sohn direkt mit entsprechenden Medikamenten versorgt und im schlimmsten Fall im Krankenhaus behandelt werden, so Stephanie Lewellyn-Johnson. In den Wintermonaten bekommt Jack ständig wechselnde Antibiotika. So wird verhindert, dass die Bakterien resistent werden.
Ein Super-Antibiotikum aus Graz
Wissenschaftler aus dem österreichischen Graz arbeiten seit Jahren an einem Super-Antibiotikum, gegen das gefährliche Keime keine Resistenz entwickeln können. Mit dem Wirkstoff, den die Forscher am Institut für Biophysik und Nanosystemforschung entwickelt haben, scheint ihnen ein wissenschaftlicher Durchbruch gelungen zu sein, auch wenn es bis zur Markteinführung noch Jahre dauern wird.
Wie mit einem Hammer in die Wand
Das Superantibiotikum aus Graz basiert auf antimikrobiellen Peptiden, also besonders kurzen Proteinen, die in der Lage sind, Keime abzutöten. Der neu entwickelte Wirkstoff schlägt gewissermaßen Löcher in die Bakterien, "so wie man mit einem Hammer ein Loch in eine Wand schlägt", erklärt Dr. Karl Lohner, der das Grazer Forscherteam leitet. Dadurch würden die Bakterien sehr schnell zerstört.
Die antimikrobiellen Peptide wirken sogar in doppelter Hinsicht: Sie zerstören die Zellhüllen von Bakterien und neutralisieren darüber hinaus Endotoxine, also die giftigen Bruchstücke der zerstörten Krankheitserreger.
US-Patent für Super-Antibiotikum
Im letzten Jahr erhielt das Grazer Institut für Biophysik und Nanosystemforschung bereits ein US-Patent für den neuen Wirkstoff, der bei Versuchen mit Mäusen zu keinerlei bakteriellen Resistenzen führte. Klinische Studien allerdings stehen noch aus, und derartige Tests dauern normalerweise Jahre. Es wird also noch eine zeitlang dauern, bis der neue Wirkstoff auf den Markt kommen wird.
Bis dahin muss der junge Jack vermutlich nach wie vor verschiedene Antibiotika schlucken. Zurzeit gibt es morgens zwei Tabletten, die er oral einnimmt und abends dann ein so genanntes "vernebeltes Antibiotikum". Durch den neuen Wirkstoff aus Graz könnte das Leben von Jack und vielen anderen erheblich erleichtert werden.
Autor: Gudrun Heise / Kerry Skyring
Redaktion: Fabian Schmidt