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Politik

Respekt für Nahles-Rücktritt

2. Juni 2019

Führende Bundespolitiker haben den angekündigten Rücktritt von Andrea Nahles als Partei- und Fraktionschefin der SPD mit Respekt und Verständnis aufgenommen. Wie es mit SPD und Groko nun weitergeht, ist unklar.

Deutschland Berlin 2018 | Andrea Nahles, Parteivorsitzende SPD
Bild: Getty Images/S. Gallup

"Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist", erklärte Andrea Nahles am Vormittag zur Begründung ihres Rückzugs. 

Sie werde daher am Montag im Parteivorstand ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende und am Dienstag dann ihren Rücktritt als Fraktionschefin erklären. "Damit möchte ich die Möglichkeit eröffnen, dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden kann", schrieb Andrea Nahles, die im April 2018 Parteichefin geworden war.

Start in schwierigen Zeiten

An die Mitglieder gewandt betonte Nahles, sie habe den Vorsitz von Partei und Fraktion in schwierigen Zeiten übernommen. Nahles war nach dem schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl 2017 Fraktionsvorsitzende geworden und im Jahr darauf auch Parteichefin. "Wir haben uns gemeinsam entschieden, als Teil der Bundesregierung Verantwortung für unser Land zu tragen", so Nahles mit Blick auf den Entschluss, ein weiteres Mal eine große Koalition mit der Union einzugehen. 

"Gleichzeitig arbeiten wir daran, die Partei wieder aufzurichten und die Bürgerinnen und Bürger mit neuen Inhalten zu überzeugen", so Nahles weiter. Beides zu schaffen sei eine große Herausforderung. "Um sie zu meistern, ist volle gegenseitige Unterstützung gefragt." 

Wollte Klarheit

Ob sie diese nötige Unterstützung habe, sei in den letzten Wochen aber wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen worden. "Deshalb wollte ich Klarheit. Diese Klarheit habe ich in dieser Woche bekommen." Sie hoffe, dass es den Sozialdemokraten gelinge, "Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken". "Unser Land braucht eine starke SPD", fügte sie hinzu.

Medienberichten zufolge will sich Nahles komplett aus der Politik zurückziehen. Neben Partei- und
Fraktionsvorsitz wolle sie auch zeitnah ihr Bundestagsmandat niederlegen, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Nach der Rücktrittsankündigung von Nahles ist nach Medienberichten die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer als Übergangsparteichefin im Gespräch. Darüber werde die engere Parteiführung noch am Sonntag in Berlin beraten, meldet die Nachrichtenagentur Reuters.

Malu Dreyer ist angeblich als Übergangsparteichefin im GesprächBild: picture alliance/dpa/A. Arnold

Dreyer selbst kündigte ein geordnetes Verfahren an. "Diese Partei ist eine ernsten Situation", sagte sie. Wichtei sei trotzdem "das Signal, dass die Partei nicht führungslos ist". Es gebe sechs gewählte Stellvertreter der Vorsitzenden. "Wir werden uns beratschlagen und dann dem Parteivorstand einen Vorschlag machen."

Einbruch bei der Europa-Wahl

Die SPD hatte bei der Europawahl massive Stimmenverluste hinnehmen müssen. Nur noch 15,8 Prozent der Stimmen gingen an die Sozialdemokraten, die damit 11,5 Prozentpunkte gegenüber der Europawahl 2014 verloren.

Das war ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung. Die SPD landete zudem erstmals als drittstärkste Kraft hinter den Grünen. Zugleich wurde sie bei der Landtagswahl in Bremen zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr stärkste Kraft.

Der frühere SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel sagte als Reaktion auf die Rücktrittsankündigung: "Die SPD braucht eine Entgiftung". Im übrigen sei der von Nahles vollzogene Schritt richtig. Vizekanzler Olaf Scholz betonte: "Die SPD befindet sich nicht erst seit der Europawahl in einer schwierigen Lage - wichtig ist daher, dass wir zusammenbleiben und die nächsten Schritte gemeinsam gehen."

Statements von Merkel und Kramp-Karrenbauer angekündigt

Die CDU-Führung rief zu Besonnenheit auf. Alle in der CDU sollten dem Regierungsauftrag gerecht werden. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen sich am Nachmittag (16.30 Uhr bzw. 17.30 Uhr MESZ) zu den Vorgängen in der SPD äußern.

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, bedauerte Nahles' Rückzug. Er nehme den Schritt "mit großem Respekt zur Kenntnis", erklärte er. Zugleich unterstrich Dobrindt: "Von der SPD erwarte ich jetzt ein klares Bekenntnis zur Koalition."

Grüne und Linke würdigen Nahles

Politiker der Grünen und der Linkspartei zollten der scheidenden Partei- und Fraktionschefin ebenfalls Respekt. "Hochachtung vor Andrea Nahles", sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch. "So brutal darf Politik nicht sein. Vielleicht denken wir darüber alle nach." 

Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck bekundeten ihren "Respekt, dass Andrea Nahles hier eine klare Entscheidung trifft". Sie hofften nun, "dass die SPD rasch ihre Personalfragen klärt und sich dann mit neuer Kraft auf ihre Aufgaben konzentrieren kann."

AfD: Quittung für "Verrat am Wähler"

Die AfD sieht die große Koalition vor dem Ende. "Nicht nur die SPD befindet sich in Auflösung, auch die GroKo wandelt nur noch als Untoter über die politische Bühne", erklärte Fraktionschefin Alice Weidel. Die SPD bekomme jetzt die Quittung dafür, "dass sie Verrat am Wähler begangen hat".

Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland bezeichnete Nahles' Rücktritt als "konsequent". Sie habe es nicht geschafft, die SPD zurück auf den Weg einer Volkspartei zu führen. Die SPD sei schon lange nicht mehr die Partei des kleinen Mannes. Sie habe ihr Markenzeichen verloren und stehe nun führungs- und inhaltslos da. 

haz/pg/gri (rtr, dpa, afp)

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