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Gesellschaft

Restaurantbesuch: Essen auf Bewährung

Kay-Alexander Scholz
23. Mai 2020

Nach zwei Monaten sind vielerorts die Türen endlich wieder offen. Doch von einem normalen Restaurantbesuch kann schwerlich die Rede sein. Zu all den neuen Regeln kommen verunsicherte Wirte. Ein Besuch in Berlin-Mitte.

Wiedereröffnung von Restaurants nach Corona-Ausbruch
Bild: DW/K. A. Scholz

Zwar dürfen nun auch in Berlin Restaurants zwischen 6 und 22 Uhr wieder Gäste empfangen. Im eigentlich quirligen Berlin-Mitte bleiben trotzdem viele geschlossen. Andere haben zwar geöffnet, im Lokal sitzen aber nur die Kellner und langweilen sich. Die Touristen und Theater-Besucher fehlen. Da machen manche gar nicht erst auf, erzählt Johannes. Er ist Chef eines beliebten und bodenständigen Lokals mit süddeutscher Küche. Auch Anwohner essen hier gern ihr Schnitzel. Doch die Bilanz nach den ersten Tagen fällt ernüchternd aus: 30 Essen statt 180 am Tag. "Es fehlen auch die Leute aus den umliegenden Büros", berichtet Johannes, "wo jetzt die Fenster dunkel und die Mitarbeiter im Home-Office sind".

Nicht nur wegen des Wetters: Die Gäste sitzen lieber draußen als drinnen Bild: DW/K. A. Scholz

Der Mittdreißiger hofft auf gutes Wetter, dann könnten die Gäste draußen sitzen. Drinnen nämlich sei es "schwierig". Die Gäste müssen auf dem Weg zu ihrem Tisch eine Maske tragen und dort ohne Blumenvasen, Pfefferstreuer und Servietten sitzen. Gemütlich, findet Johannes, sei es durch die neuen Hygiene-Regeln nicht mehr.

"Was darf, was muss ich?"

Ein paar Meter weiter betreibt Maren ihr angesagtes Restaurant mit modern interpretierter deutscher Hausmannskost. Sie vermisse es, die Gäste zu umsorgen, Wein nachzuschenken, die Dessertkarte zu bringen, sagt die trotz verschlafenem Morgen und etwas verwuscheltem Outfit wie immer strahlende Chefin. "Das widerspricht dem Service-Gedanken eines Restaurants." Im Hintergrund desinfiziert derweil ein Angestellter die neuen abwaschbaren Speisekarten, die nun möglichst wenig angefasst werden sollen.

Die Menukarten werden nach jedem Gebrauch desinfiziert Bild: DW/K. A. Scholz

Die genauen Regeln für die Wiedereröffnung gab der Berliner Senat erst vor Kurzem bekannt. Maren ist deshalb noch immer dabei, ihr Restaurant auch baulich anzupassen. Gerade hantiert sie mit einer großen Plexiglas-Scheibe in der Hand, die sie günstig besorgt habe. Die sehe zwar nicht hübsch aus, könne aber zusätzlichen Platz für Tische schaffen - hofft sie. "Schade, dass es keine Hotline gibt, bei der man nachfragen kann, was darf, was muss ich?" Bei einigen Regeln hätte sie nämlich noch Fragen.

"Jetzt muss es wieder laufen!"

Doch die Hauptsorge bei beiden Wirten ist eine andere: Wie entwickelt sich der Umsatz? "Nach zwei Monaten Schuldenmachen muss es jetzt wieder laufen", sagt Maren. Auch müssten all die Anschaffungen refinanziert werden, erzählt Johannes, die nötig waren, um überhaupt wieder öffnen zu dürfen: Desinfektionsspender, Masken für das Personal, Papiertütchen für das Besteck und den Pfeffer.

Es fühle sich an, findet Maren, als würde man wirklich neu aufmachen. Sie müsse wie einst erstmal Erfahrungen sammeln - wann wie viele Leute kommen, wie viele Köche und Kellner nötig und welche Waren einzukaufen sind. Eigentlich brauche sie sogar zusätzliches Personal. Das dann nichts anderes mache, als das Abstand-Halten und die anderen Regeln zu kontrollieren. Denn sie sei doch verpflichtet, das neue Hausrecht durchzusetzen. "Andererseits kann man schlecht einfach so dazwischen gehen, wenn sich zwei Gäste umarmen."

"Hoffentlich können die nicht nur Spanisch!"

Bei Johannes sitzen zur Mittagszeit nur ein paar Leute - auch drei Spanier, wie beim Reinkommen zu hören war. Der diensthabende Kellner ist aufgeregt, gleich muss er die Zwei-Haushalte-Regel erklären. Zusammen an einem Tisch dürfen schließlich nur zwei Familien oder Wohngemeinschaften sitzen. "Hoffentlich können die nicht nur Spanisch!" Was auf der Karte drauf steht, könne er zur Not immer auch mit Händen und Füßen erklären. "Aber abzufragen, ob die Drei hier überhaupt zusammensitzen dürfen?"

Chef Johannes achtet deshalb auf das Aufschreiben der Kontaktdaten, was in Berlin freiwillig ist. Auf dem Formular lässt er sich per Unterschrift von den Gästen auch bestätigen, dass sie keine "wilde Gruppe" sind. Sollte die Polizei kontrollieren, sei er dann abgesichert. Ob die Daten auf den Formularen stimmten, dürfe er allerdings nicht kontrollieren - das dürfen nur Ordnungsamt und Polizei. Nach vier Wochen muss er die Formulare wieder vernichten. Auch das bedeute wieder nicht nur mehr Arbeit, sondern auch mehr Müll, schimpft Johannes leise. Ein-Weg-Tüten, Masken und Desinfektionsmittel. "Das Einhalten der Regeln ist insgesamt ein recht teurer Spaß."

Die Unsicherheit der letzten Wochen merkt man Johannes an. Gerade versucht er, einen neuen Zuschuss des Landes Berlin zu bekommen, immerhin bis zu 25.000 Euro. Andere Bundesländer hätten Wirte schon viel früher unterstützt, kritisiert er. Zudem solle er schätzen, welchen Umsatz er im November macht. Eine Prognose abzugeben, finde er aber echt schwierig. Selbst wenn - wie früher - wieder viele Touristen aus dem Ausland ins Restaurant kämen, gebe es Unsicherheiten. Er habe schon Gäste reden hören, die keine Italiener am Nachbartisch sitzen haben wollten, weil in deren Heimat der Virus womöglich noch stärker als in Berlin wüte.

Die Angst sitzt mit am Tisch

Große Freude: Endlich wieder einen Cocktail als Sundowner!Bild: DW/K. A. Scholz

Viele Anwohner und Gäste bekommen von den Sorgen der Wirte wohl nicht viel mit. Die Freude ist groß, endlich wieder einen Cocktail in der Abendsonne serviert zu bekommen.

Manche Stammgäste wollten am Sonntagnachmittag bei Maren nur auf einen Kaffee vorbeikommen, sitzen aber um 20 Uhr noch immer da. Viele kennen sich. Sie dürfen nun aber nicht wie sonst einfach die Tische zusammenschieben, um besser quatschen zu können.

Rauszuhören ist: Die Pandemie und ihr ständiger Begleiter, die Angst, sitzen bei vielen mit am Tisch. Hoffentlich war niemand in der Nähe, so denkt wohl mancher, der mit COVID-19 infiziert war. Sonst könnte das Gesundheitsamt einen 14 Tage lang in Quarantäne schicken. Da wäre es dann wieder nichts mit Restaurantbesuchen.

Inzwischen scheint in Niedersachsen ein solcher Fall eingetreten zu sein, vor dem auch so manche Experten gewarnt und den viele Gastronomen gefürchtet haben: Nur kurz nach Wiedereröffnung der Restaurants und Cafés scheinen sich mehrere Menschen in einem Lokal in Leer angesteckt zu haben. Noch ist nicht geklärt, auf welchem Weg die Ansteckungen passiert sind. Der Landkreis Leer hat bereits für zahlreiche Menschen häusliche Quarantäne angeordnet.

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