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Warum Pixelgrafik nicht aus der Mode kommt

10. Januar 2024

Games mit Pixelgrafik bedienen den Retro-Trend und treffen einen Nerv bei Spielenden: Ältere verfallen in Nostalgie, Jüngere erhalten einen Einblick in die Videospielgeschichte.

Zwei Jugendliche spielen ein Retrogame auf dem NES auf der Gamescom 2023
Retrogames sind in allen Altersgruppen beliebtBild: Kristina Reymann-Schneider/DW

Ich war elf oder zwölf Jahre alt, als ich auf meinem Gameboy stundenlang "DuckTales" gespielt habe und mit Onkel Dagobert auf Schatzsuche ging. Ich kletterte an grünen Lianen hinauf, erkundete ein grünes Spukhaus und hüpfte durch grüne Schneelandschaften. Mehr als helle und dunkle Grüntöne waren grafisch nicht drin, die technischen Möglichkeiten waren extrem limitiert. Bin ich in den Abgrund gefallen oder in Skelette reingerannt, hieß es "Game Over" und ich musste wieder ganz von vorn starten. Speicherpunkte gab es nicht. Trotzdem habe ich dieses Spiel geliebt - auch wenn ich es, wie ich heute weiß, nie bis zum Endboss geschafft habe.

Knapp 30 Jahre später liegen Retrogames im Trend. Spiele wie "Super Meat Boy" (2010), das sich stilistisch an klassischen Spielen der 8-Bit-Ära orientiert, oder die Veröffentlichung von Spielesammlungen auf Minikonsolen wie der "Nintendo Classic Mini" (2016) beförderten den Hype um 2D-Spiele in Pixelgrafik. Auch mich packte die Nostalgie und ich spielte "DuckTales" erneut, diesmal in Farbe und auf dem Fernseher. Doch nach 30 Minuten legte ich den Controller genervt wieder zur Seite. Das erste Level hatte ich da gerade mal zur Hälfte geschafft, Spielspaß wollte sich gar nicht erst einstellen.

Games mit Retro-Charme sind besonders unter Millennials beliebt

Wer heutzutage Spiele aus den 1980ern oder 1990ern spielt, muss ausgesprochen frustresistent sein, denn die Erwartungen an ein Spiel und die Spielmechaniken haben sich gewandelt. Ihren Reiz bewahrt aber hat die Pixel-Ästhetik, daher erlebte sie Anfang der 2010er-Jahre ein Revival.

Wer das ursprüngliche Spielgefühl erleben will, spielt Retrogames auf alten Konsolen und flimmernden RöhrenfernsehernBild: Kristina Reymann-Schneider/DW

Bis heute wird die Pixelgrafik von vielen unabhängigen Spielestudios verwendet, da sie einzelnen Entwicklerinnen und Entwicklern oder kleinen Teams ermöglicht, ohne großes Budget kreative Spiele zu produzieren. So erhalten die Spiele einen Retro-Charme, der vor allem diejenigen anspricht, die in den 1980ern und 1990ern groß geworden sind. Aber eben nicht nur, wie mir Gamedesigner Arthur Eckmann erzählte. Gemeinsam mit einem Freund hat er das Hüpfspiel "Super Catboy" (2023) entwickelt, das mit Referenzen an die 16-Bit-Videospielära der 1990er-Jahre nicht geizt und auf der Videospielmesse Gamescom auf einem Röhrenfernseher präsentiert wurde. "Wir haben natürlich die älteren Spieler, die mit dem NES oder SNES (Nintendo Entertainment System oder Super Nintendo Entertainment System, Anm. d. Red.) aufgewachsen sind, die genau sowas lieben und sagen: 'Wow, das erinnert mich an die Zeit damals.' Es gibt aber auch jüngere Spieler. Fünf-, sechs-oder siebenjährige Kinder, die es das erste Mal spielen, die teilweise auch das allererste Mal einen Röhrenfernseher sehen, sind total fasziniert von der alten Technik und lernen schnell. Die ersten Versuche scheitern natürlich, aber mit jedem Versuch werden sie besser und sie haben Spaß dabei und entwickeln den Ehrgeiz, es bis zum Ende zu schaffen."

Ehrlicherweise ist "Super Catboy" selbst gar kein Retrogame, weil es im Jahr 2023 erschienen ist. Die Entwickler sehen in ihrem Spiel eine Weiterentwicklung ikonischer Spiele wie "Mega Man X" (1993), "Donkey Kong Country" (1994) oder "Metal Slug" (1996). Visuell und spielmechanisch lehnt sich das Spiel an die Klassiker an, auch der Soundtrack könnte direkt aus den 1990ern stammen. Aber es erfüllt eben auch die Bedürfnisse der gegenwärtigen Spielerschaft, was es zugänglicher macht. "Es gibt Level, die ein bisschen knackiger sind. Da braucht man ein paar Versuche, bis man versteht, wie man es leichter lösen kann. Aber wir haben auch Checkpoints in den Leveln (Stufen, die man in einem Spiel erreicht und bei denen teils der Spielstand gespeichert wird, Anm. d. Red.), das heißt, das ist schon einfacher als damals in den Neunzigern, wo es entweder gar keine Checkpoints gab oder nur einen einzigen." Außerdem haben die Spielenden relativ viele Leben - deren Anzahl jedoch von der Sprache abhängt, die zum Spielstart ausgewählt wurde. Weil Katzen in Deutschland laut einer Redewendung sieben Leben haben, gibt's in der deutschen Variante zu Beginn sieben Leben. Im englischen Sprachraum haben Katzen neun Leben, davon profitieren alle, die das Spiel auf Englisch spielen. Auch nach dem "Game Over"-Bildschirm müssen die Spielenden nicht ganz von vorne anfangen, sondern können in dem Level starten, indem sie gescheitert sind.

Homebrew: Neue Spiele für alte Geräte

Neue Spiele mit Retro-Anleihen gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Daneben hat sich eine kleine Homebrew-Szene gegründet, die sich darauf spezialisiert hat, neue Spiele für uralte Konsolen und Computer zu entwickeln. "Es gibt sehr viele Leute, die noch neue Spiele für alte Geräte schreiben. Bei vielen kommt das Interesse daher, dass sie die Geräte in der Kindheit hatten und damals noch nicht dafür programmieren konnten. Inzwischen haben wir das Wissen. Und für viele ist es auch eine Herausforderung, etwas zu programmieren, das auf so einer alten Kiste läuft", sagt Christian Gleinser, Gründer des Labels "Dr. Wuro Industries", das C64-Spiele entwickelt und vertreibt. Er hat schon mehrere Spiele für den Heimcomputer C64 programmiert, der 1983 in Deutschland auf den Markt kam und mittlerweile in Technikmuseen ausgestellt wird.

Heutzutage können zwar 100 und mehr Menschen, die über das Internet verbunden sind, gleichzeitig zusammen spielen, aber eigentlich sitzen alle allein vor ihrer Konsole oder ihrem Computer. Das war in den 1980ern und 1990ern anders: Hier hockten die Spielenden nebeneinander, spielten gemeinsam, gegeneinander oder schauten sich abwechselnd zu. Das ist auch der Grund dafür, warum alle C64-Spiele, die Christian Gleinser entwickelt, mit vier angeschlossenen Joysticks zu viert gespielt werden können. Daran zeigt sich, dass das Interesse für Retrogames hinausgeht über das, was auf dem Bildschirm passiert. Physische Nähe und der gemeinsame Zeitvertreib spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Christian Gleinser liebt Retrogames: Den C64 zieht er allen neuen Konsolen vorBild: Kristina Reymann-Schneider/DW

Zugegeben, der C64 ist schon ein Liebhaberprodukt. Eigentlich braucht man ihn nicht, um in die Videospielhistorie einzutauchen. Die alten Spiele laufen heutzutage über Emulatoren auf modernen PCs, Konsolen und Smartphones. Trotzdem hat der Heimcomputer C64, der bis in die frühen 1990er hergestellt wurde, bis heute seine Fans. Christian Gleinser wundert das gar nicht. Für ihn ist das vergleichbar mit einer Leidenschaft für Oldtimer. Und so wie ein Oldtimer-Fan an seinem Wagen schraubt, um ihn wieder fahrtüchtig zu machen, bastelt ein Computernerd eben an Hardware und Software, um Geräte und Spiele starten zu können.

Pixel-Grafik löst nostalgische Gefühle aus

Was alle eint, die sich mit Retrogames oder neuen Spielen im Retro-Stil beschäftigen, ist Nostalgie. Nostalgie beschreibt ein Gefühl, eine verklärte Sehnsucht nach einem Ort oder Dingen, die es heute nicht mehr gibt oder die es in dieser Form nie gegeben hat. Denn auch wenn neue Spiele mit Pixel-Grafik die Erinnerung an die gute alte Zeit wecken, so würden sie auf den alten Konsolen gar nicht laufen, weil sie viel zu viel Rechenleistung benötigen.

Wo Retrogaming anfängt, ist bislang nicht definiert: Der Nintendo-64-Controller ist aber offensichtlich ein Relikt aus vergangenen ZeitenBild: Kristina Reymann-Schneider/DW

Auch "Everdeep Aurora", das 2024 für den PC erscheinen soll, ist so ein Spiel, das durch seine extrem reduzierte Farbpalette visuell an Gameboy-Spiele angelehnt ist. Doch im Unterschied zu den meistens Spielen von damals legt "Everdeep Aurora" seinen Fokus auf die Geschichte und kommt ohne Kämpfe aus. Es erzählt von einem Kätzchen, das in einer dystopischen Welt aufwacht und darin seine Mutter sucht. Dafür gräbt es Gänge, um in den Tiefen herauszufinden, was mit der Welt passiert ist.

Den Retro-Stil haben die beiden spanischen Entwickler Mikel Ojea und Juan Abad ganz bewusst gewählt: "Wir glauben, dass wir durch die Einschränkungen mehr Dinge erzählen können als mit besserer Grafik oder mit mehr Pixeln." Sie sind davon überzeugt, dass es einen großen Markt gebe für solche Spiele, weil sie Kindheitserinnerungen auslösen. Damit mögen sie Recht haben. Das Durchschnittsalter von Spielerinnen und Spielern in Deutschland liegt dem Branchenverband game zufolge bei 37,9 Jahren. Viele von ihnen werden mit dem Gameboy aufgewachsen sein und in Nostalgie schwelgen, wenn sie mit Spielen in Kontakt kommen, die Erinnerungen an eine entspannte und sorglose Zeit wecken, die so anders war als unsere heutige, schnelllebige, digitalisierte und global vernetzte Welt.

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