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Politik

Rettet Albanien Merkel den Job?

21. Juni 2018

Albanien könnte zentrales Auffangland für Flüchtlinge werden: Es liegt in Europa und doch außerhalb der EU. Noch ist das ein nicht bestätigtes Gerücht: Aber es klingt nach einer goldenen Lösung - für Merkel und die EU.

Griechenland Flüchtlinge auf der Balkanroute
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Es ist eine These, mehr noch nicht. Albanien könnte zentrales Zwischen-Aufnahmeland für Flüchtlinge werden. EU-Ratspräsident Donald Tusk und der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hatten die Idee, Zentren für Asylbewerber in Europa, aber außerhalb der EU zu errichten, als erstes in Umlauf gebracht. Im Gespräch mit DW-Albanisch hatte der Wiener Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal bestätigt, dass derzeit über die Errichtung eines Ausreisezentrums Gespräche unter anderem mit Albanien stattfinden. Endri Fuga, Direktor für Kommunikation und Berater des albanischen Regierungschefs, sagte der DW, es gebe weder eine Anfrage noch eine Diskussion zu diesem Thema. Das sieht die Opposition anders. Sie wirft der Regierung sogar vor, sich einen schnelleren EU-Beitritt mit Flüchtlingszentren zu erkaufen. So könnte es laufen:  

Die Ausgangslage 

Es ist nach wie vor Bewegung auf der Balkanroute über Land. Flüchtlinge kommen vor allem über das Mittelmeer, aber längst sind Italien, Malta oder Griechenland nicht mehr bereit, in großem Stil Menschen aufzunehmen. Und: Die EU und Deutschland wollen abgelehnte Asylbewerber loswerden. Was hat das mit Albanien zu tun?

Vorteil Albanien

Der kleine Balkanstaat liegt entlang der Flüchtlingsroute und am Mittelmeer, dort wo die meisten Bootsflüchtlinge herkommen. Der Hafen von Durres hat ausreichende Kapazität, um auch größere Flüchtlingskontingente aufzunehmen. Dort könnten die Bootsflüchtlinge, die von Frontex-Schiffen eskortiert werden, anlanden, um auf albanischem Boden registriert zu werden. Entweder geht es von dort aus direkt zurück in ihre Herkunftsländer, wenn Asylgründe nicht feststellbar sind. Schutzbedürftige und potenziell Asylberechtigte könnten innerhalb der EU verteilt werden.

Besonders attraktiv für die EU-Länder: Albanien gehört nicht zur EU. Es greifen also nicht die EU-Regularien wie das Schengen-Abkommen und der Dublin-Vertrag. Albanien ist jedoch NATO-Mitglied und damit im Sicherheitsverbund westlicher Staaten verankert. Außerdem entsteht in Albanien gerade ein Antiterror-Zentrum der NATO. Hinzu kommt, dass Albaniens Norden von Hochgebirgen durchzogen ist, die eine natürliche Grenzsicherung bedeuten.  

Ist Albanien vorbereitet?

Albanien hat große Erfahrung in der Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen. 1998/99 hatte das Land bis zu einer Million Kosovaren aufgenommen.

Und: In dem Westbalkanland wurden infolge der Flüchtlingskrise 2015 umfangreiche Kapazitäten für die Aufnahme von Migranten aufgebaut. Die Aufnahmelager blieben bisher praktisch ungenutzt. In den albanischen Medien zirkulieren Unterbringungszahlen von mehreren Tausend Menschen.

Der UNHCR-Sprecher für Südosteuropa, Neven Crvenkovic, bestätigte der DW, dass Albanien die vorhandenen Kapazitäten seit 2017 verdoppelt habe. Unterdessen führt der albanische Innenminister Fatmir Xhafaj in diesen Tagen eine Reihe von bilateralen Gesprächen in europäischen Hauptstädten, am Donnerstag auch in Berlin. Ein Gesprächsthema neben anderen: die Migration.

Was hätte die EU davon?

Im Gegensatz zu Libyen ist Albanien ein sicheres Land auf europäischem Boden, aber vor den Toren der EU. Außerdem strebt Albanien eine EU-Mitgliedschaft an und ist somit willig, EU-Standards - wie zum Beispiel in der Frage der Menschenrechte - einzuhalten. Der UNHCR bestätigt, dass Albanien die im Lande befindlichen Flüchtlinge gut behandelt.

Alles Punkte, die die diskutierte Alternative Libyen nicht erfüllt. Vor allem kann die EU dort nicht als Ordnungsmacht auftreten. Libyen ist ein Staat ohne Struktur und  Führung. 

Flüchtlinge in GriechenlandBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Was hätte Merkel davon?

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hatte bei seinem letzten Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler gesagt, dass er die Idee von Migrationszentren außerhalb der EU unterstütze. Regierungssprecher Steffen Seibert hingegen wollte das am Mittwoch mit Blick auf den Sondergipfel der EU am Sonntag in Brüssel nicht kommentieren.

Ein möglicher "Albanien-Deal" hätte enorme Bedeutung auch für eine Entspannung im innerdeutschen Dissens: Albanien böte die "humane" Lösung. Und die Sicherheitsforderungen von Seehofer wären geklärt: Kontrollierte Verfahren unter EU-Aufsicht, aber außerhalb der EU, wären möglich. Horst Seehofer könnte zufrieden sein und dies für den bayrischen Wahlkampf als Erfolg verkaufen. Die Regierungskrise wäre faktisch beendet.

"Die albanische Lösung" könnte auch für Albanien von Vorteil sein: Die sozialistische Regierung in Tirana ist von Seiten konservativer Kreise, insbesondere der CDU, unter Druck. Die für den EU-Gipfel geplante Empfehlung, Beitrittsverhandlungen mit Albanien aufzunehmen, wird wegen rechtsstaatlicher Bedenken infrage gestellt. Albanien könnte sich das Wohlwollen durch den Flüchtlingsdeal auch vergolden lassen. Die EU-Länder würden sich bei einer solchen Lösung der Migrationskrise liebend gern gegenüber Albanien erkenntlich zeigen.

Ein Königsweg ganz im Sinne des balkanesischen Sprichworts: "Der Wolf ist satt, aber das Schaf ist ganz geblieben." Denn mit dem Albanien-Coup könnten alle leben: die EU, Albanien und auch Angela Merkel und Horst Seehofer. 

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