"Rettet die Dicken!"
16. Juni 2003"Rettet die Dicken!" fordern in diesen Tagen Dutzende Werbeplakate in Berlin. Die wohlbeleibten Volksmusik-Stars "Wildecker Herzbuben" und ihre Kollegen aus dem hohen Norden, "Klaus und Klaus", wollen damit nicht etwa schwergewichtigen Mitmenschen Mut zusprechen. Ihr Engagement gilt vielmehr den bedrohten Riesen der Meere, den Walen. Vor der vom 16. bis 19. Juni 2003 stattfindenden Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Berlin setzen Tierschützer auch auf unkonventionelle Methoden, um den Schutz der Wale zu propagieren.
Auf der diesjährigen Konferenz wollen mehrere IWC-Mitgliedsländer, darunter auch die Bundesregierung, die "Berliner Initiative" auf den Weg bringen, mit der die internationale Gemeinschaft dem Schutz der bedrohten Tiere größere Priorität einräumen will. Zwei Blöcke stehen sich seit Jahren in der IWC gegenüber und bewegen sich nicht aufeinander zu. Japan, Norwegen und das jüngst wieder aufgenommene Island sind die wichtigsten Walfangländer. Die USA, Großbritannien, Deutschland, Australien und Neuseeland gehören zu den Walfanggegnern.
Japans Harpunen lassen nicht locker
Nach Angaben von Umweltorganisationen wie Greenpeace sind alle 79 Walarten, die noch durch die Weltmeere und Flüsse streifen, bedroht. In ihrer natürlichen Umwelt haben die hochintelligenten Säugetiere kaum ernst zu nehmende Feinde, gegen den Menschen aber sind sie chancenlos. So töteten Japan und Norwegen trotz eines 1986 in Kraft getretenen Moratoriums im vergangenen Jahr 1318 Großwale.
Japan beispielsweise argumentiert, dass man Wale wie andere Tiere als Nahrung nutzen sollte, solange sie nicht vom Aussterben bedroht seien. Norwegen ist rechtlich nicht an das Walfang-Moratorium gebunden und hat eigenmächtig Fangquoten für Zwergwale festgesetzt. Auch Island will den Walfang in begrenztem Ausmaß wieder aufnehmen. Die Begründung, die Jagd diene der Forschung, halten Tierschützer nur für einen Vorwand. "Die schneiden die Bäuche auf und stellen fest, dass Wale Fische fressen", heißt es in der deutschen Delegation.
Nach offiziellen IWC-Angaben verenden jährlich 60.000 Wale in Fischnetzen als ungewollter Beifang, die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Quasi vor der Haustür Deutschlands ertrinken in der Nordsee und Ostsee jedes Jahr 7000 Schweinswale in den Stellnetzen dänischer Berufsfischer. Immer mehr Wale sterben außerdem durch die Verschmutzung der Meere und den ständig zunehmenden Wasserlärm. Die vielfältigen Geräusche wie Schiffslärm und Explosionen bei der Ölförderung stören die Kommunikation der Wale und führen im Extremfall zu Gehörschäden und Massenstrandungen.
Bedrohung durch Umweltverschmutzung
Wale, die sich zum Teil von pflanzlichen und tierischem Plankton, zum Teil von Fisch und anderen Meeressäugern ernähren, stehen in der Nahrungskette weit oben. Die Belastung mit Umweltgiften betrifft sie deshalb besonders stark. Die weißen Beluga-Wale haben beispielsweise auf Grund der Dauerbelastung mit Umweltgiften die höchste Krebsrate unter Säugetieren. Pottwale, die im Atlantik in 2000 Meter Tiefe ihre Nahrung suchen, müssten nach ihrem Tod als Sondermüll entsorgt werden. Statt die Fangquoten auszuweiten, sollten Länder wie Island und Norwegen besser ihren Walbeobachtungs-Tourismus ausbauen, fordern die Walschützer. "Es gibt friedliche Wege, die Wale zu nutzen und den Menschen ein Einkommen zu geben", sagt Peter Prokosch von der Umweltorganisation World Wide Fund (WWF).
Mit der "Berliner Initiative" wollen 19 der 49 stimmberechtigten IWC-Mitglieder, neben Deutschland unter anderem Großbritannien und die USA, nun ein Signal für eine Wende im Umgang mit den "sanften Riesen" setzen. Geht es nach ihrem Willen, soll sich die einstige Walfang-Organisation klar zu ihrer Schutzrolle bekennen. Damit würden auch bislang vernachlässigte Walarten wie Kleinwale und Delfine den notwendigen Schutz erhalten, hofft Greenpeace. Gegen diese Pläne zum Schutz von Moby Dicks Nachfahren stemmen sich weiterhin die Walfangländer. (fro)