Ohne konsequente Renaturierung von Mooren sind die Pariser Klimaschutzziele kaum noch zu erreichen. Laut einer neuen Studie könnte sich die Menge emittierter Treibhausgase bis zum Ende des Jahrhunderts verdreifachen.
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Moore sind in den unterschiedlichsten Klimazonen der Erde zu finden: Als gefrorene Moore in nördlichen Gefilden der Subarktis, als morastige Ökosysteme in den gemäßigten Zonen und auch als Sumpfwälder in den Tropen.
Ständiger Wasserüberschuss sorgt für sauerstoffarme Bedingungen, so dass abgestorbene Biomasse nicht vollständig zersetzt wird. Über Jahrmillionen wurden so große Mengen Kohlenstoff eingelagert.
Moore bedecken zwar nur rund drei Prozent der Erdoberfläche, speichern aber insgesamt etwa so viel Kohlenstoff, wie in der gesamten Vegetation der Erde zu finden ist. Durch Entwässerung und Trockenlegung erschließt der Mensch diese Regionen seit Jahrhunderten als Nutzflächen für die Land- und Forstwirtschaft. Durch das dann fehlende Wasser wird die eingelagerte organische Materie weiter zersetzt - riesige Mengen Kohlendioxid werden dabei frei.
Verdreifachung der Treibhausgase?
Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sich die Menge emittierter Treibhausgase aus Mooren im Vergleich zum Jahr 2015 sogar noch verdreifachen, wenn Moore weiterhin für Ackerflächen und Plantagen trockengelegt werden. Dies besagt die Studie "Intact and managed peatland soils as a source and sink of GHGs from 1850 to 2100", die an diesem Montag im Fachjournal "Nature Climate Change" erschien.
Die Autoren der Studie berechnen, dass ohne konsequente und großflächige Renaturierung von Mooren bis zu 40 Prozent des noch zur Verfügung stehenden Treibhausgas-Budgets für das Erreichen der Pariser Klimaschutzziele allein aus diesen Gebieten kommen könnte.
"Etwa fünf Prozent der totalen weltweit von Menschen verursachten Emissionen stammen momentan aus entwässerten Mooren", so Prof. Dr. Hans Joosten, Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald. "Aktuell findet neue Moorentwässerung großflächig in den Tropen statt. Seit einigen Jahrzehnten in Südostasien, aber zunehmend auch in Afrika - wobei sich Ostafrika gerade zu einem neuen, bisher weitgehend übersehenen Hotspot entwickelt - sowie in West-Amazonien." Genutzt werden die trockengelegten Flächen meist für Ackerbau und für große Palmöl- und Acacia-Plantagen.
Ökologie und Ökonomie vereinen
Es sei zwar nicht einfach, entwässerte Moore zu renaturieren, so Joosten. "Aber wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, gibt es keine Alternative. Wir können uns ein Beispiel nehmen an Indonesien, wo man es nach den verheerenden Moorbränden von 2015 geschafft hat, auf 800.000 Hektar entwässertem Moor die Entwässerung ganz oder teilweise einzustellen."
Auch Associate Prof. Dr. Andreas Heinemeyer vom Department of Environment & Geography an der britischen University of York drängt zur Eile, ohne die berechtigten ökonomischen Sorgen außer Acht zu lassen. "Wir haben nicht mehr viel Zeit, um globale Erwärmung zu limitieren, und Renaturierung von Mooren könnte einen bedeutenden Beitrag leisten. Das große Problem liegt darin, dass man die Einkommensgrundlage von Menschen berücksichtigen muss. (…) Eigentlich kann nur eine globale Organisation wie die UN eine solche Situation angehen – zumindest als Vermittler. Der Zeitplan scheint möglich, ist aber offensichtlich eine sehr große Herausforderung!"
Magische Moore
Feuchtgebiete wie Sümpfe, Moore und Schilfe sind Wunderwerke der Natur. Sie saugen klimaschädlichen Kohlenstoff aus der Atmosphäre wie einen Schwamm auf. Doch in Deutschland sind 95 Prozent der Moore zerstört.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Wenn Mann blau macht
...haben Moorfrösche Paarungszeit. Normalerweise sind die quakenden Amphibien braun und damit perfekt getarnt für das Leben in Laub und Wald. Doch vor dem Sex im Wasser speichern die Männchen Flüssigkeit unter der Haut, die sie blau erscheinen lässt.
Leider trocknet der Lebensraum der Moorfrösche zunehmend aus: In Deutschland, so der Naturschutzbund NABU, zählen sie zu den bedrohten Arten.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Endstation Moor
Frösche laichen. Und der Mensch? Er endet mitunter als Leiche im Moor. So erging es diesem Herrn: 1200 Jahre soll er unter Wasser verbracht haben. Nun hat er im Landesmuseum in Emden seine letzte Ruhestätte gefunden. Das saure Milieu im Moor hat Haut, Gewebe, Haare, Knorpel und Fingernägel gegerbt und konserviert. Außer dem Skelett wurden seine gut erhaltenen Kleider geborgen.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Grüne Brühe, brauner Sumpf
Lebensfeindlich müssen weite Teile Norddeutschlands und Bayerns dem Menschen bis vor 300 Jahren erschienen sein - unheimlich, unnahbar, voller Mücken. Unbrauchbar für die Menschen. Um das Land zu besiedeln oder landwirtschaftlich als Acker, Grünland und Forst zu nutzen, trockneten unsere Vorfahren die Moore aus.
Bild: Colourbox/Achim Prill
Gräben - Grab der Moore
Zur Entwässerung der Feuchtgebiete legten die Menschen noch bis ins 20. Jahrhundert Gräben an. Dadurch änderte sich die Vegetation mit der Zeit: Heidekraut verdrängte die Nässe liebenden Torfmoose. Und je tiefer der Wasserspiegel sank, desto mehr Bäume, besonders Birken, eroberten das Moor. Die Dränagekanäle, die zum Tod der Moore führten, durchtrennen heute noch ganze Landschaften.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/G. Franz
Nieren der Natur
Moore sind gewaltige Wasserspeicher in regenreichen Regionen, in denen niedrige Pflanzen wachsen. Auf jungen Moorböden läuft es sich federnd wie auf einem Trampolin. Je mehr Wasser die Pflanzenschicht bedeckt, desto tiefer sinken Lebewesen ein und desto weniger Sauerstoff dringt zu den Pflanzen durch.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Kleinschmidt
Ohne Moos nix los!
Ohne Torfmoose kann kein Moor entstehen. Die Polsterpflänzchen haben keine Wurzeln und ernähren sich von Regenwasser. Nach oben wachsen sie unbegrenzt, während die Basis abstirbt, weil in die Tiefe des Wasserbodens kein Luftsauerstoff gelangt. Das unvollständig zersetzenden Gewebe wird zu Torf, wenn es sich nicht mehr unter Wasser befindet.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker
Heizkörper
Torf entsteht erst durch die Trockenlegung der Moore. Das Material besteht aus abgestorbenen Pflanzenfasern, die wie Zunder brennen. Schon vor Jahrhunderten wurde Torf gestochen, die Ballen wurden verheizt. Mit dem Beginn der Industrialisierung stieg der Bedarf an Brennstoffen an. Es wurden sogar Torf-Kraftwerke gebaut. Torf zählt wie Braunkohle, Erdöl und Gas zu den fossilen Energieträgern.
Bild: Colourbox
Schwarzes Gold für schmerzende Glieder
Moorbäder gab es lange vor der Wellness-Welle. Im 19. Jahrhundert wurde für Kuranwendungen besonders viel Badetorf in Mooren abgebaut. Die Heilerde enthält Vitamine, Spurenelemente, Mineralien und vor allem entzündungshemmende Huminsäure. Ein Moor-Schlammbad soll rheumatische Erkrankungen und Arthrose lindern.
Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul
Raubbau an der Natur
Torf verbessert die Bodenqualität. Die Erde wird dadurch um einiges saurer, als sie im Normalzustand ist. Viele Pflanzen wie Heidekraut und Rhododendren benötigen saure Erde zum Gedeihen. Gerade zur Anzucht nutzen viele Gärtnereien und Blumenzüchter Torf aus Norddeutschland. So wurde dort in den vergangenen Jahrzehnten viel abgebaut und in Länder exportiert, die selbst keine Torfmoore haben.
Bild: NABU/Willi Rolfes
Appell ans grüne Gewissen
Frühlingszeit ist Pflanzzeit. Die Nachfrage nach Blumenerde steigt. Gleichzeitig schrumpfen unersetzliche Moorlandschaften, die über Jahrtausende entstanden sind. Denn in der Pflanzerde ist meist Torf enthalten. Es geht auch ohne, raten Naturschützer und appellieren an Gartenbaubetriebe und Hobbygärtner, auf Torf zu verzichten.
Bild: NABU/Sebastian Hennigs
Naturschwamm
Torfmoose (Sphagnum) können das 30-fache ihrer Trockenmasse speichern. Sie werden zur Regeneration, zur Wiedervernässung der Moore gepflanzt. So kann der Boden wieder Wasser aufnehmen. Wissenschaftler bauen die wertvollen Pflanzen auch in Plantagen an. Sie möchten so Zuchterde herstellen und den Torfabbau in Naturmooren verringern. Die Torfschicht wächst nur einen Millimeter pro Jahr.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Von der Skipiste ins Moor
Hier soll wieder ein Moor entstehen. Wie ein Bulldozer schiebt der umgerüstete Skipisten-Bully große Pflanzenteile vor sich her. Sie stammen von Bäumen und müssen entfernt werden, damit Moose wachsen können. Weiche Böden machen dem geländegängigen Allzweckfahrzeug nichts aus. Trotz des hohen Gewichts von sieben Tonnen versinkt das Fahrzeug wegen der breiten Kettenauflage nicht im Moor.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/N. Lipka
Unentbehrliche Klimaschützer
Moore haben eine immense Bedeutung für den Klimaschutz: Sie entziehen der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid. Das CO2, das die Pflanzen während ihres Wachstums aufgenommen haben, wird nach ihrem Absterben im Torf gespeichert. Entwässert der Mensch allerdings das Moor, gelangt Luft in den Boden. So wird neben CO2 auch das noch klimaschädlichere Lachgas (N2O) freigesetzt.
Bild: Colourbox/L. Tit
Ruhezone Moor
Moorlandschaften haben eine einzigartige Flora und Fauna. Das besondere Licht und die Weite üben auf Besucher eine beruhigende Wirkung aus. Der Dichter Rainer Maria Rilke, der wie andere Künstler in Worpswede bei Bremen heimisch wurde, sagte über das nahe Moor, er könne dort bei endlosem Himmel aufatmen. Und: "Die Ebene ist das Gefühl, an welchem wir wachsen."