Rettungsmission der Luftwaffe im Sudan abgebrochen
19. April 2023Ein Plan für den Einsatz der Luftwaffe für die Evakuierung wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wegen der unsicheren Lage in der umkämpften Hauptstadt Khartum gestoppt. "Die Bundesregierung verurteilt die Kämpfe im Sudan auf das Schärfste. Wir sind entsetzt über das Ausmaß der Gewalt, insbesondere gegenüber Zivilistinnen und Zivilisten, Diplomatinnen und Diplomaten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Im Vordergrund stehe der Schutz von Menschenleben und eine Deeskalation der Lage. Wichtig sei, dass sich die Konfliktparteien auf eine sofortige Waffenruhe einigen und diese auch einhalten.
Airbus A400M sind auf dem Rückweg
Die drei Airbus A400M für eine Evakuierung waren am Morgen in Wunstorf gestartet. Am Mittwochnachmittag waren die Maschinen der Bundeswehr aber wieder auf dem Rückweg nach Deutschland. In der sogenannten Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes hatte sich nach Angaben einer Sprecherin vom Montag eine "niedrige dreistellige Zahl" deutscher Staatsangehöriger im Sudan registriert.
Der Flughafen in der Hauptstadt Khartum stand in den vergangenen Tagen im Zentrum der Kampfhandlungen. Diplomaten bemühen sich um eine belastbare Feuerpause für die Evakuierung.
Scholz: "Viele sind sehr verzweifelt im Land"
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Lage im Sudan später als schwierig und bedrohlich. Deutschland werde bei einem möglichen Rettungseinsatz auch versuchen, Bürgern anderer Staaten eine Ausreise zu ermöglichen, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch in Portugal. "Der Krieg zwischen den Parteien, der da jetzt ausgebrochen ist im Sudan, ist sehr plötzlich über das Land gekommen. Viele sind sehr verzweifelt im Land", sagte Scholz.
Mitarbeiter der EU-Kommission angeschossen
Im Sudan ist ein Mitarbeiter der Europäischen Kommission angeschossen worden. Das bestätigte eine Sprecherin der Behörde. Demnach handelt es sich um den Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) in der Hauptstadt Khartum. Er ist Belgier und arbeitet seit 2019 dort in dieser Funktion.
Angaben zu den Umständen des Vorfalls und zur Schwere der Verletzung machte die Sprecherin aus Sicherheitsgründen nicht. Sie wollte auch nichts zu seinem aktuellen Aufenthaltsort sagen. Die "New York Times" berichtete, der Mann sei schwer verletzt worden, schwebe aber nicht in Lebensgefahr. Er soll in der Nacht von Sonntag auf Montag verschwunden und dann erst am Dienstag von Kollegen gefunden worden sein.
Bereits am Montagabend hatte die EU einen Angriff auf den EU-Botschafter im Sudan bestätigt. Der Ire Aidan O'Hara wurde nach jüngsten Angaben in seiner Residenz von bewaffneten Männern in Militärkleidung überfallen und ausgeraubt. Er blieb unverletzt.
UN: Bereits 270 Menschen kamen ums Leben
In dem seit Jahren politisch instabilen nordostafrikanischen Land kämpfen die zwei mächtigsten Generäle und ihre Einheiten seit Samstag um die Vorherrschaft.
De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die zwei Männer führten das gold- und ölreiche Land mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021. Seit Ausbruch des Konflikts wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 270 Menschen getötet, 2600 wurden verletzt.
Heftige Gefechte - Tausende auf der Flucht
Der britische Sender BBC berichtete von Schüssen und Explosionen in der Hauptstadt Khartum. In sozialen Medien berichteten Anwohner von schweren Luftangriffen. Wegen der schweren Kämpfe fliehen tausende Menschen aus der Hauptstadt Khartum. Augenzeugen berichten von Leichen auf den Straßen.
Auch am Abend sind die heftigen Gefechte zunächst weitergegangen. Laut einer Reporterin der Deutschen Presse-Agentur in Khartum und Augenzeugen auf Twitter waren Schüsse in der Hauptstadt auch nach 18 Uhr zu hören - ab diesem Zeitpunkt hatte sich die paramilitärische Gruppe RSF am Nachmittag zu einer 24-stündigen Waffenruhe bereit erklärt. Die Hoffnung darauf war allerdings ohnehin gering: Denn anders als noch am Vortag, hatte die rivalisierende sudanesische Armee einer Waffenruhe vorab nicht zugestimmt. Bereits am Dienstag scheiterte eine vereinbarte 24-stündige Feuerpause.
Krankenhäuser werden geplündert
Aufgrund der anhaltenden Kämpfe sind in der Hauptstadt Khartum 39 der insgesamt 59 Krankenhäuser und Kliniken außer Betrieb. Das teilte das sudanesische Ärztekomitee mit. Einige Krankenhäuser seien bombardiert, andere angegriffen und geplündert worden, hieß es. Das Komitee forderte eine "dringende Intervention" zum Schutz des medizinischen Personals und der Patienten. Viele Einrichtungen hätten mittlerweile weder Strom oder Medikamente noch Trinkwasser oder Nahrungsmittel, sagte das Komitee. Auch Kinderkrankenhäuser seien betroffen.
Der Luftverkehr im Sudan ist seit Ausbruch der Gefechte zum Erliegen gekommen. Die Flughäfen in Khartum und der rund 330 Kilometer entfernten Stadt Merowe wurden von den RSF bereits am Samstagmorgen angegriffen. Mehrere Passagiermaschinen wurden zerstört. Die Armee eroberte den Flughafen in Khartum nach eigenen Angaben zurück, weiterhin kämpfen die Konfliktparteien aber mit schwerer Artillerie nahe des Flughafens und des angrenzenden Armee-Hauptquartiers. Auch Flugabwehrraketen sind Berichten zufolge im Khartum im Einsatz.
Internationale Vermittler können nicht einreisen
Die sudanesische zivile Luftfahrtbehörde teilte nach Angaben eines Branchenmediums am Wochenende mit, dass der Luftraum geschlossen sei und es im Raum Khartum keine Flugsicherungsdienste mehr gebe. Die UN teilten mit, man habe derzeit weder Wege in den Sudan noch aus ihm heraus. Humanitäre Versorgung mit dringenden medizinischen Gütern ist nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen derzeit unmöglich. Auch internationale Vermittler, darunter drei ostafrikanische Präsidenten, können derzeit nicht einreisen.
nob/kle (dpa, afp, rtr, epd)