Nepalesische Maoisten haben Bhutan im Visier
16. Februar 2009Lange dachte die 34-jährige Dawadolma Damang, ihr Mann arbeite in einer Zementfabrik im indischen Teil Kashmirs. Doch eines Tages saß sie in ihrem Haus im Flüchtlingslager Beldangi 1 in Nepal und öffnete die Zeitung. „Da las ich plötzlich, dass er tot war“, erzählt sie. Er war umgekommen, als er in einer kleinen Stadt direkt hinter der indischen Grenze Bomben bastelte. Beldangi 1 ist eines der Lager für Flüchtlinge aus Bhutan. 100 000 ethnische Nepalesen wurden im Jahr 1991 aus Bhutan ausgewiesen. Seitdem leben sie in den nepalesischen Lagern - oft in Haushalten, in denen die Väter und älteren Brüder fehlen. Die Männer sind nach Indien gegangen, um dort den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. Doch einigen von ihnen geht es wie Damanags Mann: Für sie ist die Revolution verlockender als der Alltag in den Fabriken.
Sprengsätze, Gewehre und Propaganda
„Wir bereiten uns auf den bewaffneten Kampf vor“, verkündet Genosse Umresh. „Wir wollen die jetzige Regierung in Bhutan stürzen und eine Volksrepublik errichten. Mit dem Gewehr.“ Er ist der Anführer einer militanten Gruppe, die wie mehrere andere in den letzten Jahren in den Flüchtlingslagern entstanden sind. Sie geben sich Namen wie „Kommunistische Partei Bhutans“ oder auch „Tigerarmee“ und sind Maoisten. Ihr Vorbild sind die nepalesischen Maoisten, die bis 2006 einen Guerillakrieg gegen die Regierung führten und nun in dem Himalayastaat regieren. Die Gruppen in den Flüchtlingslagern haben ein Ziel: Sie wollen einen Volksaufstand in Bhutan anzetteln und so ihre Rückkehr in das Land ermöglichen, das sie noch immer als ihre Heimat betrachten. Guerillaoperationen in Bhutan hätten schon begonnen, sagt Genosse Umresh. Regelmäßig überquerten seine Leute mit selbstgebastelten Sprengsätzen, Gewehren und Propagandamaterial ausgestattet die Grenze in den Dschungelgebieten. „Doch bevor es zu einer Revolution kommt muss die nepalesische Minderheit zum kämpfen bereit sein“, erklärt er.
Polizeiliche Staatstreue-Bescheinigung
Doch während in den Flüchtlingslagern Aufruhr und Radikalität wachsen, macht das Königreich Bhutan gerade seine ersten Erfahrungen mit der Demokratie. Es wird geschätzt, dass noch 80.000 ethnische Nepalesen im Land sind, fast ein Sechstel der Bevölkerung. Viele von ihnen leiden unter Diskriminierung, ihre Rechte seien eingeschränkt erklärt Bill Frelick von Human Rights Watch. So müssten sie eine Bescheinigung der Polizei mit sich tragen, die bestätigt, dass sie nicht in subversive Aktivitäten verwickelt sind. „Das schließt Kontakte zu Angehörigen in den Lagern in Nepal ein“, sagt Frerick. Posten in der Verwaltung seien für sie unerreichbar, auch Grundbesitz zu erwerben sei schwierig.
Bhutans Premierminister Jigme Y Thinley hat den Auftrag solche Auswüchse zu beenden. Er hat versprochen, dass innerhalb von fünf Jahren alle Einwohner Bhutans gleichgestellt sein sollen. Die Revolte aus dem Exil fürchte er nicht, sagt er. Die Demokratie sei die stärkste Waffe gegen die Aufständischen. „Das Beste, was ein kleines Land wie Bhutan machen kann, um sich zu verteidigen, ist sicherzustellen, dass die Gründe für eine Revolte gar nicht erst entstehen“, erklärt er. Bhutan wird nicht in Harmonie leben können, so lange nicht alle Bürger Gleichheit und Gerechtigkeit erfahren.“