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Politik

Riad lässt die G20 links liegen

3. Juli 2017

Der saudische König Salman hat mit Verweis auf die Katar-Krise seine Teilnahme am Treffen der G20 abgesagt. Das zeigt, dass außenpolitisch für das Königreich nicht alles nach Wunsch läuft. Doch das bietet auch Chancen.

Saudi Arabien König Salman Bin Abdul Aziz Al Saud
In Hamburg nicht dabei: der saudische König Salman bin Abdul Aziz al-SaudBild: Picture alliance/abaca/B. Press

Wäre alles nach Plan verlaufen, wäre der saudische König Salman Ende der Woche in starker Position zum G20-Gipfel nach Hamburg gereist. Die von Saudi-Arabien und seinen Partnerstaaten losgetretene Krise mit dem Nachbarn Katar hätte zu diesem Zeitpunkt beigelegt sein sollen. Denn bis dahin, so sah das saudische Kalkül es vor, hätte sich das kleine Emirat den Forderungen der Allianz gebeugt. So hätte es etwa seine diplomatischen Kontakte zum Iran abgebrochen und den Sender Al-Dschasira abgeschaltet. Und Saudi-Arabien hätte sich als unbestrittener Hegemon auf der Halbinsel präsentieren können.

Doch es kam anders: Katar beugte sich nicht, jedenfalls nicht in der ihm gesetzten Frist. Auf Initiative des Emirs von Kuwait, der in dem Streit vermittelt, wurde die Frist um zwei Tage verlängert. Das aber hat offenbar hinter den Kulissen für erhebliche Verunsicherung gesorgt, sah sich König Salman doch am Montag gezwungen, seine Teilnahme am Treffen der G20 unter Verweis auf die Katar-Krise abzusagen. Vertreten wird ihn nach Angaben der saudischen Botschaft in Berlin nun Staatsminister Ibrahim al-Assaf. Dies lässt erkennen: Aus saudischer Sicht ist der G20-Gipfel in der derzeitigen Lage offenbar nicht so wichtig, dass man einen anderen Spitzenpolitiker dorthin hingeschickt hätte. 

Aufbruch und Ernüchterung

Es ist nicht einmal zwei Wochen her, dass der König seinen Sohn, Mohammed bin Salman, kurz MbS, zum neuen Kronprinzen ernannt hatte - auf Kosten des bisherigen Kronprinzen Mohammed bin Nayef. Dieser hatte seinerseits vor zwei Jahren den damaligen Kronprinzen Muqrin bin Abdulaziz, wie Salman ein Sohn des Staatsgründers Abd al-Aziz ibn Saud, verdrängt - ein bislang in der Geschichte des Königreichs ungekannter Vorgang: Bislang hatten ausschließlich die Söhne Ibn Sauds dessen Nachfolge angetreten, nicht aber dessen Enkel.

Die - vergleichsweise - hastige Neuordnung der Thronfolge, verbunden mit dem damit wohl endgültig eingeleiteten Generationenwechsel an der Staatsspitze, deutet an, in welch unruhigen Fahrwassern das Königreich sich derzeit befindet. Diesen Eindruck verstärkt auch der Umstand, dass König Salman nun entgegen der bisherigen Planung in Riad bleibt. Außenpolitisch läuft derzeit offenbar wenig so, wie man es sich in der saudischen Hauptstadt vorstellt.

Chancen in Hamburg?

Eben diesen Umstand hätte Saudi-Arabien auch als Chance für einen erfolgreichen Auftritt in Hamburg nutzen können. Die deutsche Bundesregierung als Gastgeberin des Gipfels zeigt sich ohnehin bemüht, den Konflikt am Golf nicht weiter eskalieren zu lassen. "Was es jetzt braucht, ist ein ernsthafter Dialog zwischen den Beteiligten, um konstruktive Lösungsansätze durch Verhandlungen zu entwickeln", sagte Außenminister Sigmar Gabriel, der von Montag an Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar und Kuwait besucht. "Dazu müssen alle beitragen und zeigen, dass sie bereit sind, sich mit der Position der anderen Seite auseinanderzusetzen."

Trüge Gabriels Initiative dazu bei, den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar zu entspannen, dann hätte dies auch dem Königreich Gelegenheit bieten können, den in Hamburg versammelten G20 seine Vorzüge zu preisen, genauer: die Vorzüge, die Kronprinz Mohammed in den kommenden Jahren in Saudi-Arabien Wirklichkeit werden lassen will.

Herausforderungen in der Zukunft

Außenpolitische Anerkennung kann MbS derzeit nämlich gut gebrauchen. Er gilt als Hauptverantwortlicher für den seit über zwei Jahren anhaltenden Krieg im Jemen, der Tausende Jemeniten das Leben gekostet und zugleich Saudi-Arabien in der Wahrnehmung seiner außenpolitischen Interessen nicht einen Schritt weiter gebracht hat. Im Gegenteil: Der Hauptrivale Iran, den Saudi-Arabien auch im Jemen bekämpft, baut seine Vormachtstellung in der Region immer weiter aus. "Iran", heißt es in dem mit der Politik des Nahen Ostens befassten Internet-Magazin Al-Monitor, "genießt es, Saudi-Arabien dabei zuzuschauen, wie es Milliarden in einen Krieg gegen das ärmste Land in der arabischen Welt investiert."  

Saudi-Arabiens Mann der Zukunft: Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Dabei steht Saudi-Arabien unter enormem Handlungsdruck: Die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 25, jedes Jahr suchen Hunderttausende Universitätsabsolventen eine Arbeitsstelle - von denen die wenigsten eine finden. Dem will der Kronprinz nun abhelfen - mit Hilfe der von ihm entworfenen "Agenda 2030". Deren Hauptanliegen ist es, die saudische Wirtschaft langfristig von der Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien, das um das Jahr 2030 zu erheblichen Teilen versiegt sein wird - ein Szenario, das die Agenda bereits in ihrem Namen andeutet.

Die Vision des MbS

Im Rahmen der dazu angesetzten Reformen will MbS auch die gesellschaftliche und ökonomische Verfassung des Landes erneuern. In einem Interview mit der Zeitschrift The Economist wurde er gefragt, welches Saudi-Arabien er sich für die Zukunft vorstelle. Seine Antwort: "Ein Saudi-Arabien, das nicht abhängig von Öl ist; eines mit einer wachsenden Wirtschaft; eines mit transparenten Gesetzen (...), ein Saudi-Arabien das die Träume oder Ambition jedes einzelnen Bürgers erfüllen kann, indem es die entsprechenden Anreize, die entsprechende Umgebung erschafft."

Er wolle, so MbS weiter, ein Königreich, das die Teilnahme jedes Bürgers an den Entscheidungsprozessen garantiere. Er wünsche sich "ein Saudi-Arabien, das ein wichtiger Teil der Welt ist, an der globalen Produktion teilhat und sich daran beteiligt, den globalen Herausforderungen zu begegnen."

Noch steht die Vision von der Zukunft des Königreichs, wie auch die Veröffentlichungen der großen Menschenrechtsorganisationen belegen, in erheblichem Gegensatz zu der politischen und gesellschaftlichen Realität des Landes. Deren Führung will von Teilhabe und Emanzipation der Bürger bislang wenig wissen. In Hamburg hätte König Salman zeigen können, wie ernst sein Land die Pläne seines Sohnes, des neuen Kronprinzen, nimmt. Er hätte auch den schwierigen Dialog mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan suchen können, der in der Krise am Golf Katar unterstützt. Dies bleibt nun, sofern überhaupt, einem kaum bekannten Staatsminister vorbehalten.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika