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Politik

Der Beginn einer neuen Freundschaft?

3. April 2018

Der saudische Kronprinz Bin Salman erklärte in einem Interview, auch die Israelis hätten Recht auf ihr eigenes Land. Die Aussage erklärt sich auch aus der Sorge vor dem gemeinsamen Gegner Iran.

Bildkombo Mohammed bin Salman, Kronprinz Saudi-Arabien & Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident Israel
Saudisch-israelische Verständigung: der saudische Kronprinz Mhoammed bin Salman (li.) und der israelische Premier Benjamin Netanjahu (re.)Bild: Reuters/A. Levy & A. Cohen

Es war eine geradezu beiläufig formulierte Aussage, mit der sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ganz an die Spitze der Nachrichtenmeldungen des Tages brachte. Jedes Volk - egal wo - habe das Recht, friedlich als Nation zu leben. Diese Aussage war die Antwort auf die Frage des Journalisten Jeffrey Goldberg vom US-Magazin "The Atlantic". Goldberg hatte von Bin Salman wissen wollen, ob das jüdische Volk das Recht auf einen Staat zumindest in einem Teil seines historischen Stammlandes habe. Der generellen Aussage ließ der Kronprinz im Interview eine sehr konkrete folgen: "Ich glaube, dass die Palästinenser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben."

Damit war das Interview in aller Munde, zumal der Kronprinz es um weitere spektakuläre Aussagen ergänzte - etwa jener, in der er den obersten iranischen Religionsführer, Ajatollah Ali Khamenei, mit Hitler verglich: "Ich glaube, dass der oberste iranische Führer Hitler gut aussehen lässt." Hitler habe lediglich versucht, Europa zu erobern. Khamenei hingegen wolle die ganze Welt erobern. Deshalb sei er "der Hitler des Nahen Ostens".

'Der Feind meines Feindes ist mein Freund'

Die versöhnliche Geste gegenüber Israel, die wüste Abqualifizierung des iranischen Religionsführers: Beides geht zusammen, sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Mit seinen Aussagen treibe Bin Salman eine Politik voran, die seit einigen Monaten immer stärker die Annäherung Saudi-Arabiens an Israel offenbar werden lässt. "Dies geht vor allem auf den Umstand zurück, dass beide Länder im Iran eine ernste Bedrohung der regionalen Stabilität und Sicherheit sehen. Dementsprechend handeln sie nach dem Motto 'Der Feind meines Feindes ist mein Freund'."

Sorge um Sicherheit: Ein Kämpfer der von Iran unterstützten Hisbollah an der Grenze zu IsraelBild: picture-alliance/AP Photo/H. Malla

Wie stark sich Saudi-Arabien durch den Iran herausgefordert oder sogar bedroht fühlt, zeigt sich, anders als in dem freundlichen Signal Richtung Israel, auch in einigen wesentlich aggressiveren außenpolitischen Aktionen. Seit über drei Jahren steht Saudi-Arabien an der Spitze einer internationalen Koalition, die sich vor allem aus arabischen Staaten zusammensetzt und die sich gegen die aufständischen Huthis im Jemen richtet. Die Huthis gelten in Riad als Verbündete des Iran, der seinerseits verdächtig wird, seinen Einfluss im bitterarmen Nachbarland ausbauen zu wollen. Das würde auch bedeuten, dass Teheran politisch und militärisch auch auf der arabischen Halbinsel präsent wäre. Die Halbinsel sieht Saudi-Arabien als seine Einflusssphäre an, jeder ungebetene fremde Einfluss wird in Riad als Bedrohung der nationalen Sicherheit gewertet.

Auch die internationale Koalition gegen das kleine Emirat Katar, Saudi-Arabiens unmittelbaren Nachbarn an der Ostküste, gilt als indirekte Auseinandersetzung mit dem Iran. Saudi-Arabien wirft Katar eine zu große Nähe zum Iran vor. In einem Forderungspapier vom Juni 2017 nannte Riad die Voraussetzungen, die zu einer Beilegung der Krise nötig seien. Eine davon: Katar solle seine diplomatischen Beziehungen zum Iran reduzieren und die Mitglieder der Revolutionsgarden ausweisen. Auch solle es gemeinsame militärische oder geheimdienstliche Kooperationen beenden.

Aus saudischer Sicht zu nahe am Iran: das Emirat Katar, hier die Hauptstadt Doha Bild: picture-alliance/dpa/Y. Valat

Zweifel an tragfähiger Partnerschaft

Die freundliche Geste in Richtung Israel sollte im Spiegel dieser Spannung gesehen werden, sagt Sons, Autor eines einflussreichen Buchs über die politische und gesellschaftliche Entwicklung des saudischen Königreichs. Ganz wesentlich sei es, Saudi-Arabien anzutreiben, sein Verhältnis zu Israel neu zu regeln. Von einer vertieften Beziehung oder gar einer Partnerschaft zwischen beiden Ländern könne man allerdings nicht reden. "Dagegen sprechen einfach noch zu viele weiter bestehende ideologische Differenzen. Der saudische König ist weiterhin Hüter der beiden heiligen Stätten Mekka und Medina. Damit ist er auch verantwortlich für die arabische Bevölkerung in der Welt, und damit natürlich auch für die Palästinenser. Darum bezweifele ich, dass sich das Zweckbündnis gegen den Iran zu einer tragfähigen Partnerschaft ausbauen lässt."

Seit Monaten ist Kronprinz Salman bestrebt, seinem Land ein neues Image zu verpassen. Spätestens seit den Terrorangriffen von New York und Washington im September 2011 gilt Saudi-Arabien global als Hochburg eines religiösen Fundamentalismus mit fließenden Grenzen zum Dschihadismus. Die Mehrzahl der Attentäter des Jahres 2011 stammen aus Saudi-Arabien. Erst Ende März hatte ein Bezirksrichter in New York US-Klagen von 9/11-Opfern gegen Saudi-Arabien zugelassen. Das hatte man in Riad immer zu verhindern versucht - nicht nur wegen der möglichen ökonomischen Folgen des Richterspruchs, sondern auch aus Sorge um das Ansehen des Königreichs.

Es sei darum kein Zufall, dass Kronprinz Salman die Geste in Richtung Israel ausgerechnet während seiner US-Reise gemacht habe, sagt Sebastian Sons. Saudi-Arabien habe ein vitales Interesse daran, die Beziehungen zu den USA weiterhin zu verbessern. "Man möchte damit auch dem amerikanischen Publikum signalisieren, dass man weiterhin sehr eng mit den Amerikanern zusammenarbeiten will und damit auch mit amerikanischen Verbündeten wie in diesem Fall Israel."

Positive Reaktionen aus Deutschland

Offen ist, inwieweit die saudische Geste auch auf andere arabische Länder wirkt. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass die alten Fronten - die Mehrzahl der arabischen Staaten sind gegen Israel - sich derzeit zugunsten einer neuen Konstellation zurückbildet. Dann stünde die Mehrzahl der arabischen Staaten gegen den Iran. Womöglich ergänzt die neue Front die alte aber auch nur.

Immerhin scheint eine weitere arabisch-israelische Entspannung nicht ausgeschlossen. Entsprechend positiv sind auch die Signale aus Deutschland. So begrüßte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul, die Äußerung Bin Salmans. Die Initiative sei ein mutiger Schritt des saudischen Kronprinzen, so Wadephul. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Unruhen in Palästina. Es sei zu wünschen, dass Israelis und Palästinenser sie aufgreifen und einen neuen Anlauf für einen Nahost-Friedensprozess unternähmen. "Die Sicherheit des Staates Israel ist eine zentrale Säule deutscher Nahostpolitik. Insofern unterstützen wir Saudi-Arabien darin, eine Friedenslösung anzustreben, mit der das Existenzrecht Israels gesichert würde."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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