Die chinesischen Pandas "Träumchen" und "Schätzchen" sind nach Berlin gekommen. Süüüß! Oder doch nicht? Der deutsche Philosoph Richard David Precht bezeichnet unser Verhältnis zu Tieren als "schizophren".
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Ick bin ein Berliner!
Die Pandas sind da! Nach ihrer Ankunft in Deutschland schnuppern "Jiao Qing" und "Meng Meng" Berliner Luft. In ihrem neuen Gehege finden sie rote Laternen, einen Kletterspielplatz - und jede Menge Aufmerksamkeit.
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Ein neuer Berliner Bär
Alle Blicke richten sich auf ihn: Riesenpanda Meng Meng wird nach seiner Landung am Flughafen-Berlin Schönefeld in einer gläsernen Box präsentiert. Er hat einen zwölfstündigen Flug hinter sich.
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Fototermin am Flughafen
Zum Lächeln sind die Pandas wahrscheinlich zu erschöpft. Doch ihre Müdigkeit kann die mediale Aufmerksamkeit nicht bremsen.
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Strapaziöser Transport?
Etwa 12 Stunden lang hieß es für "Schätzchen" (hier im Bild) und "Träumchen": Ausharren in der Box - immerhin mit jeder Menge Bambus. Ganz schön anstregend! Den Eindruck erweckt zumindest "Schätzchen" auf diesem Foto. Aber ganz ehrlich: Wer fände eine so lange Reise nicht strapaziös?
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Pandas, Peking, Politik
Pandas sind nur in ganz wenigen Zoos außerhalb Chinas vertreten. Peking nutzt die vom Aussterben bedrohten Tiere auch als politische Botschafter und zeigt sich mit dem tierischen Geschenk von seiner besten Seite.
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Berlin sagt danke
Berlins erste Pressekonferenz mit Pandabären: Nach der Ankunft von Meng Meng und Jiao Qing bedankt sich Oberbürgermeister Michael Müller für das Geschenk aus China.
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Roter Zaun statt roter Teppich
Kletterbäume, ein künstlicher Flusslauf, artgerechte Bepflanzung - das zukünftige Gelände für die Riesenpandas Jiao Qing und Meng Meng im Berliner Zoo ist mit allen Finessen ausgestattet.
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Fahnenschwenk bei der Ankunft
Die Maschine mit den Pandas war am Samstagnachmittag mit etwas Verspätung auf dem Berliner Flughafen Schönefeld gelandet. Vor Freude wurde aus den Cockpitfenstern eine deutsche und chinesische Fahne gehalten. Die Feuerwehr begrüßte das Flugzeug mit einer Wasserdusche.
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Wertvolle Fracht
Die Reise von Meng-Meng und Jiao Qing begann am Freitag (23.06.17) in der chinesischen Metropole Chengdu. Behutsam wurden die großen Boxen für den langen Flug präpariert und in die Frachtmaschine der Lufthansa verladen.
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Deutsch-chinesischer Flirt
Erste Annäherungsversuche: Bei seinem Besuch in der chinesischen Zuchtstation Chengdu Mitte Juni streichelt der Berliner Tierpfleger Christian Toll die Panda-Dame Meng Meng. Nun sehen sich die beiden im Berliner Zoo wieder.
Bild: picture alliance/dpa
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Deutsche Welle: Herr Precht, freuen Sie sich auch auf Meng-Meng und Jiao Qing? Ist ja ganz seltener Besuch.
Richard David Precht: Freuen ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Aber ich glaube, das ist ganz gut für den Berliner Zoo, dass er den Zuschlag bekommen hat, diese Bären halten zu dürfen, die ja nur in ganz wenigen zoologischen Gärten außerhalb Chinas zu sehen sind.
Berlins Zoo baut vor: mit Klimaanlage, Schattenplätzen, Flusslauf, Rückzugsmöglichkeiten, und und und. Die Pandas sollen es schließlich gut haben. Aber sollte man vom Aussterben bedrohte Tiere so einfach hin- und herverfrachten?
Das ist nicht das Problem. Es gibt ja eine ganze Reihe von Tieren, die vom Aussterben bedroht sind, die unter anderem mit Hilfe von zoologischen Gärten überhaupt in ihrem Bestand erhalten werden. Da gehören jetzt die Pandabären nicht in erster Linie dazu, aber die Zoos leisten da mittlerweile, nachdem sie in der Geschichte auch eine unheilvolle Rolle gespielt haben, einen Beitrag. Es gibt mehr sibirische Tiger in Zoos als in der Taiga.
Und jetzt wirken diese Pandas auch noch als politische Botschafter…
Es gibt sie schon länger, die sogenannte Panda-Politik. Die geht schon auf Deng Xiaoping [der China faktisch von 1979 bis 1997 führte, Anm.d R.] zurück. Der Berliner Zoo hat ja schon einmal zwei Pandabären geschenkt gekriegt, genauer: Helmut Schmidt hat sie geschenkt gekriegt. Das ist nicht neu. Und dass sich China auf diese Art und Weise von seiner sympathischen Seite zeigt, dagegen ist nichts zu sagen.
Sie haben ein Buch über Tierethik geschrieben: "Tiere denken - vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen". Einerseits, schreiben Sie, beuten wir Tiere gnadenlos aus - Stichwort Massentierhaltung und Fleischkonsum. Gleichzeitig verhätscheln wir unsere Haustiere - Hund, Katze, Meerschweinchen oder eben Pandas. Wie passt das zusammen?
Jetzt geben wir auch noch Millionen für eine Panda-Anlage aus. In der Tat: Das ist eine große gesellschaftliche Schizophrenie! Ich werde auch nicht müde, das anzuprangern. Das spricht aber nicht gegen die Pandas. Das spricht sehr stark gegen die Massentierhaltung.
Ganz früher, als wir noch Jäger und Sammler waren und uns als Teil der Natur verstanden, hatten wir da mehr Respekt vor Tieren?
Ja, sofern wir das aus indigenen Kulturen kennen, also von Völkern etwa, die im Regenwald leben oder sofern wir das aus der altägyptischen Religion herauslesen können: Da hatten die Menschen, bevor sie systematisch anfingen, Tiere zu halten, ein wesentlich respektvolleres Verhältnis zu Tieren, weil sie sie nicht als Umwelt begriffen haben, sondern als Mitwelt.
Und jetzt beherrschen wir - auch dank der Technik - die Natur. Dumm gelaufen für die Tiere?
Ja, weitgehend ist das ausgesprochen dumm gelaufen. Aber wenn dann eine späte kulturelle Einrichtung wie der bürgerliche zoologische Garten dazu beiträgt, dass bestimmte Tiere in der Reserve gehalten werden, dann kann ich darin nichts Falsches sehen.
Sie haben mal gesagt: 'Je stärker der Mensch über die Natur herrscht, umso seelenloser erscheint ihm das Beherrschte.'
Das ist in der Tat so. Je mehr Gewalt man über die Dinge hat, desto weniger Respekt hat man davor. Das ist gewissermaßen ein langer Lauf in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte.
Und da helfen selbst die monotheistischen Religionen nicht weiter?
Nein, die monotheistischen Religionen wie Christentum, Islam oder Judentum haben zur Versachlichung der Tiere ganz wesentlich beigetragen.
Da wird der Mensch zum Maß aller Dinge. Und das Tier zur Sache?
Genau. Der Mensch als Exklusiv-Lebewesen. In der christlichen Heilsgeschichte geht es nicht um die Tiere. Da geht es nur um den Menschen.
Kleine Bildergeschichte des deutschen Zoos
Mehr als 70 Millionen Menschen besuchen in Deutschland pro Jahr Tiger, Tapire, Tukane und Co. Moderne Zoos haben nichts mehr mit den Verwahranstalten von einst zu tun.
Bild: picture alliance/dpa/arkivi
Die Pandas sind da!
Kletterbäume, ein künstlicher Flusslauf, artgerechte Bepflanzung - um die Ankunft der beiden Pandabären "Jiao Qing" (Bild) und "Meng Meng" gibt es viel Wirbel. Die Panda-Plaza im Berliner Zoo war gerade fertig, als die beiden Bären First Class aus China eingeflogen wurden. Dass Tieren so viel geboten wird, war nicht immer so. Hier unsere kleine Bildergeschichte des deutschen Zoos.
Bild: picture-alliance/dpa
Erster Zoo Deutschlands
Der Zoologische Garten in London begeistert Martin Hinrich Lichtenstein so sehr, dass der Professor für Zoologie einen eigenen gründen will. 1841 gelingt es ihm, den preußischen König zu überzeugen: Dieser verfügt, 86 Morgen (etwa 22 Hektar) des Berliner Tiergartens abzutrennen und dort den ersten zoologischen Garten Deutschlands zu errichten.
Bild: picture alliance/dpa/arkivi
Die ersten Tiere ziehen ein
In den "offenen Thierbehältern" sind hier 1845 unter anderem zwei Nasenbären, drei Polarfüchse, ein Schakal, zwei Dachse, 24 Affen und - ein Geschenk eines Fürsten - drei Bären aus Sibirien beheimatet. 1846 ziehen Tiere in die Löwen- und Tigerhalle ein, 1857 der erste Elefant, 1861 das erste Zebra. Großer Wermutstropfen: Viele der Tiere sterben in ihrem neuen Zuhause.
Bild: picture alliance/dpa/arkivi
Exotische Tiere: Vorbild Schönbrunn
Im Wiener Tiergarten Schönbrunn wird 1906 der erste in einem zoologischen Garten gezeugte Elefant geboren. 1914 ist der Tiergarten mit fast 3500 Tieren aus 717 Arten einer der größten Zoos weltweit und damit auch ein Vorbild für die Berliner. Schönbrunn ist heute der älteste noch bestehende Zoo der Welt und nach Angaben des Verbandes Zoologischer Gärten e.V. der meistbesuchte Europas.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffnen im deutschen Sprachraum viele Zoos in kurzer Zeit. Berlin folgen unter anderem: Frankfurt, Köln, Hamburg, Basel, Leipzig und Stettin. Schon 1571 hatte übrigens Landgraf Wilhelm IV. den "Thiergarten Sababurg" bei Kassel eingerichtet - und nutzte ihn nicht nur zum Jagen. Er beschäftigte auch Naturforscher, die die "fremden" Tierarten beobachteten.
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Denkmalschutz versus Tierschutz
Viele Gehege wie das Antilopenhaus (Bild) im Berliner Zoologischen Garten werden im 19. Jahrhundert erbaut und versuchen, die exotische Herkunft der Tiere widerzuspiegeln. So ästhetisch anspruchsvoll die Gehege auch sein mögen, oftmals stehen sie einer artgerechten Haltung im Weg. Und ein Umbau ist nicht möglich, weil der Denkmalschutz über jede Baumaßnahme wacht.
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Bildung und Erholung
Im 20. Jahrhundert werden auch viele Schauaquarien in Deutschland eröffnet. Hinzu kommen begehbare Affenparks, Meeresparks, Vogelparks oder sogar mit dem Auto oder Bus zu befahrende Safariparks. In Folge des Wirtschaftswunders der 1950er und -60er bauten auch kleinere Städte eigene Zoos oder Tierparks.
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Zoo als Verwahrstation
In der Nachkriegszeit boomen die Zoos und die Lust am Fremden. Der Zoo wird zum Ort für lebenden Anschauungsunterricht. Die halbwegs artgerechte Haltung der Tiere wird dabei in den Hintergrund gestellt. Gitter und Gräben trennen Löwen, Tiger und Elefanten von den Besuchern. Erst in den 1970er-Jahren entdeckt die Forschung die Psychologie der Tiere und bemüht sich, die Zoogehege umzugestalten.
Bild: picture alliance/blickwinkel/K. Hennig
Zurück zur Natur
Meilensteine des neuen Selbstverständnisses sind gitterlose Panoramen, wie sie Carl Hagenbeck in Hamburg bauen lässt. Nach dem Geozoo-Konzept des Münchner Tierparks werden Tiere nicht nach systematischen Kriterien, sondern nach Kontinenten gehalten: Löwen neben Zebras, Giraffen oder Elefanten. Grünzonen wie im Kölner Zoo (Bild) sollen das Gehege wie den echten Lebensraum wirken lassen.
Bild: DW/Nelioubin
Zukunft der Zoos
Enge Käfige und Betongehege sind auf dem Rückzug. Die Zukunft hängt auch von der richtigen Führung ab. Einige zoologische Einrichtungen haben sich deshalb entschieden, ihre Elefantenhäuser langfristig zu schließen. So hat dies beispielsweise der Zoo Frankfurt getan. Als kleiner Innenstadtzoo mit elf Hektar Gesamtfläche konnte er den Tieren nicht genug Platz bieten.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken
Forschung im Zoo
Zoos züchten Arten nach und wollen sie wieder auswildern. Auch klären sie Besucher über die Lebensräume von Tieren auf und engagieren sich im Natur- und Umweltschutz. Gegner bemängeln allerdings, dass es ethisch nicht zu rechtfertigen sei, Tierarten nur im Zoo zu erhalten. Statt Tiere in Zoos zu sperren, solle mehr für die Lebensräume vor Ort unternommen werden.
Mehr als 70 Millionen Menschen besuchen im Jahr Zoos und Tierparks in Deutschland. Inzwischen gibt es in vielen auch ein breites Freizeitangebot mit Abenteuerspielplätzen, Themenrestaurants und Karussels. Im Kölner Zoo hat zuletzt ein Bauernhof eröffnet, auf dem Besucher Kühe und Ziegen aus der Nähe betrachten können. Ein Angebot, das gerade den Erfahrungsschatz von Stadtbewohnern erweitern soll.
Bild: Picture-Alliance/dpa/P. Steffen
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Meinen Sie, wir sollten unser Verhältnis zu Tieren endlich einmal klären?
Ja, und wir sind dabei. Wenn man guckt, dass es in Deutschland eine Million Veganer gibt, 7,8 Millionen Vegetarier, dann kann man annehmen, dass da ein gewaltiger Umdenkungsprozess im Gang ist.
In welche Richtung?
Zu mehr Sensibilität im Umgang mit Tieren in dem, was wir für normal halten. Dass man Tausende von Schweinen in Ställen hält, dass man überhaupt Fleisch isst - dass das immer weniger selbstverständlich wird, halte ich für eine ethische Höherentwicklung.
Tiere leiden, Tiere haben ein Bewusstsein, schreiben Sie. Sollte das unser Verhältnis zum Tier bestimmen?
Ja, aber aus meiner Sicht auch eine grundsätzliche Faszination an der Natur. Ich glaube, dass wir weder uns noch der Natur einen Gefallen tun, wenn wir sie so gnadenlos versachlichen.
Was werden Sie denken, wenn sie vor dem Berliner Traumpärchen stehen werden, vor "Träumchen" und "Schätzchen"?
Ich werde mir die Anlage ziemlich genau angucken, wegen der Ästhetik und wegen der Haltungsbedingungen. Zoo und Tierpark in Berlin sind aber in guten Händen. Deshalb bin ich ganz optimistisch.
Richard David Precht, Jahrgang 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der bekanntesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Seine Bücher wie "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?", "Liebe. Ein unordentliches Gefühl" oder "Die Kunst, kein Egoist zu sein" wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt.