Richtungswahl in Nordzypern
18. Oktober 2025
Der selbsternannte Staat im Norden Zyperns nennt sich Türkische Republik Nordzypern (TRNZ). Er wird offiziell nur von der Türkei anerkannt. Der Süden der Insel ist griechisch-zypriotisch. Beide Teile sind als Republik Zypern Mitglied der Europäischen Union.
An diesem Sonntag wählen die türkischen Zyprioten ihren Präsidenten. Seine Befugnisse beschränken sich hauptsächlich auf die Verhandlungen zur Lösung der Zypernfrage - also der Teilung der Insel in einen griechisch-zypriotischen Süden und einen türkisch-zypriotischen Norden. Diese erfolgte, als am 20. Juli 1974 die Türkei den Norden der Insel besetzten. Zuvor wollten griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland erzwingen.
Bei der Wahl geht es nicht nur um eine Zweistaatenlösung oder um eine Wiedervereinigung, es geht auch um die Identität der Zyprioten, so der türkisch-zypriotische Akademiker und ehemalige EU-Abgeordnete Niyazi Kızılyürek: "Die Wahl des Präsidenten hat den Charakter eines Referendums - sowohl über den Willen der türkischen Zyprioten in Bezug auf die Zypernfrage als auch über die Bewahrung ihrer ethno-politischen Identität."
Tatar vs. Erhürman
Der konservativ-nationalistische und Amtsinhaber Ersin Tatar und der Mitte-links-Politiker Tufan Erhürman sind die Hauptkandidaten für das Amt des Präsidenten. Zwei aktuelle Umfragen zeigen deutliche Unterschiede zu ihren Aussichten.
Die Umfrage des Zentrums für Migration, Identität und Rechte sieht Erhürman mit 50,4 Prozent vor Tatar mit 40,6 Prozent. Die Umfrage des türkischen Meinungsforschungsinstituts GENAR ergab, dass Tatar mit 51,2 Prozent knapp vor Erhürman mit 47,9 Prozent liegt.
Unterstützung aus Ankara
Ersin Tatar strebt eine zweite Amtszeit an. Er wird von der national-konservativen Partei der Nationalen Einheit und der türkisch-nationalistischen Wiedergeburtspartei unterstützt. Diese wird in der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft als "Partei der Siedler" bezeichnet.
Tatar hat versprochen, seine Politik der Zweistaatenlösung fortzusetzen - im Einklang mit der Position Ankaras und des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dieser hatte erklärt, dass "die einzige realistische Lösung für die Zypernfrage die Anerkennung von zwei Staaten auf der Insel ist".
Tatars Haltung in der Zypernfrage hat in den letzten Jahren echte Verhandlungen blockiert, ihm aber die Unterstützung Ankaras gesichert. Diese Unterstützung beruht aber auch auf Tatars Toleranz gegenüber der politischen Islam-Agenda Ankaras. Während seiner ersten Amtszeit wurde eine umstrittene Regelung eingeführt, die das Tragen des Kopftuchs in türkisch-zypriotischen Schulen erlaubt. Nach starken Protesten hob das Verfassungsgericht der TRNZ die Regelung im September wieder auf.
Föderation im Fokus
Der Herausforderer Tufan Erhürman kandidiert für die linksgerichtete Republikanische Türkische Partei. Er betont die Sichtbarkeit der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft und ihre Kultur, aber auch ihre säkulare Identität.
In der Zypernfrage folgt Erhürman den Vereinten Nationen, die eine Zweistaatenlösung ablehnen. Eine föderalistische Lösung, nach der griechische und türkische Zyprioten gleichberechtigt sind, ist für ihn die einzige realistische Option. Erhürman hat konkrete Bedingungen für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch formuliert und den Präsidenten der Republik Zypern, Nikos Christodoulides, aufgefordert, Gespräche vorzubereiten.
Veränderte Voraussetzung durch demografischen Wandel
Nach Ansicht von Nikos Moudouros, Professor für Türkische und Nahoststudien an der Universität Zypern, könnte die demografische Entwicklung die Wahl beeinflussen.
Moudouros wies darauf hin, dass von 218.000 Wählern etwa 55 - 60 Prozent gebürtige türkische Zyprioten sind, während rund 40 - 45 Prozent der Wähler nur einen oder keinen türkisch-zypriotischen Elternteil haben. Dies hängt mit der Vergabe von Tausenden "Staatsbürgerschaften" an türkische Staatsangehörige in den letzten fünf Jahren zusammen.
Moudouros erklärte, dass "die politische Macht der gebürtigen türkischen Zyprioten stetig abnimmt und es wahrscheinlich ist, dass der Bevölkerungszuwachs des türkischen Elements bei der nächsten Wahl sogar zu einer zahlenmäßigen Dominanz führen könnte."
Eine Adaption aus dem Englischen von Sabine Faber.